Adam Quadroni: Das Versagen im Schweizer «Assange-Fall»

Adam Quadroni: Das Versagen im Schweizer «Assange-Fall»
Adam Quadroni (Bild: DOK, SRF)

Die Forderung, den weltweit wahrscheinlich bekanntesten Whistleblower, Julian Assange zu rehabilitieren und freizulassen, erhält auch in der Schweiz grosse Unterstützung von Bürgerinnen und Medien. Gleichzeitig leistet man sich in der Schweiz beim Whistleblower Adam Quadroni vornehme Zurückhaltung bis Gleichgültigkeit, während die behördlichen Mühlen den Bündner seit Jahren langsam zermahlen und es das Ziel, oder zumindest das bewusst in Kauf genommene Resultat zu sein scheint, ihn wirtschaftlich, sozial und psychisch komplett und nachhaltig zu zerstören.

Von Helmuth Fuchs

Adam Quadroni war, wie schon sein Vater, Teil des Bündner Baukartells bevor er sich 2006 entschloss, aus dem Kartell auszutreten und 2009 die zuständigen Ämter auf die illegalen Preisabsprachen aufmerksam machte. Die Ämter und zuständigen Personen (zum Beispiel das kantonale Tiefbauamt oder der Gemeindepräsident von Scuol) nahmen die detaillierten Informationen bestenfalls zur Kenntnis, ohne jedoch an der Praxis etwas zu ändern. Erst als die Wettbewerbskommission in Bern 2012 an die Dokumente gelangte, wurden Massnahmen ergriffen. Die Weko weitete die Ermittlungen schnell vom Unterengadin auf den gesamten Kanton aus.

Schaden von 30-90 Millionen für Kanton, Gemeinden und Bauherren

Für die Zeit von 2004 bis 2012 führte die Weko zehn Untersuchungen zu Submissionsabsprachen im Kanton Graubünden durch, insgesamt beliefen sich die Vergleichszahlungen von mehreren Baufirmen mit dem Kanton auf neun Millionen Franken. Das Bauvolumen der Projekte, bei denen die Weko Absprachen nachweisen konnte, belief sich auf etwa 290 Millionen Franken. Die Schadensumme (zu viel bezahlte Gelder) liegt irgendwo zwischen 30-90 Millionen Franken. 40 Unternehmen waren in Absprachen bei 1160 Bauprojekten involviert gewesen. Die grösste Busse wurde mit rund fünf Millionen Franken gegen die Foffa Conrad verhängt, die das Urteil an das Bundesverwaltungsgericht weiter zog.

Zum ersten Mal in der Geschichte Graubündens wurde eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt, um die Rolle von Verwaltung, Politik und den massiven Polizeieinsatz gegen Adam Quadroni zu untersuchen. Die PUK zum Baukartell stellte zwar keine direkte Korruption, jedoch eine Dienstpflichtverletzung der Behörden, fest und übte harte Kritik am Kanton. Die PUK zum Polizeieinsatz kam bei den drei untersuchten Polizeiaktionen zum Ergebnis, dass es wegen einer Fesselung zu einem unrechtmässigen beziehungsweise zu teils unverhältnismässigen Eingriffen in die persönliche Freiheit Quadronis und dessen Schwester gekommen sei. 

Statt Millionen-Belohnung Konkurs und ein zerstörtes Leben

Während in den USA Whistleblower mit 10-30 Prozent der gegen fehlbare Unternehmen verhängten Strafe rechnen dürfen (die grösste bis anhin ausbezahlte Summe an einen Whistleblower betrug 279 Millionen USD), werden in der Schweiz fehlbare Unternehmen mit sehr moderaten Bussen belegt. Die verantwortlichen Personen haben in der Regel gar nichts zu befürchten und können ihre Karrieren ungehindert fortsetzen. Ganz anders sieht es für den Whistleblower aus. Dieser hat damit zu rechnen, dass seine Existenz zerstört wird.

