Peter Waser, General Manager Microsoft Schweiz

Von Helmuth Fuchs

Herr Waser, der CEO von Microsoft, Steve Ballmer, Sohn eines Schweizer Auswanderers, kommt immer wieder mal nach Zürich, so zuletzt am 4. Oktober. Welchen Stellenwert hat die Schweiz innerhalb von Microsoft?


Peter Waser: Die Schweiz ist für Microsoft aus mehreren Gründen sehr wichtig. Zum einen setzt sie sehr stark auf durch Technologie getriebene Produktivität; wir belegen weltweit den ersten Platz was den Umsatz pro PC betrifft. Dann ist die Schweiz natürlich auch als Entwicklungsstandort für Unified Communication Produkte – genauer VoIP (das heisst, Applikationen rund um die Telefonie übers Internet) – sehr wichtig. VoIP ist ein Bestandteil des Office Pakets und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wir planen, das in Zürich ansässige Developer Center innerhalb der nächsten drei Jahre auf rund 200 Mitarbeitende auszubauen und bekennen uns damit ganz klar zum Forschungs- und Entwicklungsstandort Schweiz. Nicht zuletzt ist die Schweiz mit dem WEF auch Gastgeber einer für Microsoft sehr wichtigen Plattform, um Beziehungen zu Vertretern aus Politik, Wirtschaft und NGOs zu pflegen.



«Noch in diesem Jahr werden wir die Windows Live Services stark erweitern und abermals enger miteinander verknüpfen. Zudem testen wir gerade in einigen Ländern sehr erfolgreich unsere neue Plattform «Live Mesh», welche  den Datenaustausch zwischen PCs, Laptops und Mobiltelefonen zum Kinderspiel macht.» Peter Waser, General Manager Microsoft Schweiz


Das Microsoft Developer Center hat mit der ersten Produkte-Lancierung (Unified Communication) bei Microsoft ausserhalb der USA für Aufmerksamkeit gesorgt. Welche aktuellen Projekte laufen hier, die in Zukunft ebenfalls für Furore sorgen könnten?

Wir werden noch dieses Jahr einen weiteren Release publizieren. Was aber viel wichtiger ist als  die konkreten technologischen Neuerungen ist für mich das Bewusstsein, dass ein grosser Bestandteil des Office Pakets, das auf Millionen von Rechnern weltweit läuft, hier bei uns in der Schweiz entwickelt wird.

Da die Schweiz keine Finanzzahlen veröffentlicht, können Sie uns sagen, wo Sie heute bezüglich Wachstum stehen (2007 19.1% Wachstum in der Schweiz) und welche Ziele Sie für das kommende Jahr haben?

Wir gehen weiterhin von einem kontinuierlichen zweistelligen Wachstum in der Schweiz aus. 


Windows Vista wurde am Markt zu Beginn sehr zurückhaltend aufgenommen. Bei freier Wahl ohne Vorinstallation scheint XP immer noch sehr beliebt zu sein. Wie sieht die Entwicklung von Vista in der Schweiz und weltweit aus?

Windows Vista ist das in der Geschichte von Microsoft weltweit am schnellsten verkaufte Betriebssystem. Mit bald 200 Millionen verkauften Exemplaren seit der Einführung vor 18 Monaten können wir sehr zufrieden sein. Was die Schweiz betrifft, haben wir anfangs wie immer bei der Einführung eines neuen Produkts zuerst ein eher zögerndes Adaptionsverhalten beobachtet. Zum einen ist das Betriebssystem eng mit den Hardware-Beschaffungszyklen verbunden. Das heisst, dass in der Regel die Software zusammen mit der Hardware erneuert wird, und nicht dann, wenn ein neues Betriebssystem auf den Markt kommt. Zum andern spricht das natürlich auch für den Vorgänger XP, welcher sich durch sehr hohe Benutzerfreundlichkeit auszeichnet. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass ein neues Betriebssystem auch viel besser mit aktuellen Sicherheitsbedrohungen und den veränderten Anforderungen der Benutzer wie dem Bedürfnis nach erhöhter Mobilität oder dem einfacheren Finden von Dokumenten umgeht; genau dieser Aspekt bewegt viele Firmenkunden zum Wechsel auf Vista.

Apple will mit «Mobile me» den privaten Arbeitsplatz mit dem Internet und den verschiedenen Endgeräten synchron halten und bietet dazu eine neu entwickelte (mässig funktionierende) integrierte Umgebung an. Microsoft versucht mit Windows Live und Office Live Bekanntes unter einen Hut zu bringen (was ebenfalls nur mässig funktioniert). Gibt es von Microsoft hier bald eine besser integrierte Lösung?

