Accenture: Schlüsseltechnologie KI – Europa strebt nach mehr technologischer Souveränität

Accenture: Schlüsseltechnologie KI – Europa strebt nach mehr technologischer Souveränität
(Pixabay)

Zürich – Europäische Unternehmen investieren zunehmend in ihre technologische Unabhängigkeit. Laut der aktuellen Accenture-Studie «Sovereign AI: Own Your AI Future. From Managing Risk to Accelerating Growth» legen sie verstärkt Wert auf die Kontrolle über ihre Daten und Infrastruktur, und die Nachfrage nach souveräner Künstlicher Intelligenz (KI) wächst rasant.

Unter souveräner KI versteht man die Fähigkeit, künstliche Intelligenz mit eigenen Ressourcen wie Infrastruktur, Daten, Modellen und Fachkräften zu entwickeln und zu betreiben. Sie schützt sensible Daten vor Zugriff aus dem Ausland, sichert technologische Wettbewerbsfähigkeit und verringert die Abhängigkeit von internationalen Anbietern.

Zwei Drittel der europäischen Unternehmen wählen souveräne KI
Diese Entwicklung wird von geopolitischen Spannungen getrieben: 62% der europäischen Organisationen setzen auf souveräne KI-Lösungen. Deutschland zählt mit 72% Zustimmung zu den Spitzenreitern neben Dänemark (80%) und Irland (72%), die Schweiz befindet sich mit 56% im Mittelfeld. Besonders stark ist die Nachfrage in regulierungsintensiven Branchen mit sensiblen Daten, so im Bankwesen (76%), in der öffentlichen Verwaltung (69%) und bei Energieversorgern (70%).

Zudem zeichnet sich ein deutlicher Anstieg der Investitionsbereitschaft ab: 60% der europäischen Organisationen wollen in den nächsten zwei Jahren ihre Investitionen in Souveränität und Kontrolle über Cloud, KI, Daten und Sicherheit intensivieren, insbesondere in Deutschland (73%), Italien (71%) und der Schweiz (64%). Allerdings haben erst 20% der Schweizer Unternehmen konkrete Pläne für souveräne Cloud-Lösungen (europäischer Durchschnitt: 26%).

«Europa befindet sich in einem Zwiespalt: Einerseits müssen wir die KI-Einführung beschleunigen, andererseits stammen die meisten Technologien nicht von hier. Dass fast zwei Drittel der Unternehmen in der Schweiz ihre Investitionen in diesem Bereich erhöhen wollen, zeigt klare Entschlossenheit», kommentiert Marco Huwiler, Country Managing Director für Accenture in der Schweiz. «Für die Schweiz bedeutet souveräne KI, gezielt auf die eigenen Stärken zu setzen: Offen für internationale Zusammenarbeit, aber mit klarer Kontrolle über sensible Daten und digitale Systeme. Für Schweizer Unternehmen ergibt sich dadurch die Chance, digital unabhängig zu bleiben und gleichzeitig flexibel und sicher auf neue technologische Entwicklungen zu reagieren – ein wichtiger Schritt, um sowohl Innovation zu fördern als auch Vertrauen und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.»

Die Balance zwischen Datenkontrolle und Offenheit gegenüber globaler Innovation
Die Umfrage zeigt, dass im Durchschnitt nur 37% der KI-Initiativen und Daten in europäischen Organisationen aufgrund regulatorischer Anforderungen oder der Sensibilität der Daten einen souveränen Ansatz erfordern.

Europäische Organisationen suchen einen Mittelweg zwischen Datenkontrolle und dem Zugang zu globaler Innovation: 65% räumen ein, dass sie ohne aussereuropäische Technologieanbieter nicht wettbewerbsfähig bleiben können (Schweiz: 58%). Entsprechend ziehen 57% souveräne Lösungen sowohl von europäischen als auch aussereuropäischen Anbietern in Betracht. In der Schweiz sind es 61%.

Wie sich zeigt, setzen Schweizer Organisationen dabei eigene Prioritäten: Sie legen überdurchschnittlich hohen Wert auf die physische Präsenz von Rechenzentren im Land (84% vs. 73% in Europa) sowie auf Transparenz bei Datenzugriff, -speicherung und -verwaltung (78% vs. 75%). Klare vertragliche Garantien zu Gerichtsbarkeit, Kontrolle und staatlichem Zugriff haben dabei eine kleinere Priorität (52% vs. 65%).

