Medtech: Werkplatz Schweiz mit neuen Herausforderungen

Medtech: Werkplatz Schweiz mit neuen Herausforderungen
(Foto: Fasmed)

Bern – Die Schweizer Medtech-Industrie hat sich 2015 guter Verfassung präsentiert. So erwirtschaftete sie einen Umsatz von 14,1 Mrd Franken, was 2,2% des BIP und einem Plus von 0,8 Mrd Franken gegenüber 2014 entspricht. Damit zeigt die SMTI seit 2010 ein konstantes Umsatzwachstum von jährlich rund 6%, was deutlich über dem BIP-Wachstum liegt. 2015 umfasste die Branche rund 1350 Hersteller, Zulieferer, Dienstleister sowie Handels- und Vertriebsgesellschaften mit 54’500 Mitarbeitenden – 1500 oder 2,8% mehr als 2014. Gleichzeitig wurde eine Arbeitsproduktivität von ca. 260’000 Franken Mitarbeitendem erreicht.

Diesen erfreulichen Zahlen stehen der wachsende Preis- und Regulierungsdruck sowie die Frankenstärke gegenüber. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen haben die Medtech-Unternehmen in den letzten Jahren strukturelle Anpassungen getätigt und weiter in die Optimierung der Prozess- sowie Kosteneffizienz investiert. Auch kann die Industrie heute noch von den Vorteilen des hiesigen Standorts profitieren, dessen Attraktivität aber vermehrt von anderen führenden Medtech-Standorten konkurriert wird. So sind v.a. der starke Schweizer Franken, die Umsetzung der Unternehmenssteuerreform sowie die Masseneinwanderungs-Initiative und der sich damit verschärfende Fachkräftemangel Unsicherheitsfaktoren für die CEOs hierzulande. Um die internationale Wettbewerbs- und Innovationskraft dieser Industrie zu erhalten, eine Abwanderung von Produktion und Forschung ins Ausland zu unterbinden und den Heimmarkt wieder zu stärken, gilt es die Rahmenbedingungen zu verbessern. Dies sind die Quintessenzen der Schweizer Medizintechnik Industrie (SMTI) Branchenstudie 2016, die auf der Befragung von gegen 350 Unternehmen sowie den daraus abgeleiteten Fakten basiert.

Exporte gesamthaft stabil mit Rückgang in EU
Mit einem Volumen von 10,6 Mrd Franken konnten 2015 die Exporte trotz starkem Schweizer Franken konstant gehalten und in den Top-Destinationen USA mit 2,6 Mrd Franken und Deutschland mit 2,2 Mrd Franken sogar noch ausgebaut werden. Demgegenüber haben die Exporte in die EU seit 2010 wertmässig um ca. 15% abgenommen. Unter anderem reduzierte die negative Wechselkursentwicklung EUR/CHF die wertmässigen Exporte in die EU-Länder sowie die Nachfrage v.a. in den von der Krise geplagten Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien.

Mehr Vorleistungen importiert
Die Importe haben seit 2010 um 11 Prozent zugenommen, mit den Hauptanteilen wiederum aus den USA und Deutschland. Dabei konnte die Branche aufgrund der Euro-Schwäche von günstigeren Preisen profitieren. Zusätzlich zwingen die Frankenstärke und das Wettbewerbsumfeld bzw. der steigende Kostendruck die Unternehmen, mehr Vorleistungen und Investitionsgüter aus dem Ausland zu beziehen. Dieser Trend wird sich nach Einschätzung der Branche fortsetzen. Die Währungsentwicklung des Euros gegenüber dem Schweizer Franken wird die Branche auch in Zukunft beschäftigen.

Investitionen im Ausland forciert
Trotz dem starken Schweizer Franken produziert ein Grossteil der Unternehmen – neben den inländischen Firmen auch Global Player wie Johnson & Johnson Medical, Medtronic, Zimmer Biomet und Biotronik – weiterhin in der Schweiz. Gleichzeitig haben Hersteller in den letzten Jahren vermehrt auch Kapazitäten im Ausland aufgebaut. Diese Tendenz ist bei den Zulieferern in schwächerer Form ersichtlich, da für diese die Nähe zu den inländischen Herstellern von Bedeutung ist.

Die Mehrheit der befragten Firmen investiert auch künftig sowohl im In- wie im Ausland, am meisten in den Bereich Marketing & Sales, gefolgt von Produktion sowie Forschung & Entwicklung. 86 Prozent planen Investitionen in der Schweiz, vor allem wegen qualifizierten Fachleuten und der hohen Arbeitsproduktivität. Fast ebenso viele Unternehmen wollen jedoch auch im Ausland investieren. Als wichtige Gründe wurden die Nähe zu den Kunden, die Frankenstärke und hohen Personalkosten in der Schweiz genannt. Deutschland und USA/Kanada bleiben die wichtigsten Zielmärkte für Investitionen der Schweizer Medtech-Hersteller und -Zulieferer – Tendenz steigend.

