Juncker fühlt sich von Griechenland «verraten»

Juncker fühlt sich von Griechenland «verraten»
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. (Foto: © European Union, 2014)

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. (Foto: © European Union)

Brüssel – In einem flammenden Appell hat EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker die Griechen aufgerufen, das vorschlagene Spar- und Reformpaket der Geldgeber zu billigen. «Ein «Nein» würde ein Nein zu Europa heissen», sagte Juncker am Montag in Brüssel. Bisher empfiehlt der griechische Premier Alexis Tsipras seinen Landsleuten, in dem für Sonntag angesetzten Referendum, das Sparpaket abzulehnen. «Das ist kein stupides Sparpaket», sagte der Luxemburger.

Juncker äusserte sich in seinem streckenweise sehr emotionalen Statement persönlich enttäuscht über Tsipras. Dieser habe ihn in der vergangenen Woche in stundenlangen Verhandlungen nicht darüber informiert, am Sonntag eine Volksabstimmung abzuhalten. «Das kam für mich als eine Überraschung.» Juncker sagte, er habe «alles gemacht», um einen Kompromiss mit der Athener Regierung zu ermöglichen. Wörtlich sagte er, er fühle von der griechischen Regierung während der Verhandlungen «verraten».

Keine Lohnkürzungen und keine Rentenkürzungen
Juncker wandte sich vehement gegen Darstellungen in der Öffentlichkeit, wonach Griechenland ein Ultimatum gestellt wurde. Athen habe hingegen das Angebot für eine «faire Abmachung» erhalten. Es habe auch immer wieder Gespräche auf der höchsten politische Ebene gegeben. «Es gibt keine Lohnkürzungen und keine Rentenkürzungen in dem Paket.»

Der frühere Eurogruppenchef wies auch Vorwürfe zurück, wonach die Geldgeber Griechenland bei seinen hohen Staatsschulden nicht entlasten wollten. Die Eurogruppe sei bereit gewesen, schon von diesem Herbst an Massnahmen auf den Weg zu bringen. «Herr Tsipras weiss das.» Das könnte nach früheren Angaben niedrigere Zinsen und längere Laufzeiten für europäische Hilfskredite umfassen.

Juncker lehnt «Grexit» ab
Mit Blick auf das Dienstagnacht auslaufende Rettungsprogramm für Griechenland sagte Juncker: «Es ist nicht so, dass wir endgültig in einer Sackgasse feststecken würden. Aber die Zeit wird immer knapper.» Einen «Grexit», also einen Austritt Griechenland aus dem Eurogebiet, lehnte der Christsoziale erneut ab. Das sei für ihn nie eine Option gewesen. «Sie wissen gut, dass die Griechen meinem Herzen sehr nahe stehen», sagte er zu Medienvertretern.

Neue Vorschläge präsentierte er bei seiner Rede nicht. Er sei bereit, mit den Eurostaaten an einer Lösung zu arbeiten, so Juncker. Offen blieb, ob der Kommissionschef in letzter Minute – und damit vor dem Referendum – noch Initiativen auf den Weg bringen will.

Merkel: Sind für weitere Verhandlungen nach Athen-Referendum offen
Die Tür für weitere Verhandlungen mit Griechenland steht auch nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel offen. Sollte die griechische Regierung nach dem für Sonntag angesetzten Referendum darum bitten, «werden wir uns solchen Verhandlungen selbstverständlich nicht verschliessen», sagte Merkel am Montag nach einem Treffen mit den Partei- und Fraktionschefs von Union, SPD, Linke und Grünen in Berlin. Es sei das legitime Recht der Griechen, ein Referendum anzusetzen. Auch das Ergebnis werde man akzeptieren, betonte Merkel.

Tsipras bittet um Verlängerung von Hilfsprogramm
Derweil bemüht sich Tsipras bei der EU um eine kurzfristige Verlängerung des Hilfsprogramms. Der Ministerpräsident habe dazu am Montag EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker um Unterstützung gebeten, sagte ein Regierungsvertreter aus Athen. Es gehe um «ein paar Tage» Aufschub, um die Liquidität des griechischen Bankensystems im Vorfeld des geplanten Referendums über die Reformvorschläge der internationalen Gläubiger wiederherzustellen. Tsipras habe ausserdem mit dem Chef des Europaparlaments, Martin Schulz, gesprochen und um Unterstützung des Parlaments gebeten. (awp/mc/pg)

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