Die Windows Live Plattform ist in der Schweiz mit über 2,7 Millionen regelmässigen Nutzern ein klarer Erfolg. Sie entspricht den Bedürfnissen des Privatanwenders, der die wichtigsten Funktionen (Mail, Messenger, Suche, gratis Speicherplatz, etc.) aus einer Hand beziehen und sich dabei nur einmal registrieren will (mit der Live ID). Noch in diesem Jahr werden wir die Windows Live Services stark erweitern und abermals enger miteinander verknüpfen. Zudem testen wir gerade in einigen Ländern sehr erfolgreich unsere neue Plattform «Live Mesh», welche  den Datenaustausch zwischen PCs, Laptops und Mobiltelefonen zum Kinderspiel macht. Ich bin überzeugt, dass heute kein anderer Hersteller eine ähnlich enge Synchronisierung zwischen beinahe beliebigen Endgeräten und Technologien anbieten kann.



«Als rohstoffarmes Land haben wir unseren Reichtum mit Wissensarbeit erwirtschaftet und vor allem auch ausgebaut. Die Informatik bildet dabei das Rückgrat unserer Wissensgesellschaft.»


Mit Office Live Workspace bietet Microsoft zudem gratis die Möglichkeit, online Dokumente zu speichern und mit anderen zu teilen. Gerade bei Projekten, Anlässen oder generell virtuellem Teamwork, bei welchem mehrere Personen involviert sind, erleichtert Office Live die Zusammenarbeit enorm. Mit Office Live können im passwortgeschützten Workspace  Projektpläne, Kalender, Aufgabenlisten, Fotos  und vieles mehr geteilt und gemeinsam bearbeitet werden. 

Nachdem das Internet aus der Steckdose schon funktioniert, wann können wir mit der Software aus der Steckdose rechnen und welche konkreten Ideen kann man sich hinter diesem Konzept vorstellen?

Dieser Prozess ist in vollem Gange; teilweise schon realisiert, teilweise noch in Entwicklung. Wesentlich ist, dass in Zukunft der Benutzer je nach aktueller Situation und Bedürfnis entscheidet, welches Szenario für ihn am geeignetsten ist.


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Allgemein gilt die Schweiz als Land mit hohem Standard bezüglich Durchdringung und Anwendung von Informationstechnologien. Teilen Sie diese Sicht und wie äussert sich das bezüglich der Verwendung Ihrer Angebote?

Wir teilen diese Sicht und können sie auch mit Zahlen belegen; im internationalen Vergleich belegt die Schweiz punkto Umsatz pro PC einen absoluten Spitzenplatz. In dieser Position spiegelt sich die pragmatische Haltung und Überzeugung vieler Schweizer Unternehmen, dass die konsequente Nutzung von IT zu Effizienzgewinn und Wettbewerbsvorteilen führt.

Die fehlenden ausgebildeten Informatiker sind im aktuellen Jahr der Informatik ein zentrales Thema. Durch die Anstellung ausländischer Fachkräfte kann das zwar kurzfristig kaschiert werden, das schafft aber auch Abhängigkeiten und wirkt zum Beispiel bei einer Rückkehr der Fachkräfte nicht nachhaltig. Welche Lösungen sehen Sie für dieses Problem und was unternimmt Microsoft, um hier Abhilfe zu schaffen?

Wir setzen hier an verschiedenen Stellen an, hier die wichtigsten beiden Ansätze:










Integration von Informatik in den Stundenplan: ich setze mich persönlich dafür ein, dass das Fach Informatik wieder auf den Stundenplan kommt. Momentan versuchen wir mit Projekten wie «Schlaumäuse» (Lernsoftware für Kindergarten), «security4kids» (sicherer Umgang in der Online Welt für Mittel- und Oberstufe), diversen Wettbewerben (aktuell: Robotik für Oberstufe/Mittelschulen)  von unserer Seite die Neugierde für das Fach Informatik zu wecken und in Zusammenarbeit mit Bildungsinstitutionen diese Begegnungen mit Informatik stufengerecht voranzutreiben.
Wissenstransfer Privatwirtschaft / Hochschulen: Damit wir in Zukunft unseren Bedarf an Informatikern mit lokalem Nachwuchs decken können, ist es wichtig, dass das Informatikstudium in der Aussenwirkung an Attraktivität gewinnt. Hier setzt unser neu ins Leben gerufene «Microsoft Innovation Cluster for Embedded Software (ICES)» an. Gemeinsam mit den beiden führenden Universitäten ETH Zürich und EPFL bieten wir jungen Forschenden interessante Möglichkeiten, resp. unterstützen Sie in ihren Projekten.