«Bei souveräner KI geht es um massgeschneiderte Kontrolle. Organisationen entscheiden je nach Anwendungsfall und nationaler Priorität, welchen Grad an Souveränität sie über Daten, Infrastruktur und Modelle benötigen», erklärt Mauro Capo, Leiter Digitale Souveränität EMEA bei Accenture. «Das Spektrum reicht von einfacher lokaler Datenresidenz bis hin zu vollständiger Souveränität im Verteidigungssektor mit lokalen Komponenten, Verschlüsselung und Air-Gapped-Systemen, also vollständig isolierten Systemen ohne Netzwerkverbindung. Accenture unterstützt europäische Organisationen beim Aufbau solcher Lösungen durch Partnerschaften mit Anbietern wie Telia Cygate in Schweden oder dem Amsterdamer KI-Infrastrukturspezialisten Nebius.»

Schweizer Unternehmen verfolgen in der Praxis einen pragmatischen Ansatz: 44% greifen auf einen Mix aus souveränen und nicht-souveränen Lösungen zurück (Europa: 48%), während 42% ein hohes Mass an Kontrolle behalten oder vertrauenswürdige nationale oder interne Lösungen nutzen (Europa: 37%). Der Souveränitätsgrad in kritischen Bereichen ist in der Schweiz unterschiedlich ausgeprägt. Bei KI-Modellen haben 42% der Schweizer Organisationen einen mittleren Souveränitätsgrad erreicht (Europa: 49%), bei der Infrastruktur sind es 18% mit hohem Souveränitätsgrad (Europa: 28%) und bei Sicherheit und Governance 48% mit hohem Souveränitätsgrad (Europa: 45%). Insgesamt bewerten nur 18% der Schweizer Organisationen den Ansatz ihres Landes zur KI-Souveränität als «hoch souverän», wohingegen dies im europäischen Durchschnitt 28% tun.

Souveränität neu begreifen: Vom Risikomanagement zum Wettbewerbsvorteil
Nur 19% der europäischen Organisationen betrachten souveräne KI als Wettbewerbsvorteil, während 48% die Einhaltung von Vorschriften als Hauptmotivation für die Einführung souveräner Lösungen nennen. In der Schweiz sehen immerhin 20% darin einen Wettbewerbsvorteil, während 46% Compliance als Hauptgrund angeben.

Souveräne KI wird in Unternehmen noch überwiegend als technische Herausforderung wahrgenommen. Nur 16% der europäischen Unternehmen haben KI-Souveränität zu einer Aufgabe auf Stufe Geschäftsleitung gemacht. In der Schweiz liegt dieser Wert mit 14% etwas niedriger. Hier zeichnen primär der Chief Compliance oder Risk Officer (36%) und das IT- beziehungsweise Cloud-Infrastruktur-Team (32%) dafür verantwortlich.

Gleichzeitig wächst die Anerkennung der strategischen Bedeutung souveräner KI, verbunden mit der Erwartung, dass Regierungen und Institutionen wie die Europäische Union eine Schlüsselrolle bei der Stärkung der digitalen Souveränität Europas spielen sollten. 73% der Organisationen sind überzeugt, dass diese durch Regulierung, Subventionen oder öffentliche Investitionen dazu beitragen können – in der Schweiz teilen sogar 82% diese Ansicht. Kleine und mittlere Unternehmen werden ebenfalls als entscheidend für dieses Ziel angesehen: 70% der Organisationen halten es für wichtig, ihnen den Zugang zu souveränen Lösungen zu erleichtern.

Accenture empfiehlt vier Massnahmen, um das Potenzial souveräner KI zu maximieren:

  • Verantwortung auf CEO-Ebene: Souveräne KI muss Chefsache werden. Die Geschäftsführung sollte die KI-Strategie mit unternehmerischen Risiken, Wachstumszielen und geopolitischen Realitäten in Einklang bringen.
  • Souveränität neu definieren: Organisationen sollten Souveränität nicht länger nur als Massnahme zur Risikominderung betrachten, sondern als Wettbewerbsvorteil und Quelle für Wertschöpfung nutzen.
  • Hybride Ökosysteme aufbauen: Unternehmen sollten Partnerschaften entwickeln, die lokales Vertrauen mit globaler Innovation verbinden, und Souveränitätsmassnahmen gezielt dort einsetzen, wo sie am wichtigsten sind.
  • KI-Architektur neu gestalten: Unternehmen sollten ihre KI-Architektur über verschiedene Cloud-Umgebungen hinweg neu konzipieren und Souveränität in jede Schicht integrieren – von Daten über Infrastruktur und Modelle bis zu Applikationen. Dies gewährleistet Resilienz und Anpassungsfähigkeit.

Über die Studie
Die Studie untersucht auf Basis quantitativer und qualitativer Forschung, wie Regierungen und Unternehmen souveräne KI- und Cloud-Strategien umsetzen. Befragt wurden zwischen Juli und August 2025 insgesamt 1’928 Organisationen aus 28 Ländern und 18 Branchen. Die Teilnehmenden waren leitende Technologie- und Entscheidungsträger:innen wie CIOs, CTOs, Chief Data, AI und Risk Officers aus dem öffentlichen und privaten Sektor. (Accenture/mc/pg)

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