«Positives Momentum» in der Beziehung Schweiz-EU verpufft

«Positives Momentum» in der Beziehung Schweiz-EU verpufft
(Fotolia/pavlofox)

Brüssel – Der Bundesrat präsentiert dem Vernehmen nach diese Woche die Eckwerte eines Mandates für Verhandlungen mit der EU. Das definitive Mandat dürfte jedoch erst nach den eidgenössischen Wahlen folgen. Damit wird der Abschluss der Verhandlungen bis Mitte 2024 immer unwahrscheinlicher.

In Brüssel herrscht Ernüchterung: Denn aus Sicht der EU-Kommission hat man sich stark um die Schweiz bemüht. Maros Sefcovic, Vizepräsident der EU-Kommission, reiste Mitte März in die Schweiz und traf neben Aussenminister Ignazio Cassis auch Vertreter der Kantone, des Parlaments und der Sozialpartner. Nach den Treffen sprach Sefcovic von einem «positiven Momentum», das es zu nutzen gelte.

Denn die EU-Kommission hoffte, die Sondierungen bis im Sommer abschliessen zu können. Das Erreichte sollte dann schriftlich in einer gemeinsamen Erklärung festgehalten werden.

Doch mittlerweile geht die Brüsseler Behörde nicht mehr davon aus, dass ihr angestrebter Zeitplan noch einzuhalten ist: der Abschluss der Verhandlungen nämlich noch vor dem Ende ihres Mandates im Herbst 2024.

Mandat möglicherweise erst 2024
Zwar will der Bundesrat bis Ende Juni die Eckwerte eines Verhandlungsmandates präsentieren. Doch die Stimmen, die davon ausgehen, dass er das definitive Mandat erst nach den eidgenössischen Wahlen am 22. Oktober in die Konsultation schicken wird – also frühestens im November – mehren sich.

Doch selbst der November ist nicht sicher: Grund dafür sind die Bundesratswahlen am 13. Dezember. Mit dem Schweiz-EU-Dossiers Vertraute schliessen nicht aus, dass die Landesregierung deshalb erst Anfang 2024 das Verhandlungsmandat präsentieren wird.

Offensichtlich will der Bundesrat das Dossier aus dem Wahlkampf heraushalten, wohl weil SP, Mitte und FDP keine klare Position im EU-Dossier haben – vielmehr sind sie innerparteilich gespalten.

Innenpolitische Querelen
Möglich ist aber auch, dass es innenpolitisch noch etwas Zeit braucht. Denn seit einiger Zeit laufen Gespräche zwischen den Sozialpartnern. Roland Müller, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbands (SAV), sagte Anfang Juni im Tagesgespräch von Radio SRF, es habe insgesamt sechs Treffen gegeben.

Ziel ist es laut Müller, mit Blick auf die laufenden Gespräche zwischen der Schweiz und der EU, Ausgleichsmassnahmen zu definieren, um das aktuelle Lohnschutzniveau zu erhalten. Das hat schon bei den Bilateralen I mit der Einführung der «flankierenden Massnahmen» funktioniert.

Erst kürzlich warf jedoch Daniel Lampart, Chefökonom der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB), an der Delegiertenversammlung den Arbeitgebern und der Wirtschaft vor, sie würden nicht für eine Lohnschutz-Garantie einstehen. Es scheint also noch Diskussionsbedarf zu bestehen.

Vereinzelt optimistische Stimmen
Nicht alle sind jedoch pessimistisch. Vereinzelte Stimmen in Bundesbern halten den Abschluss der Verhandlungen im Sommer 2024 weiterhin für möglich.

Nach zehn Runden Sondierungsgesprächen habe man mit der EU viele wichtige Fragen klären können, so dass die Eckwerte des Mandates schon relativ konkret sein könnten, erfuhr die Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Geholfen haben soll hierbei auch die im März publizierte Erklärung aller 26 Kantone, in der sie den vom Bundesrat eingeschlagenen Weg bei den Verhandlungen mit der EU unterstützten.

So oder so: Dem Nachfolger oder der Nachfolgerin von Staatssekretärin Livia Leu dürfte die Arbeit nicht ausgehen, gleichgültig wie substanziell die Eckwerte des Mandates ausfallen werden und wann das definitive Mandat in die Konsultation geschickt wird. So wurden erst vor Kurzem neue, zwischen der Schweiz und der EU diskutierte Themen wie etwa die Patientenfreizügigkeit bekannt, die reichlich Konfliktpotential enthalten. (awp/mc/ps)

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