Konkurrenten und Richter sabotieren, Behörden ignorieren den Whistleblower

Nachdem Adam Quadroni 2006 seinen Austritt aus dem Baukartell vollzog, wurde er von den Kartellunternehmen gezielt bei Partnern und Kunden schlecht gemacht. Roland Conrad war sich gemäss Republik nicht zu schade, selbst zum Hörer zu greifen, um beim Konkurs- und Betreibungsamt in Sent widerrechtlich Schuldnerinformationen zu Quadroni zu erlangen, um ihn damit bei potentiellen Kunden anzuschwärzen. Dennoch schien es für Quadronis Baufirma zunächst gut zu laufen, er gewann drei grosse Aufträge. Das war jedoch nur von kurzer Dauer.

Die nächste, besonders perfide Attacke der Kartellunternehmen bestand darin, Kunden und Partnern zu empfehlen, die Schlussrechungen an Quadroni einfach nicht zu begleichen. Zu dem Zeitpunkt waren alle Leistungen schon erbracht und Quadroni musste die Zahlungen einklagen. Die Klagen landeten dann vor dem Bezirksgericht Inn, beim dortigen Bezirksrichter Georg Buchli, dessen Bruder das Baugeschäft Frars Buchli betrieb. Ein Unternehmen des Baukartells, bei dem Buchli Gesellschafter ist. Die Verfahren wurden verschleppt oder mit für Quadroni nachteiligen Vergleichszahlungen abgeschlossen.

2009 informierte Adam Quadroni das Tiefbauamt Chur detailliert über die Kartellabsprachen, wo ihm für seinen Mut gratuliert wurde, gemacht wurde darauf hin jedoch schlicht nichts. Auch das Vorlegen der Informationen an Jon Domenic Parolini, den damaligen Gemeindepräsident von Scuol, führte zu keinerlei Resultaten.

Erst als die Unterlagen über einen Unternehmensberater zur Wettbewerbskommission in Bern gelangen, wird die Sache aufgenommen und kommt an die Öffentlichkeit – mit den eingangs erwähnten Folgen.

Die Rolle des Graubündnerischen Baumeisterverbandes (GBV)

Der Baumeisterverband war der organisatorische Dreh- und Angelpunkt bezüglich Informationen zu Bauvorhaben. Hier wurden sämtliche Informationen zu aktuellen und geplanten Bauvorhaben gesammelt und aufbereitet, damit sich die Kartellunternehmen dann die Aufträge untereinander aufteilen konnten. Der Baumeisterverband organisierte die Versammlungen und lud bis 2008 auch gleich selbst zur Besprechung der Auftragsverteilung («Vorversammlung», Submittentenversammlung»). Umso erstaunlicher, dass Andreas Felix, seit 1991 beim GBV und seit 2008 dessen Präsident, davon keine Ahnung gehabt haben will.

Im Juni 2014 wurde über die 20 Jahre zuvor gegründete Linard Quadroni SA der Konkurs verhängt. Die Kartell-Unternehmer hatten gesiegt und den Nestbeschmutzer wirtschaftlich erledigt.

Unverhältnismässiger Polizeieinsatz, unheilige Allianz von Richter und Arzt

Am 15. Juni 2017 wurde Adam Quadroni bei der Vorbereitung eines Wochenendes mit seinen Kindern für ihn völlig unerwartet durch ein Polizeikommando in Kampfmontur mit gezückten Waffen und nicht unerheblicher Gewaltanwendung verhaftet. Dr. Martin Büsing, Quadronis ehemaliger Hausarzt und pensionierter Bezirksarzt, verordnete im Namen des Gesundheitsamtes Graubünden wegen «Verdacht auf akute Suicidalität» eine fürsorgliche Unterbringung (FU) in die Psychiatrische Klinik Waldhaus in Chur. Der Verdacht begründete sich unter anderem auf die Vermutungen von Bezirksrichter Orlando Zegg, welche dieser aus dem zwei Jahre zurückliegenden Konkursverfahren konstruierte.

Die behandelnden Ärzte konnten keinerlei Selbstmordgefährdung feststellen und entliessen Adam Quadroni nach zwei Tagen, wunderten sich aber über den ungewöhnlich heftigen Polizeieinsatz. Die Tage, welche Adam Quadroni unbegründeterweise in der psychiatrischen Klinik verbringen musste, nutze seine Frau, um mit den drei Töchtern das Haus zu verlassen und die Töchter von der Schule abzumelden.