Gerade die «Wissensarbeit», welche organisatorisch an beliebigen Orten zu beliebigen Zeiten erbracht werden kann, müsste eigentlich besonders attraktiv für Frauen sein. Auch bei der Microsoft Schweiz gibt es nur einen tiefen Anteil an weiblichen Führungskräften. Wieso gibt es nicht mehr Frauen in der Informatik und was macht Microsoft, um dies zu ändern?

Wir sind auch überzeugt, dass gerade die Arbeitsformen, die bei uns möglich sind und auch gelebt werden, ideal sind für Frauen und generell für Personen, die auf eine gewisse Flexibilität angewiesen sind, aber dennoch nicht auf eine herausfordernde Tätigkeit verzichten wollen. Die relativ tiefe Frauenquote  hat viel damit zu tun, wie wir extern wahrgenommen werden. Obwohl wir eine Technologiefirma sind und somit eine gewisse Affinität zum Thema Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) nötig ist, suchen wir nicht nur Informatiker und technisch orientierte Mitarbeitende. Wir bieten ebenso viele interessante Stellen im Bereich Marketing, Vertrieb, Beratung und Dienstleistungen. 



«Ich würde mir wünschen, dass Informatik wieder als offizielles Schulfach oder sogar  Schwerpunktrichtung in den Stundenplan der Volksschule aufgenommen wird. Wenn wir die jungen Leute von der Informatik begeistern können, leisten wir eine wichtige Investition in den Wissens- und Innovationsstandort Schweiz.»


In den vergangenen vier Jahren sind alle Frauen, die in den Genuss von Mutterfreuden kamen, nach der Geburt ihres Kindes wieder zurück in den Beruf gekommen. Dies zeigt, dass wir gute Voraussetzungen bieten, diese aber noch viel stärker nach aussen kommunizieren müssen.  Das Thema geniesst bei uns eine sehr hohe Priorität und wird weiterhin auf der Agenda der Geschäftsleitung stehen.


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Immer noch werden Milliarden an Subventionen zusätzlich zu den hohen Verbraucherpreisen für die Stützung der Landwirtschaft aufgewendet, während für die gezielte Bildung einer Wissensgesellschaft kaum politische Energien sichtbar sind. Sind wir eine Wissensgesellschaft, ohne es zu wissen und was sollte geschehen, dass sich das ändert?

Als rohstoffarmes Land haben wir unseren Reichtum mit Wissensarbeit erwirtschaftet und vor allem auch ausgebaut. Die Informatik bildet dabei das Rückgrat unserer Wissensgesellschaft. Momentan hat die Informatikerbranche ein klares Imageproblem. In der Schweiz verlassen jedes Jahr rund 6’000 Informatiker die Branche, aber es kommen nur 3’000 Informatiker mit Lehrabschluss oder Hochschuldiplom neu dazu. Die Politik kann diesen Negativtrend nicht alleine stoppen – hier sind wir alle gefordert: Politik, Bildungsinstitute und Privatwirtschaft. Die Herausforderung besteht vor allem darin, dass sich alle an einen Tisch setzen und bestehende isolierte Initiativen einem gemeinsamen Ziel unterordnen und so die Ressourcen bündeln – das heisst, sie effizienter und zielgerichteter einsetzen.

Microsoft unterstützt in der Schweiz die Hochschulen EPFL in Lausanne und die ETH in Zürich während fünf Jahren mit 5 Millionen Franken. Was wird das Resultat dieser Zusammenarbeit und Investition sein?

Unser oberstes Ziel ist der Wissenstransfer. Kurzfristig vor allem zwischen den Universitäten und  uns (Microsoft Schweiz und Microsoft Research Cambridge). Langfristig erhoffen wir uns aber eine viel stärkere Zusammenarbeit zwischen Industrie und Forschung generell. Wir sind momentan dabei, einen sogenannten «Industry Council» ins Leben zu rufen: Wir suchen nach weiteren Partnern, die interessiert sind, beim Innovation Cluster mitzumachen und einzelne Projekte mit Know-how und Ressourcen zu unterstützen. Wir sind überzeugt, mit diesem gezielten Dialog den Innovationsprozess in der Schweiz voranzutreiben. Je früher dieser Dialog im Forschungsprozess stattfindet, desto grösser sind die Chancen, dass wettbewerbsfähige Innovationen daraus entstehen. Davon profitieren alle: die Forschenden und die Wirtschaft.

