Ralph Mogicato, VR und Investor, im Interview

Ralph Mogicato, VR und Investor, im Interview
Ralph Mogicato, VR und Investor

Interview von Christoph Hilber und Roman Brauchli, UnternehmerzeitungP-Connect

Herr Mogicato, Sie haben die Beratungsgesellschaft Synpulse mitgegründet, die heute 300 Mitarbeitende zählt. Warum sind Sie Unternehmer geworden?

Ralph Mogicato: Eigentlich per Zufall. Der Wunsch nach Selbstständigkeit stand bei mir nie im Vordergrund. Ich wollte aber sehen, ob ich die Fähigkeiten habe, erfolgreich ein Unternehmen mitaufzubauen, Projekte zu lancieren und sie an Unternehmen zu verkaufen. Mein damaliger Chef ist auf mich zugekommen, er hatte die Idee und wollte mich dabei haben. So ist Synpulse entstanden.

«Als Angel Investor will ich einen aktiven Beitrag zum Unternehmen leisten.» Ralph Mogicato, VR und Investor

Was braucht es für den unternehmerischen Erfolg?

An erster Stelle steht die Business-Idee. Man muss eine Dienstleistung oder ein Produkt kreieren, nach dem der Markt sucht. Der zweite wichtige Faktor sind die Gründer oder die Menschen, die hinter dem Produkt stehen. In vielen Bereichen gibt es gute Ideen mit grossem Potenzial, aber oft scheitert es an der Umsetzung.

2011 sind Sie bei Synpulse ausgestiegen und heute sind Sie unter anderem Investor.

Ich bezeichne mich als Angel Investor, eine Kombination aus Business Angel und Investor. Angel Investoren investieren in der frühen Gründungsphase in ein Startup. Meistens gibt es erst eine Idee und ein Gründerteam. Als Angel Investor will ich einen aktiven Beitrag zum Unternehmen leisten. Ich investiere also nicht nur Geld ins Unternehmen, sondern trage auch mit meiner unternehmerischen Erfahrung und meinem Netzwerk zum Erfolg bei. Was mir aber wichtig ist, dass ich mich nicht ins operative Geschäft einmische.

Wieso haben Sie sich dazu entschieden, als Investor aktiv zu werden?

Nach meinem Ausstieg bei Synpulse wollte ich weiterhin unternehmerisch aktiv bleiben. Da war es naheliegend, auch als Investor aktiv zu werden. Ich investiere dabei sowohl in etablierte Firmen als auch in Startups. Gemeinsam mit einem Investorenclub investiere ich in Firmen, die es bereits seit zehn, fünfzehn Jahren gibt und die beispielsweise eine Nachfolgelösung suchen oder eine Wachstumsfinanzierung brauchen. Dort bringe ich mich als aktiver Investor in der Rolle als Lead Investor, zum Beispiel im Verwaltungsrat, ein. Bei den Startups habe ich darüber hinaus die Möglichkeit,mich noch mehrunternehmerisch einzubringen. Als erfolgreicher Unternehmer kenne ich ein paar Erfolgsrezepte.

Welche?

Fokussierung des Geschäftsmodells beispielsweise. Oder: Man sollte nur hochqualitative Personen einstellen. Starkes Wachstum muss nicht um jeden Preis sein, es sollte nachhaltig sein. Man sollte gleich von Anfang an dem Kunden eine hohe Qualität bieten. Oder auch die Preissensibilität: Es ist nicht ratsam, mit Gratisangeboten oder sogenannten Fremiumangeboten anzufangen, um Kunden zu gewinnen. Das Unternehmen sollte von Anfang an ein Preisschild ans Produkt hängen. Die Entscheidung fällt dem Kunden dadurch zwar schwerer, doch wenn er sich für das Unternehmen entscheidet, stimmt auch die Marge. Zudem kann ich dem Startup mein Netzwerk zur Verfügung stellen, das ist nicht unwesentlich.

«Es ist nicht ratsam, mit Gratisangeboten oder sogenannten Fremiumangeboten anzufangen, um Kunden zu gewinnen.»