Der dann einsetzende Kampf um seine Kinder dauert bis heute an. Dabei spielen die von Orlando Zegg 2015 ins Spiel gebrachten falschen Selbstmordabsichten wieder eine entscheidende Rolle, um Adam Quadroni den Kontakt mit seinen Töchtern zu verwehren. Quadronis Privatleben ist als Folge der Auslöschung der wirtschaftlichen Existenz durch die betrügerischen Kartellunternehmer, der unterstellten Selbstmordabsichten durch einen Richter, einen offensichtlich überforderten Arzt und der unverhältnismässig agierenden Polizei ruiniert.

Zeit für Wiedergutmachung

Die Geschichte von Adam Quadroni ist auf vielen Ebenen Zeugnis eines unglaublichen Versagens von Behörden, Politikern, der Justiz und der zerstörerischen Energie eines kleinräumigen Filzes. Sie zeigt auf, wie kriminelle Machenschaften gedeihen können, wenn niemand den Mut hat, Transparenz zu schaffen, wie derjenige, der den Mut aufbringt, zerstört wird, weil Behörden sich wegducken, statt ihre Funktion wahrzunehmen und wie Whistleblower in der Schweiz diskriminiert statt belohnt werden.

Die Aufgabe von uns allen muss es sein, Menschen wie Adam Quadroni wirtschaftlich, sozial, physisch und psychisch zu schützen, wenn sie Vergehen aufdecken. Dabei ist es unerheblich, ob der Whistleblower, wie im Fall von Adam Quadroni, zuvor ebenfalls Teil des verbrecherischen Systems war. Quadroni ist ausgestiegen und hat seither immense persönliche Verluste hinnehmen müssen, seine Existenz ist nachhaltig zerstört.

Der Kanton Graubünden, die Gemeinden und die Bauherren haben dank Adam Quadroni durch die Aufdeckung des Kartells dutzende von Millionen an erhöhten Zahlungen verhindern können, durch die Weko-Bussen flossen 11 Millionen Franken wieder zurück. Der damalige Bündner Regierungspräsident Mario Cavigelli bedankte sich 2021 bei Adam Quadroni anlässlich der Vorstellung der PUK-Resultate für seinen Mut und seine Beharrlichkeit, seither liess die Regierung nichts mehr von sich vernehmen.

Hier muss die Regierung Graubündens schneller handeln, damit das Leid nicht noch zusätzlich vergrössert wird. Rückgängig machen wird man den Schaden, die Demütigungen, die im Tal unmöglich gewordene Zukunft, nicht mehr. Aber zumindest kann die Regierung dafür sorgen, dass die Entwicklung gestoppt wird und Adam Quadroni wenigsten die Möglichkeit zur Neuausrichtung seines Lebens bekommt.

Entgegen unserer sonstigen Richtlinien machen wir hier für einmal aufmerksam auf die Möglichkeit, Adam Quadroni zu unterstützen, damit er den immer noch andauernden Kampf gegen die völlige Zerstörung seiner Lebensgrundlagen weiter führen kann:

Verein Hilfe für Adam Quadroni:
Dr. Peter Bothe, Präsident Wolfgang Fichtner Stiftung

Emma Kern, Vizepräsidentin der Wolfgang Fichtner Stiftung.
Konto: Schaffhauser Kantonalbank, 8260 Stein am Rhein.
Konto-Nr. 828.532-3 101,
IBAN CH89 0078 2008 2853 2310 1

Aktuelle Entwicklung: Versteigerung von Quadronis Haus verschoben

Als aktuell letztes Kapital sollte Adam Quadronis Haus versteigert werden. Da die Ankündigung vor den Sommerferien geschah, bestand das Risiko, dass mögliche Interessenten nicht erreicht hätten werden können, oder keine Zeit für eine ausführliche Prüfung bestanden hätte. Durch die Beschwerde von Quadronis Anwalt, der bemängelte, dass wesentliche Unterlagen fehlten oder veraltet waren, wurde die auf den 18. August anberaumte Versteigerung verschoben, das Kantonsgericht prüft eine Aufsichtsbeschwerde.


Während die Existenz des Whistleblowers Adam Quadroni zerstört ist, haben die Karrieren der meisten anderen Beteiligten, auch der Kartell-Unternehmer, kaum Schaden genommen.

