Lukas Langenegger, CEO Hemotune, im Interview

Lukas Langenegger, CEO Hemotune, im Interview
Lukas Langenegger, Co-Founder und CEO Hemotune. (Foto: Hemotune)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Langenegger, jedes Jahr sterben weltweit 11 Millionen Menschen an einer Sepsis. Können Sie uns genauer erklären, was unter einer Sepsis, allgemein als Blutvergiftung bezeichnet, zu verstehen ist?

Lukas Langenegger: Sepsis stellt die schwerste Verlaufsform einer Infektion dar. Bei einer Sepsis schädigt die körpereigene Abwehrreaktion das eigene Gewebe und die eigenen Organe und führt zu einer lebensbedrohlichen Situation. Der ursprüngliche Infekt spielt in dieser Phase aber eine untergeordnete Rolle, während der Fokus auf der fehlgeleiteten körpereigenen Antwort auf die Infektion liegt, die über das Blut verbreitet wird.

Wer ist besonders gefährdet?

Wie bei vielen Krankheiten sind vor allem die Risikogruppen der älteren Menschen mit Vorerkrankungen gefährdet. Aber es kann auch junge, sonst gesunde Patienten treffen. Die WHO schätzt, dass weltweit jedes Jahr rund 50 Millionen Menschen von einer Sepsis betroffen sind und etwa 11 Millionen Menschen daran sterben. Das sind 20% aller Todesfälle. 85% der Fälle treten in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen mit schlechter Gesundheitsinfrastruktur auf. Fast 50% der Fälle betreffen Kinder unter 5 Jahren und führen zu 2.9 Millionen Todesfällen. Aufgrund dieser immensen Zahlen wurde die Sepsis von der WHO als Globale Gesundheitspriorität eingestuft.

«Die WHO schätzt, dass weltweit jedes Jahr rund 50 Millionen Menschen von einer Sepsis betroffen sind und etwa 11 Millionen Menschen daran sterben.»
Lukas Langenegger, CEO Hemotune,

Wie präsentiert sich denn das Krankheitsbild?

Die Symptome bei Sepsis sind zu Beginn unspezifisch und kaum von einer normalen Grippe zu unterscheiden. Sie beinhalten Fieber, Schüttelfrost, Verwirrtheit, Herzrasen, eine schnelle Atmung, Schwitzen, starke Schmerzen und Unwohlsein. Bei schweren Verläufen kommt es zu einem Kreislaufzusammenbruch und Organversagen. Bei diesen Patienten liegt die Sterblichkeit trotz Behandlung auf der Intensivstation bei 35 – 50%.

Wie wird die Sepsis hierzulande in der Regel behandelt?

Da die Sepsis durch eine Infektion ausgelöst wird, muss diese zuerst behandelt werden. Dies wird meist über Antibiotika gemacht. Zusätzlich werden verschiedene lebenserhaltende Massnahmen wie Kreislaufstabilisation und Organersatztherapie wie Beatmung und Nierendialyse notwendig.

Warum wirken diese Methoden nur eingeschränkt?

Die heutigen Behandlungsmethoden fokussieren einerseits auf die Infektion, andererseits sind sie lebenserhaltende Massnahmen. Therapien, die die zugrundeliegende, fehlgeleitete Immunantwort gezielt behandeln könnten, fehlen derzeit. Ärztinnen und Ärzten bleibt oft nur die Symptombehandlung und die Hoffnung, dass sich das Immunsystem von selbst erholt.

Mit dem HemoSystem entwickeln Sie bei Hemotune eine revolutionäre Therapie. Welchen Ansatz verfolgen Sie?

Wir entwickeln eine sehr gezielte und effiziente Blutreinigung. Diese ist für Patienten auf der Intensivstation ausgelegt, deren Immunsystem durch die Sepsis gelähmt wurde. Durch diagnostische Tests wählen wir gezielt die Patientengruppe aus, die von der Behandlung profitieren kann. Sie machen mehr als die Hälfte der Patienten mit Sepsis auf der Intensivstation aus. Das Ziel der Therapie ist es, Stoffe, die zur fehlgeleiteten Immunantwort führen, direkt aus dem Blut zu entfernen und so eine normale Immunfunktion wiederherzustellen.

