Überraschend tiefe Inflation könnte für weitere Zinssenkung sorgen

Neuenburg – Die Jahresteuerung in der Schweiz ist im April überraschend deutlich zurückgegangen. Sie beträgt nun 0,0 Prozent, nachdem es im Vormonat noch 0,3 Prozent gewesen waren. Eine weitere Zinssenkung der Schweizerischen Nationalbank ist damit wahrscheinlicher geworden.
Konkret haben sich die Preise für Schweizer Konsumgüter im April mit 0,0 Prozent weder im Vergleich zum Vormonat noch im Vergleich zum Vorjahreswert verändert, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am Montag in einem Communiqué bekannt gab.
Die meisten von AWP befragten Experten waren im Vorfeld von einer etwas höheren Inflation ausgegangen. So hatten Ökonominnen und Ökonomen mit Werten zwischen 0,1 und 0,3 Prozent gerechnet. Sie zeigen sich in ihren ersten Reaktionen denn auch überrascht.
Der Preisauftrieb sei im April gänzlich zum Erliegen gekommen, schreibt etwa Thomas Gitzel von der VP Bank. «Das war in diesem Ausmass nicht zu erwarten gewesen», so der Chefökonom weiter.
Inlandgüter sind weiterhin deutlich teuer als vor einem Jahr (+0,8%), während Importgüter (-2,5%) nach wie vor klar billiger sind als vor Jahresfrist. Die Kerninflation ist gegenüber dem Vorjahreswert ebenfalls gesunken auf 0,6 Prozent. Im März hatte sie noch bei 0,9 Prozent gelegen.
Die Inflation in der Schweiz ist seit Monaten auf dem Rückzug. Seit dem letzten September liegt sie unter 1 Prozent, letztmals über 2 Prozent lag sie im Frühling 2023.
Tiefe Ölpreise und starker Franken
Die Experten machen eine Kombination aus den tieferen Erdölpreisen zusammen mit der Aufwertung des Frankens für die aktuelle Entwicklung verantwortlich. Beides sei inflationsdämpfend, erklärt BAK-Chefökonom Claude Maurer. «Der Teuerungsdruck in der Schweiz bleibt derweilen tief.»
Die Mehrzahl der Experten geht denn auch davon aus, dass die Teuerungsrate in den kommenden Monaten in den negativen Bereich fallen könnte. Die anhaltend tiefen Ölpreise sowie der starke Franken dürften der Hauptgrund sein. Eine eigentliche Deflation mit mittelfristig negativen Inflationszahlen und einer schrumpfenden Wirtschaft sehen sie allerdings nicht.
Klar ist allerdings, dass der Druck auf die SNB mit den aktuellen Zahlen wächst. Ihr Ziel ist es, die Teuerungsrate in einem Korridor zwischen 0 und 2,0 Prozent zu halten. Zahlreiche Ökonomen gehen denn auch davon aus, dass die SNB den Leitzins bei der nächsten Lagebeurteilung im Juni auf 0,0 Prozent senken wird. Dabei könnte sie abermals betonen, auch vor erneuten Negativzinsen nicht zurückzuschrecken.
Für andere Experten wie Maurer vom BAK oder Karsten Junius von Safra Sarasin ist die niedrige Inflation zwar von der SNB nicht erwünscht, aber auch kein Drama. «Sie ist klar auf externe Entwicklungen zurückzuführen», schreibt etwa Junius. (awp/mc/ps)