Im Zuge der Klimadiskussion haben Schlagworte wie «Green IT und Nachhaltigkeit» Hochkonjunktur. Was heisst das für Sie bei der Microsoft Schweiz in der Umsetzung konkret? 

Wir prüfen den Produktions- und Verkaufsprozess unserer Produkte und Lösungen unter ökologischen Gesichtspunkten. Nebst der kritischen Beurteilung unseres eigenen Verhaltens beraten wir aber auch unsere Kunden und Partner, mit dem Ziel, ihnen möglichst energiesparende Produktvarianten anzubieten und Lösungen, die einen sparsameren Betrieb ermöglichen.

Das grösste Potenzial sehen wir jedoch in der Nutzung unserer Software, um umweltschädliche Aktivitäten zu vermindern oder zu vermeiden. Hier geht es zum Beispiel um die Nutzung von virtueller Kommunikation und Kollaboration statt unnötiger Reisen. Zusammen mit der EMPA in St. Gallen haben wir übrigens berechnet, was dies tatsächlich bringt im Vergleich zu Flug- oder Zugreisen ( http://www.empa.ch/plugin/template/empa/1142/74485/—/l=1 ). Wir engagieren uns hier in bei der Sensibilisierung in der Schweiz und planen einige Initiativen in diesem Bereich.&

Zum Schluss des Interviews haben Sie noch zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?


Ich würde mir wünschen, dass Informatik wieder als offizielles Schulfach oder sogar  Schwerpunktrichtung in den Stundenplan der Volksschule aufgenommen wird. Wenn wir die jungen Leute von der Informatik begeistern können, leisten wir eine wichtige Investition in den Wissens- und Innovationsstandort Schweiz.

Mein zweiter Wunsch betrifft den Innovation Cluster (siehe Frage 7 & 10). Für mich wäre es ein klarer Erfolg, wenn aus dieser Initiative ein erfolgreicher Spin-Off entstehen würde. Bei neuen Ideen ist immer die erste Phase am kritischsten. Es würde mich persönlich sehr freuen, quasi als «Pate» eines dieser Projekte von der Idee bis hin zur erfolgreichen Markteinführung zu begleiten.





Der Gesprächspartner:
Peter Waser ist General Manager der Microsoft Schweiz GmbH und in dieser Funktion seit Mai 2006 verantwortlich für die Leitung der Schweizer Niederlassung.


Peter Waser war über zehn Jahre in verschiedenen nationalen und internationalen Managementpositionen für IBM tätig. Im Anschluss daran betreute er bei Swisscom zunächst Schlüsselprojekte im Informations- und Telekommunikationsbereich und war schliesslich als gesamtschweizerischen Leiter der Kundenbetreuungszentren tätig. Danach hatte er als CEO die Geschäftsaktivitäten des Telecom Start-up Callino (Schweiz) AG aufgebaut. Ende 2001 stiess er zu Microsoft Schweiz, wo er die Verantwortung für das Consulting- und Servicegeschäft der Schweizer Niederlassung übernahm. Die Führung der Enterprise & Partner Group von Microsoft Schweiz wurde ihm 2003 übertragen.


Nach seiner Ausbildung zum Maschinenkonstrukteur hat Peter Waser an der City University of Bellevue (Washington, USA) Betriebswirtschaft studiert. Neben seiner Tätigkeit bei Microsoft engagiert sich Peter Waser unter anderem als Präsident der Stiftung Produktive Schweiz und im Steering Committee des Microsoft Innovation Cluster for Embedded Software (ICES). Peter Waser ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner Freizeit pflegt er seine grosse Leidenschaft, die Fliegerei.

Das Unternehmen:
Microsoft Schweiz hat sich seit der Gründung im Jahr 1989 mit einem kontinuierlichen, kontrollierten Wachstum vom Kleinbetrieb mit drei Angestellten zu einer Firma mittlerer Grösse mit rund 500 Mitarbeitenden entwickelt. Der Hauptsitz befindet sich in Wallisellen bei Zürich, mit Büros in Bern, Basel, Alpnach und Genf. Die Schweizer Niederlassung nimmt in Europa einen Spitzenplatz in Bezug auf Umsatz pro PC ein. In dieser Position spiegelt sich die pragmatische Haltung und Überzeugung vieler Schweizer Unternehmen, dass die konsequente Nutzung von IT zu Effizienzgewinn und Wettbewerbsvorteilen führt.

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