Als Berater, der fast 20 Jahre ausschliesslich für Banken und Versicherungen tätig war, habe ich ein grosses Kontaktnetz. Nicht alle Startups sind erfolgreich, einige scheitern. Wie sieht Ihre Performance aus? Wenn man seinen Job als Investor gut macht, dann sollten unter zehn Unternehmen ein bis zwei Highflyer dabei sein.

Fünf bis sieben Startups sollten sich so entwickeln, dass man zumindest sein Geld nicht verliert. Und dann gibt es zwei, drei Abstürze. Das sollte man verkraften können. Das betrifft jetzt die Seed-Investments, also Gründungsfinanzierungen von Startups. Ich konzentriere mich dabei auf Branchen, die ich kenne, das heisst auf Technologieunternehmen, die ein softwarebasiertes Business-Modell haben. In Unternehmen, die ein B2C-Modell haben, investiere ich in der Regel nicht, weil ich die Akquisition von Endkonsumenten zu wenig gut kenne. Ich konzentriere mich auf den B2B-Bereich. Natürlich geht es bei mir meistens um die Themen Technologie, ideal in Verbindung mit Fintech.

Wie oft sind Sie in den Unternehmen?

Ein Angel Investor muss verfügbar sein, sonst ist er bloss ein gewöhnlicher Investor. Wenn ich mich aktiv beteilige, investiere ich sicher einen Tag pro Monat für das Unternehmen. Etwa 30 bis 40 Prozent meiner Zeit brauche ich für den Startup-Bereich. Zusätzlich bin ich im Swiss ICT Investor Club (www.sictic.ch) aktiv, dem grössten Angel Investor Club der Schweiz, der TechStartups eine Matching-Plattform zwischen Startups und Investoren bietet. Dort haben diese jeden Monat die Möglichkeit, vor Investoren zu pitchen. In dieser Häufigkeit ist dies einmalig in der Schweiz. Es gibt genügend Events, wo sich Startups präsentieren können, aber dass sie dies vor interessierten Investoren, aktuell über 170, tun können, ist einmalig in Europa, vielleicht sogar weltweit.

Sie investieren vorwiegend in Fintechs mit einem B2B-Ansatz – weil Sie dieses Geschäft kennen. Wie beurteilen Sie sonst das Risiko?

Etwa 80 Prozent aller Startups aus dem Tech-Bereich präsentieren sich in irgendeiner Form bei uns. Sie kommen an die SICTIC-Events, um zu pitchen. Das sind Extremsituationen: Die Startups müssen in 90 Sekunden ihre Business-Idee, das Team, das Problem, den Markt und die Konkurrenz präsentieren. Das ist sehr anspruchsvoll. Unter den Mitgliedern diskutieren wir anschliessend die Risiken. Jemand weiss vielleicht von einem Konkurrenten mit einer ähnlichen Idee, der aus bestimmten Gründen nicht erfolgreich war. Ich bin klar der Meinung, dass einer allein das Risiko nicht beurteilen kann. Natürlich muss man selber entscheiden, ob man investieren will. Entscheidend dabei ist für mich immer: Die Business-Idee muss Eindruck machen. Ein CEO muss eine Vision und Charisma haben, und er muss seine Idee verkaufen können. Wenn ein CEO das kann, kann erseine Dienstleistungen auch einem Unternehmen verkaufen. Im B2B-Bereich ist der beste Sales meistens der CEO.

«Die Exitfähigkeit von Schweizer Startups kann sich noch verbessern.»

Bevor investiert wird, schauen sich die interessierten Investoren das Startup selbstverständlich sehr detailliert an und führen eine Due Dillgence durch.

Wann ist bei einem Seed-Investment der richtige Zeitpunkt, um auszusteigen?

Das hängt von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise von der Geschwindigkeit des Wachstums. Als Investor möchte ich natürlich irgendwann einen Exit. Hier haben viele Gründer Schwierigkeiten. Sie wissen nicht, wie und wann sie aussteigen sollen. Gerade bei den KMU ist das ein riesiges Problem. Auch bei vielen heutigen Softwareunternehmen sind immer noch die Gründer in einer exekutiven Rolle tätig. Die haben meiner Meinung nach den «richtigen» Exit verpasst.