Innovation und Digitalisierung grossgeschrieben
Für Forschung und Entwicklung geben die Schweizer Medtech-Hersteller jährlich, je nach Grösse und Alter, bis zu 30 Prozent ihres Umsatzes (Zulieferer rund 13 Prozent) aus, wobei v.a. Kleinstunternehmen anteilsmässig am meisten investieren. Neue Produkte entstehen hauptsächlich durch interne Entwicklungen sowie Kooperationen, insbesondere mit Universitäten. Grosse Firmen ergänzen die Eigenentwicklung mit dem Zukauf von Ideen, Prototypen und fertigen Produkten.

Als bedeutenden Treiber für Produktinnovationen schätzt die Medtech-Branche die Digitalisierung ein. Neun von zehn Firmen nehmen sie als grosse Chance wahr, knapp die Hälfte der Befragten räumt ihr grossen Einfluss auf die heutigen Geschäftsmodelle ein.

Positive Wachstumserwartungen für die Schweiz
Die Branche glaubt an ihr Potenzial und blickt positiv in die Zukunft: Die Befragten erwarten für 2016 ein erhöhtes durchschnittliches Umsatzwachstum von 8,6%, respektive 7,5% für 2017. Dabei werden die USA, südamerikanische Länder, China und Iran als besonders attraktive Absatzmärkte eingestuft.

Noch attraktiver Standort Schweiz
Die Standortvorteile der Schweiz sind nach wie vor gross. Laut der Analyse brilliert die Schweiz vor allem (noch) mit einem guten Zugang zu hochqualifizierten Fachkräften, einem innovationsstarken Umfeld und einer relativ tiefen Unternehmenssteuer. Der Werkplatz konkurriert im weltweiten Wettbewerb vor allem mit Deutschland, Irland, den USA und Singapur. Zu diesen vier ausgewählten Standorten zieht die SMTI-Studie erstmals einen detaillierten Vergleich.

Unsicherheitsfaktoren bedrohen die Standortstärken
Die anderen Medtech-Spitzenreiter, Singapur und Irland, können sich jedoch mit einer aktiven Investitionsförderungs-Politik profilieren. Deutschland hebt sich mit seinen attraktiven volkswirtschaftlichen Voraussetzungen ab, und die USA überzeugen vor allem mit ihrer Innovationskultur für die Medizintechnik.

Nicht nur werden die anderen Länder immer stärker, sondern droht selbst den bisherigen Schweizer Standortvorteilen im internationalen Vergleich Gefahr: So sind die ungewisse Einführung der Unternehmenssteuerreform sowie die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative und der sich damit verschärfende Fachkräftemangel bedeutende Unsicherheitsfaktoren für die CEOs hierzulande. Was den Zugang zu hochqualifizierten ausländischen Spezialisten und Forschungsprojekten wie dem Programm «Horizon 2020» sowie den freien Warenverkehr betrifft, bestehen aufgrund der anstehenden bilateralen Verhandlungen mit der EU latente Risiken.

Innovationshemmende Bürokratie abbauen
Angesichts der sich verschärfenden Rahmenbedingungen nannten die befragten Unternehmen zu fast 80% Prozent den Erhalt der Innovationsfähigkeit als grösste Herausforderung. An zweiter Stelle folgt die Bewältigung der wachsenden und immer aufwändiger werdenden Regulierungen und damit anfallenden Dokumentationsflut, etwa bei der Zertifizierung neuer Produkte, die sich innovationshemmend auswirken. Doch es gibt noch weitere Hürden zu bewältigen, etwa bei öffentlich geförderten Projekten mit Forschungspartnern. Hier wird an erster Stelle der Antragsaufwand für die Medtech-Firmen bemängelt, v.a. für KMU und Start-ups sind die Formalitäten schwer zu erfüllen.

Um protektionistische Bürokratie geht es oft auch bei den von Land zu Land unterschiedlichen Vorgaben für die Zulassung von Produkten. Wird der Eintritt in die europäischen Märkte als verhältnismässig einfach eingestuft, ist dieser in den USA, Kanada, Brasilien, Russland, China und (mehr noch) in Japan aufgrund regulatorischer Auflagen vergleichsweise schwierig.

Medtech-Spezialisten schwierig zu finden
Gerade in den Medtech-spezifischen Funktionen Forschung und Entwicklung, Regulierungen und Zulassungen sowie Qualität haben die Medtech-Firmen Probleme, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Hauptsächlich hier hat die Branche Personal aufgestockt, wobei diese Spezialisten auch im Ausland rekrutiert werden mussten. Weiter bezeichneten die Befragten die Rekrutierung von qualifizierten Spezialisten für Marketing und Vertrieb als sehr anspruchsvoll. (mc/pg)

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