Georg Buchli:
Rolle 2009: Bezirksrichter (bis 2012, danach Orlando Zegg)
Rolle heute: Gesellschafter Frars Buchli (Bauunternehmen), seit 2015

Roland Conrad:
Rolle 2009: Besitzer Foffa Conrad AG
Rolle heute: Verwaltungsrat bei Alfred Laurent AG (Kieswerk, Transporte), Scandella Bau AG, Bezzola Denoth AG (Bauunternehmen), Zeblas Bau AG, Foffa Conrad AG

Andreas Felix:
Rolle 2009: Geschäftsführer Graubündnerischer Baumeisterverband, seit 2008 (zuvor Geschäftsführer Stellvertreter).
Rolle heute: Geschäftsführer Graubündnerischer Baumeisterverband
Politische Ämter: Grossrat Kanton Graubünden, 2006-2018. 2018 Rückzug der Regierungsratskandidatur und Niederlegung des BDP-Präsidiums des Kantons Graubünden, nachdem die Wettbewerbskommission Graubündner Baufirmen büsste, weil sie über Jahre Preise abgesprochen hatten zum Schaden des Kantons, der Gemeinden und privater Bauherren.

Jon Domenic Parolini:
Rolle 2009: Gemeindepräsident von Scuol, Mitglied des Grossen Rates des Kantons Graubünden
Rolle heute: Regierungsrat Graubünden seit 2014, Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement
Weitere Politische Ämter oder Funktionen: Vorstand Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB), Mitglied Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz, Mitglied der SHK, Schweizerische Hochschulkonferenz, Mitglied der EDK, Erziehungsdirektorenkonferenz der Schweiz, Mitglied von Swisslos, Präsident der Ostschweizer Regierungskonferenz


Republik: Teil 1 «Der Aussteiger»
Republik: Teil 2 «Der Whistleblower»
Republik: Teil 3 «Die Politik»
Republik: Teil 4 «Lügt Quadroni?»

Republik: Zu den Ergebnissen der Administrativuntersuchung und der PUK: «Und alle haben fettige Finger»

SRF DOK: Whistleblower Adam Quadroni und sein Kampf gegen das Engadiner Baukartell

8 thoughts on “Adam Quadroni: Das Versagen im Schweizer «Assange-Fall»

  1. Vielen herzlichen Dank für den Artikel, Helmuth Fuchs, und somit für den Anteil, den Sie persönlich leisten, dass die Geschichte um Adam Quadroni nicht vergessen wird. Der Aufmunterung, Geld zu spenden, folge ich sehr gern.
    Auf dass das letzte Kapitel dieser unglaublich empörenden Geschichte noch nicht geschrieben sein möge – denn Rehabilitation und Genugtuung für Herrn Quadroni stehen noch aus.
    freundliche Grüsse!
    Dorothea Frey, Winterthur

  2. Nicht alles was aus juristischer Betrachtung korrekt «scheint», ist aus menschlich-moralischer Betrachtung gerecht !
    Der Rufmord an und die nun noch finanzielle Zerstörung der Existenz von Adam Quadroni ist mM nicht nur ungerecht, sondern auch beschämend.
    Ach ja – der damalige Gde-Präsident von Scuol (Jon Domenic Parolini) ist heute GR-Regierungsrat !

  3. Graubünden ist offensichtlich ein Kanton, der napoleonisch aufgeräumt werden muss. Es ist offensichtlich nötig, in Justiz und Behörden keinen Stein mehr auf dem anderen zu lassen. GR muss offensichtlich unter auswärtige Kuratel gestellt werden.

  4. Dass die Justiz im Kanton GR nicht sauber funktioniert, habe ich am eigenen Leib erfahren. Ich erhielt nach langem Kampf Recht.
    Ich hoffe, dass es für Herrn Quadroni Gerechtigkeit gibt.

  5. 10 oder 12 gegen 1

    Und wenn dieser Eine dann zu Boden gegangen ist, weiter auf ihn einzutreten.

    Welch Vorstellung von Fairness und Mitgefühl.

    Hauptsache «Tagesordnung», am Besten eine ganz ohne Solidarität mit dem Schwächeren.

    Und noch etwas: «mee to» geht auch mit umgekehrten Geschlechtervorzeichen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert