US-Konjunktur: Der Thanksgiving-Truthahn war fetter als Pessimisten befürchteten


Die Holiday Season ist in den USA überraschend gut angelaufen. Diese Woche stehen die neusten Zahlen aus dem Arbeitsmarkt im Fokus. Der Einkaufs-Manager-Index brachte am Montag enttäuschende Zahlen.

Von Patrick Capponi

Die Statistik hat wieder einmal recht gehabt. Denn traditionell ist die Thanksgiving-Woche gut für die Börse. In den vergangenen fünfzig Jahren hatte die Wall Street 41-mal mit Gewinn abgeschlossen. Dies war dieses Jahr nicht anders. Die Wochenbilanz der wichtigen Indizes mit Stichtag Freitag sieht wie folgt aus: Dow Jones +1,0 Prozent, Nasdaq +0,7 Prozent, S&P500 +0,6 Prozent und SMI -0,8 Prozent.

Die neue Woche steht im Zeichen der jüngsten Zahlen vom Arbeitsmarkt und den Umfragen der Einkaufsmanager. Von der Unternehmensseite richten sich die Augen vor allem auf die Hightechs: Intel wird ein «Mid-Quarter Update» abgeben, bei Cisco und Hewlett-Packard findet ein Analysten-Anlass statt. Und bei Nokia steht das jährliche Strategie-Meeting an.

Arbeitsmarkt im NovemberWie fast jeden ersten Freitag im Monat wird am Schluss dieser Woche der US-Arbeitsmarktbericht veröffentlicht. Beobachter rechnen nun wieder mit etwas schlechteren Zahlen. Sie erwarten, dass die Arbeitslosenquote von 5,7 Prozent im Oktober nun wieder auf 5,8 Prozent steigt. Die Zahl der neu geschaffenen Stellen (ausserhalb der Landwirtschaft) soll gemäss den Konsensschätzungen um 30’000 steigen. Bei den durchschnittlichen Stundenlöhnen wird mit einem Anstieg um 0,3 Prozent. Zudem sollen die Amerikaner im vergangenen Monat durchschnittlich sechs Minuten pro Woche länger gearbeitet haben.

Challenger Job-Cut Report
Der von Challenger, Gray & Christmas monatlich veröffentlichte Challenger Job-Cut Report gibt an, wie viele von US-Firmen angekündigte Stellen abgebaut werden sollen. Nach vergleichsweise ermutigenden Septemberzahlen kam im Oktober ein kleinerer Schock: Die Zahl verdoppelte sich, die US-Unternehmen hatten angekündigt, 176’010 Arbeitnehmer auf die Strasse zu stellen. Nachdem in den letzten Wochen keine grösseren Massenentlassungen angekündigt wurden, rechnen einzelne Beobachter mit einem Sinken dieser Zahlen. Allerdings könnte es ein böses Erwachen geben. Solange die Nachfrage nicht anzieht, bleibt Unternehmen nichts anderes übrig, als mit Entlassungen weiter Kosten zu sparen, um ihre Bilanzen im Gleichgewicht zu halten.

ISM Index im November verharrt unter 50Nach den positiven Überraschungen beim Philadelphia-Fed- und dem Chicagoer Einkaufsmanager-Index standen die Chancen gut, dass sich auch der nationale Einkaufsmanager-Index im verarbeitenden Sektor gut entwickelt hat. Die Konsensschätzungen lagen für den Monat November bei 51,0, in Tat und Wahrheit liegt der Wert jedoch bei 49,2 Punkten. Damit verharrt der Index den dritten Monat in Folge unter der wichtigen Marke von 50 Punkten. Ein Wert unter 50 bedeutet, dass sich der Sektor in einem Schrumpfungsprozess befindet. Eine leicht steigende Tendenz zeichnet sich im Dienstleistungssektor ab. Dieser Index, der letzten Monat bei 53,1 Punkte notierte, wird am Mittwoch veröffentlicht.

Bis jetzt überraschend gute «Holiday Season»Praktisch alle Auguren hatten in den letzten Wochen ein äusserst schwaches Weihnachtsgeschäft vorausgesagt. Doch der Start in die so genannte «Holiday Season» verlief für einige grosse Kaufhaus- und Supermarktketten wider Erwarten fulminant. So meldete der weltgrösste Einzelhändler Wal-Mart, dass er am vergangenen Freitag den grösstenTagesumsatz in der Geschichte des Unternehmens erreicht habe: Wal-Mart hat in nur einem Tag Waren im Wert von 1,43 Mrd. Dollar verkauft. Auch bei J.C. Penney verlief das Geschäft übers verlängerte Wochenende äusserst gut. Und weil Shoppen in den Malls gleich so schön war, wechselten viele danach gleich ins Kino: Insgesamt wurden Harry-Potter-Tickets im Wert von 32,2 Mio. und James-Bond-Billette für 31 Mio. Dollar abgesetzt.

Fazit: Weihnachts-Shopper stützen die Börse – vorläufigDer gute Auftakt des Weihnachtsgeschäft hat die Märkte am Montag überrascht. Nach Wochen des Zweifels zeigt sich damit einmal mehr, dass die US-Konjunktur weiter von der ungebremsten Kauflust der Amerikaner gestützt wird. Allerdings könnte sich dieser Trend sehr schnell ins Gegenteil kehren. Sobald nämlich die Arbeitsmarktzahlen schlecht ausfallen und immer mehr Leute um ihren Arbeitsplatz zittern müssen, wird die Kauflust schnell vergehen. Dass das Weihnachtsgeschäft gut läuft, ist trotz des Thanksgiving-Wochenendes noch nicht gesichert. Euphorisierte Anleger könnten allzu schnell ernüchtert werden.

Online-Einzelhändler im HochInteressant aber ein Nebenaspekt: Praktisch alle E-Commerce-Unternehmen verzeichneten in den letzten Woche ein stark anziehendes Geschäft. Damit scheinen sich die Prognosen für die Online-Einzelhändler zu bewahrheiten, wie sie das gegenüber dem Tech-Sektor traditionell eher kritisch eingestellte Anlegermagazin «Barron´s» bereits vor einer Woche äusserte. Gemäss dem Online-Infodienst ComSource stiegen am letzten Freitag die Umsätze bei den Online-Retailers auf über 150,9 Mio. an. Dies würde einem Plus von über 40 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeuten.

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