Köpferollen bei der PostAuto AG

Köpferollen bei der PostAuto AG
Post-Verwaltungsratspräsident Urs Schwaller. (Foto: Post)

Bern – Die Post zieht nach dem schwerwiegenden Buchungsskandal bei der PostAuto AG die Reissleine. Mit personellen Wechseln und organisatorischen Massnahmen soll eine neue Ära eingeläutet werden. Den Bundesrat trifft laut Postministerin Doris Leuthard kein Verschulden.

Anfang Februar löste der Vorwurf, die PostAuto AG habe jahrelang im subventionierten Geschäftsbereich Regionaler Personenverkehr (RPV) Gewinne erzielt und zu hohe Subventionen von Bund und Kantonen eingestrichen, allenthalben Erstaunen und Entsetzen aus.

Seit Montag liegen der Bericht über die externe Untersuchung der Anwaltskanzlei Kellerhals Carrard und die Gutachten dreier Experten zu den Verfehlungen vor. Die Berichte sind auch der Öffentlichkeit ab sofort zugänglich.

Herkules und Sisyphus
Die Vorgänge zur unrechtmässigen Buchungspraxis in den Jahren 2007 bis 2015 seien minutiös durchleuchtet worden, erklärte Post-Verwaltungsratspräsident Urs Schwaller am Montag vor den Medien in Bern. Bei dieser «Herkulesaufgabe und Sisyphusarbeit zugleich» seien rund drei Millionen Dokumente sichergestellt worden.

Schwaller betonte, er sei erschüttert, mit welcher Energie PostAuto die Buchhaltung manipuliert, systematisch Gewinne verschleiert und dadurch überhöhte Subventionen kassiert habe. Erschreckend sei, dass dabei über Jahre sämtliche Kontrollmechanismen im Konzern offensichtlich versagt hätten.

Ganz ausgestanden dürfte der Skandal wohl noch lange nicht sein: «Wahrscheinlich schon vor der Jahrtausend-Wende» habe sich diese Buchungspraxis etabliert, sagte Schwaller. Mit der Zeit sei offensichtlich das kollektive Bewusstsein dafür, was rechtens sei, verloren gegangen. «Das ist ein inakzeptabler Vertrauensbruch eines Unternehmens, das zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes ist», betonte Schwaller.

Markige Worte von Leuthard
Postministerin Doris Leuthard fand denn auch am Montag vor den Medien ebenfalls markige Worte. Sie sprach von einem «System der Manipulation», «unentschuldbaren Machenschaften» und «fehlendem Unrechtsbewusstsein».

«Den Bundesrat trifft sicher kein Verschulden», erklärte Leuthard. Es gebe in den verschiedenen veröffentlichten Berichten keine Vorwürfe an den Bund als Eigner. Die Aufsicht liege bei verschiedenen Fachämtern. Doch auch dort habe nach aktuellem Kenntnisstand lange Zeit niemand etwas gewusst über das Ausmass des Subventionsbetrugs.

Gefordert sei nun insbesondere die Spitze des Postkonzerns, aber auch die Aufsicht des Bundes. Es sei richtig, dass bei der Post personelle Konsequenzen gezogen würden. Post-Chefin Susanne Ruoff habe nichts gewusst von den illegalen Buchungen. Sie habe aber 2013 Hinweise gehabt, denen sie hätte nachgehen müssen.

Köpferollen an der Spitze
Aufgrund der Ergebnisse der Untersuchungsberichte habe die Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit mit Ruoff gefehlt, sagte Schwaller. Das habe man ihr am Mittwoch mitgeteilt, worauf Ruoff am Freitag ihre Kündigung eingereicht habe. Es gebe keinen «goldenen Fallschirm». Ruoff habe eine sechsmonatige Kündigungsfrist.

Interimistisch wird der Konzern von Stellvertreter Ulrich Hurni geführt. Die Suche zur Neubesetzung der Stelle werde unverzüglich eingeleitet.

Ebenfalls den Hut nehmen müssen nun die nach den Abgängen von PostAuto-CEO und Finanzchef im Februar noch verbliebenen acht Mitglieder der PostAuto-Geschäftsleitung und die Leiterin der internen Revision. Interimistisch wird die PostAuto AG von Thomas Baur geführt, dem Leiter des Postnetzes.

Ein langfristiger Wiederaufbau des Vertrauens sei nur mit einer neuen Geschäftsleitung möglich, sagte Schwaller. Es würden auch Organhaftung und Schadenersatzforderungen geprüft. Die Löhne der Freigestellten würden zurückbehalten.

Keine personellen Konsequenzen gibt es hingegen – trotz anderslautenden Vermutungen im Vorfeld – vorerst im Verwaltungsrat. Schwaller sagte selbstkritisch, dass es einen Monat nach Amtsantritt im Juni 2016 in einem Bericht zuhanden von Audit Comittee, Konzernleitung und externer Revisionsgesellschaft einen Abschnitt zur Reorganisation «Impresa» gegeben habe, den er nach heutigen Kenntnisstand inzwischen anders lesen würde. Er stehe für seine damals zu wenig kritische Sicht ein.

Reorganisation wird rückgängig gemacht
Als organisatorische Massnahmen soll nun die Reorganisation «Impresa» rückgängig gemacht werden. Diese 2014 beschlossene und am 1. Januar 2016 eingeführte Holdingstruktur sollte dazu dienen, Gewinne durch Transferpreise in Tochtergesellschaften von PostAuto zu sichern. Dieses Konzept werde durch eine transparente und einfache Organisationsform ohne Transferpreise ersetzt.

Überprüft wird auch ein geordneter Ausstieg aus dem Personenverkehrsgeschäft in Frankreich. Eine Option ist dabei der Verkauf der Gesellschaft.

«Jeder Franken wird zurückgezahlt»
Laut dem nun vorliegenden Expertenbericht waren die effektiven Gewinne von PostAuto für den regionalen Personenverkehr für die Jahre 2007 bis 2015 um 90,9 Millionen Franken höher als bisher ausgewiesen.

Die Post werde jeden geschuldeten Franken zurückzahlen, kündigte Schwaller an. Das Geld stehe bereit und soll bis im Herbst an die Geschädigten fliessen.

Neben der posteigenen externen Untersuchung ist zur PostAuto-Affäre ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden. Der Bundesrat hat auf Antrag des Departements von Bundesrätin Leuthard das Bundesamt für Polizei (Feldpol) damit beauftragt.

Der Bundesrat gab am Montag bekannt, dass er dem Verwaltungsrat der Post für das Geschäftsjahr 2017 keine vollumfängliche Décharge erteilen wird. Laut Schwaller hat dies der Verwaltungsrat selber beim Eigner beantragt. (awp/mc/ps)

Schweizerische Post

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