Wenn ein Startup erfolgreich ist, steigt man als Investor doch nicht aus.

Sich aus einem Startup finanziell zurückzuziehen, ist sehr schwierig. Als Angel Investoren gehen wir davon aus, dass einige der Startups sehr erfolgreich sind, sodass wir einen erfolgreichen Exit haben. Aber es gibt nur wenige gute und finanziell attraktive Exits. Die Exitfähigkeit von Schweizer Startups kann sich noch verbessern. Das hat auch mit der Grösse des Schweizer Marktes zu tun. Grossunternehmen, siehe Hevletia oder Aduno haben angefangen, in Startups zu investieren, aber das ist immer noch die Ausnahme. In den USA gibt es Tausende von Unternehmen, bei denen ein attraktiver Exit möglich ist. Die TechGiganten kaufen ja Startups am Fliessband. Darum: Als Angel Investor muss man sehr geduldig sein.

Was heisst geduldig?

Ein Exit innert drei Jahren ist fast unmöglich. Innerhalb von fünf Jahren sollte es möglich sein. Ab dem siebten Jahr sollte man nervös werden. Jemand muss dir ja die Aktien abkaufen.

Sie sind auch im Verwaltungsrat von etablierten KMU. Kann man sich da auch aktiv einbringen?

Ich bin auch bei Unternehmen im VR, an denen ich nicht beteiligt bin, zum Beispiel bei der börsenkotierten Crealogix AG. Die gesetzliche Rolle ist dieselbe, sei das bei einem Startup oder bei einem Grossunternehmen. Die gefühlte Verantwortung ist bei Letzteren allerdings viel grösser. Da geht es um viele Arbeitsplätze und auch das Stakeholder-Management ist einiges komplexer, was wiederum interessant sein kann. Aber ich finde beides spannend. Beim Startup sind es sehr operative, taktische Entscheidungen. Bei einem Weltkonzern im VR hat man hingegen viel weniger Einfluss und ist auf reiner strategischer Ebene unterwegs.

Bei Grossunternehmen achtet der VR nur darauf, dass die Compliance eingehalten wird. Um die Sache geht es gar nicht. Trotzdem erhalten Verwaltungsräte teilweise riesige Honorare. Ist das sinnvoll?

Ich bin nicht ganz dieser Meinung. Compliance und die strategische Steuerung sind beide wichtig. Es hängt letztlich alles von der Person ab, die im VR sitzt. Ich kenne einige VRs von Grossunternehmen, die wirklich am Steuer des Konzerns sitzen. Andere sind von Aussen betrachtet nur eine Art Beisitzer. Das hat leider mit den betreffenden Personen zu tun. Natürlich sind auch die Aktionäre in der Pflicht, die richtigen Personen einzusetzen, bzw. der Verwaltungsrat, der die neuen Mitglieder vorschlägt.

«Bei einem mittleren Unternehmen kann der einzelen VR natürlich mehr bewegen, weil auch das Germium in der Regel kleiner ist.»

Bei einem mittleren Unternehmen kann der einzelen VR natürlich mehr bewegen, weil auch das Germium in der Regel kleiner ist. Das ist aber auch eine persönliche Entscheidung, ob man lieber als VR im KMU oder im Grossunternehmen tätig ist. Ich für meine Person bevorzuge das KMU. Doch es stimmt schon: Eines der grössten Probleme ist, dass der Verwaltungsrat häufig zu wenig Einfluss nimmt. Ein VR muss kritisch sein und die Geschäftsleitung hinterfragen. Es ist nicht gut, wenn der CEO der Chef des Unternehmens ist. Das sollte der VRP mit seinen VR-Kollegen sein.

Wie unterscheidet sich die VR-Aufgabe bei einem Startup von jener bei einem KMU?

