Brisant: «Jurassic Park» oder harmlose Wissenschaft?
Von Helmuth Fuchs
Die Fakten: Ein Team von Wissenschafter um um Jeff Taubenberger vom US Armed Forces Institute of Pathology (AFIP) haben in einer überraschenden Ankündigung diese Woche bekannt gegeben, dass sie jenes Grippevirus erneut geschaffen haben, das 1918 fast 50 Millionen Menschen getötet hat. Durch die sorgfältige Zusammensetzung von Virusfragmenten aus Krankenhausproben und von Proben eines Grippeopfers aus dem Permafrost Alaskas, rekonstruierten die Wissenschaftler die Gensequenzen des Virus. Forscher um Terrence Tumpey von den US Centers for Disease Control benutzten diese Sequenzen, um das Virus selbst wieder herzustellen und infizierten in der Folge Mäuse mit dem Virus. Sie berichten, dass dieses Virus anders als andere Grippeviren keine Protein spaltenden Enzyme benötigt um sich zu vermehren. Vielmehr setzt das Virus einen bisher noch unbekannten Mechanismus ein. Wie 1918 zerstört es rasch die Lungen seiner Opfer. |
Die Meinung
In der Öffentlichkeit hat die Meldung noch keine allzu grossen Wellen geworfen, ihre Brisanz ist jedoch nicht zu unterschätzen.
Gefährlichkeit des Virus:
Verschiedene Forscher sind schnell bemüht zu betonen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Pandemie durch die Verbreitung des wieder erstellten Virus von 1918 nicht allzu gross sei. Der Virus sei ja in der Natur auch noch vorhanden und habe sich in der Zwischenzeit weiter gewandelt. Viele Menschen seien heute immun gegen die Nachfolger des einstigen Killervirus.
Gleichzeitig geben die Forscher aber zu, dass es keinen Impfstoff gegen das Virus von 1918 gibt. Das heisst, man experimentiert mit dem tödlichsten bekannten Virus, für das es keinen Impfstoff gibt, in der Hoffnung, es werde nicht frei gesetzt und falls doch etwas geschehen sollte, doch einige Personen immun sein werden. Auch im Lichte der Diskussion um eine Pandemie der Vogelgrippe mutet die Argumentation reichlich optimistisch an. Was in «Jurassic Park» und «Outbreak» hollywoodgerecht inszeniert wurde, könnte hier von der Realität durchaus nachgespielt werden.
Eigentümer des Virus:
Das Virus wurde am US Armed Forces Institute of Pathology untersucht. Weder zu den Mengen des neu gewonnen Virus noch zu dessen weiteren Bestimmungszweck werden Angaben gemacht. Dass gerade die Wissenschafter der Gefahr ausgesetzt sind, die Folge ihres Handelns auszublenden und sich vom Staat instrumentalisieren zu lassen, hat sich in der Diskussion um die Entwicklung und Verwendung der Atombombe gezeigt. Der Patriotismus und der unerschütterliche Glaube an ihre Führungsrolle in der Welt haben die USA gross gemacht, sind aber gleichzeitig auch ein potentielles Risiko für Verbündete. Dass zudem in einem Militärlabor des Verteidigungsministeriums der einzig verbliebenen Weltmacht mit tödlichen, nicht beherrschbaren Virenstämmen geforscht wird, sollte der Öffentlichkeit mehr als eine kurze Schlagzeile wert sein. (MC / hfu)