«Wir entfernen krankheitsrelevanten Stoffe direkt aus dem Blutkreislauf und machen sie so unschädlich.»

Die Behandlung erfolgt also nicht medikamentös, stattdessen werden die Giftstoffe im Blut quasi «rausgefiltert»?

Genau. Viele Medikamente werden in den Körper verabreicht, um dort an Stoffe zu binden und sie zu inaktivieren. Das funktioniert aber längst nicht immer. Wir entfernen krankheitsrelevanten Stoffe stattdessen direkt aus dem Blutkreislauf und machen sie so unschädlich.

Wie kann man sich das genau vorstellen?

Unsere Maschine verabreicht dem Blut kleine Kügelchen, jedes mehr als 100x kleiner als ein rotes Blutkörperchen. Sie besitzen einen magnetischen Kern und binden mittels Antikörper an die Giftstoffe. Danach fliessen sie im Gerät durch einen magnetischen Filter, wo sie höchst effizient abgetrennt werden. Unsere Sepsis-Therapie besteht aus einer Mischung verschiedener Kügelchen und kann so gleichzeitig verschiedene Stoffe entfernen. Dies wäre mit Medikamenten kaum möglich.

Wie lange hat die Entwicklung gedauert?

Das wissenschaftliche Fundament der Magnetkügelchen wurde während jahrelanger Forschung an der ETH erarbeitet. Die Firma hemotune wurde dann 2017 aus dem Functional Materials Laboratory der ETH gegründet, um die Entwicklung als Medizinprodukt und dann auch die Vermarktung zu übernehmen. Medizinische Entwicklungen sind wahnsinnig aufwändig und die Qualitätsansprüche sind naturgemäss sehr hoch. Daher dauern solche Entwicklungen sehr lange.

Wie präsentiert sich die aktuelle Datenlage, wie erfolgreich ist die Behandlung mit dem HemoSystem?

Wir haben während der Entwicklung bereits sehr viele Tests zur Effizienz im Labor durchgeführt. Auch haben wir viele Untersuchungen zur toxikologischen Sicherheit und Verträglichkeit sowie zur Bedienerfreundlichkeit des Geräts durchgeführt. Unsere Behandlungsstrategie zur Sepsis wurde gemeinsam mit führenden Ärzten, Immunologen und Diagnostikspezialisten entwickelt. Wie auch bei Medikamentenentwicklungen wissen wir aber erst nach der klinischen Studie, wie stark sich der Zustand der Patienten durch die Behandlung verbessern wird.

Sie verfügen über funktionsfähige Prototypen des HemoSystems. Welches sind nun die nächsten Schritte?

Derzeit arbeiten wir viel am Produktionsprozess und führen Qualitätskontrollen bei unseren Zulieferern durch, so dass wir die benötigte Produktqualität sicherstellen können. Gleichzeitig bereiten wir die Herstellung der Geräte für die formelle Prüfung vor. Um die klinische Studie durchführen zu können, müssen alle Tests nochmals am finalen Produkt erfolgen.

«Wir erwarten Anfang 2024 erste Patienten behandeln können. Dies dann noch im Rahmen einer klinischen Studie.»

Die Erfüllung der strengen Qualitätsanforderungen und klinische Studien benötigen viel Zeit. Lässt sich abschätzen, bis wann im besten Fall die HemoSystems eingesetzt werden können?

Wir erwarten Anfang 2024 erste Patienten behandeln können. Dies dann noch im Rahmen einer klinischen Studie.

Und wie teuer wird eine solche Behandlung sein?

Wegen der langen Behandlungszeit von teilweise mehrerer Wochen auf der Intensivstation, ist Sepsis eine der teuersten Krankheiten für die Spitäler. Unser Ziel ist eine Behandlung zu entwickeln, die nicht nur die Überlebenschancen der Patienten erhöht, sondern durch eine schnellere Genesung auch Kosteneinsparungen ermöglicht.

Hemotune hat zuletzt eine Series B1 Finanzierungsrunde über 7,25 Mio Franken abgeschlossen. Was ermöglicht Ihnen diese Finanzierung?

Mit dieser Finanzierung werden wir die gesamte vorklinische Entwicklung abschliessen und die klinische Studie vorbereiten können.

Herr Langenegger, besten Dank für das Antwort.

Hemotune
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