Beim Startup ist der Rhythmus höher, die Risikobereitschaft muss grösser sein. Ich bringe auch viel mehr mein operatives Wissen ein. Zum Beispiel welchen Treuhänder nehmen wir? Welche anderen Outsourcing-Dienstleister kann ich empfehlen? Bei einem etablierten KMU sind das Positionen, die schon gesetzt sind. Auch der Aufbau der ganzen VR-Tools muss man aktiv mitgestalten: finanzielle Steuerung, internes Kontrollsystem. Bei einem gut geführten KMU sind diese Instrumente bereits vorhanden. Man muss sich in das Unternehmen zuerst einleben und sich fragen, welchen zusätzlichen Beitrag man überhaupt leisten kann.

Eine letzte Frage: Was wünschen Sie sich für den Startup-Hub Schweiz?

Generell haben wir eine sehr gute Startup-Kultur entwickelt. Es laufen tolle Initiativen, u.a. seit Bundesrat SchneiderAmmann öffentlich als Startup-Fan auftritt. So entsteht eine gute Dynamik, die die Schweiz vorwärts bringen wird. Verbesserungspotenzial sehe ich in der steuerlichen Situation von Startups. Das eine ist deren Bewertung. Inzwischen gibt es im Kanton Zürich eine Schonfrist von fünf, sechs Jahren, in der die Bewertung nach dem Nominalwert-Prinzip erfolgt. Nach sechs Jahren ist wieder der Preis massgebend, den der letzte Investor für eine Aktie bezahlt hat, oder die Bewertung der Mitarbeiter-Aktien.

«Generell haben wir eine sehr gute Startup-Kultur entwickelt. Es laufen tolle Initiativen.»

Das zweite steuerliche Problem betrifft die Exitfähigkeit: Wenn ich mein Unternehmen vollständig verkaufe und weiterhin für das Unternehmen arbeite, kann die Wertsteigerung der Aktie von der Steuerbehörde als Einkommen betrachtet werden. Das macht den Standort Schweiz einfach unattraktiv. Bei der steuerlichen Problematik gibt es weiterhin dringendsten Handlungsbedarf.

Das zweite Problem betrifft unsere Migrationspolitik. Zurzeit ist diese sehr nachteilig für den Standort. Mitarbeiter aus dem EURaum kann man zwar problemlos einstellen, aber die Talente sitzen nicht alle nur in der EU. Es ist heute praktisch unmöglich Fachkräfte von ausserhalb der EU einzustellen. Das ist natürlich ein grosser Nachteil, wenn wir die besten Talente wollen. Denn laut Ranking ist die Schweiz bei Startupers sehr begehrt. Eine Firma kann ja ins Ausland gehen. Ja, aber dann verlässt sie die Schweiz und das ist genau das Thema, warum wir noch viel bessere Standortbedingungen brauchen, um nicht gegenüber anderen Ländern noch mehr an Boden zu verlieren. London, Berlin, Stockholm, Tel Aviv, Dubai, Singapur oder Hong Kong holen mächtig auf oder haben uns bereits überholt.

Der Gesprächspartner:
Ralph Mogicato war Mitgründer der Beratungsgesellschaft Synpulse (ehemals Solution Providers) und 15 Jahre für das Unternehmen als Managing Partner und CEO tätig. Der Betriebswirtschafter stieg 2011 aus dem Unternehmen aus und betätigt sich seither als Unternehmer, Senior Berater und Angel Investor in Start-ups, wo er häufig auch im Verwaltungsrat sitzt (u.a. Apiax, esurance, unblu, Imburse). Ausserdem ist er im VR der börsenkotierten Crealogix AG, die Softwarelösungen für Banken anbietet. Darüber hinaus engagiert sich Mogicato im Verwaltungsrat des Swiss ICT Investor Club (SICTIC), einem Investoren-Verein, der in Technologie-Start-ups in der Frühphase investiert. Er unterrichtet zudem am Institut für Informatik der Universität Zürich und ist Dozent an verschiedenen Fachhochschulen und am Swiss Finance Institut.

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