Claus Bornholt, Mitgründer und Verwaltungsrat Westhive, im Interview

von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Bornholt, seit unserem letzten Interview vor fünf Jahren ist viel Zeit vergangen. Wie hat sich die Rolle von Coworking Spaces in den letzten Jahren verändert?
Claus Bornholt: Gute Frage. Man könnte es am besten so beschreiben: Raus aus der Nische. War Coworking früher eine Randerscheinung im Immobilienmarkt, so ist es inzwischen ein etabliertes Modell für die Büromiete. Nahezu überall, wo ein Mietvertrag endet oder erneuert werden muss, ist Coworking heute ein mögliches Szenario für die künftige Bürostrategie eines Unternehmens.
Wie hat sich Ihre Kundenstruktur in dieser Zeit entwickelt?
Radikal. Zu Beginn waren unsere Kunden in erster Linie kleinere Unternehmen und Teams. Heute erhalten wir regelmässig Anfragen von grossen, internationalen Unternehmen, die Räumlichkeiten für bis zu 150 Personen suchen. Und zwar explizit in einem Coworking-Szenario. Wobei man dann eigentlich nicht mehr von Coworking sprechen kann, wie man sich das vorstellt, wo alle Coworkers gemeinsam im Open Space im gleichen Raum arbeiten. Diese Kunden suchen «Serviced Offices», also konzerntaugliche Büroräumlichkeiten, die sie aber nicht selbst bewirtschaften müssen, sondern die durch Westhive bereitgestellt und betrieben werden. Unser grösster Kunde, ein grosser internationaler Tech-Konzern, mietet bei Westhive Genf über 80 Arbeitsplätze.
«Heute erhalten wir regelmässig Anfragen von grossen, internationalen Unternehmen, die Räumlichkeiten für bis zu 150 Personen suchen. Und zwar explizit in einem Coworking-Szenario.»
Claus Bornholt, Mitgründer und Verwaltungsrat Westhive
Die Coronapandemie brachte dem Homeoffice den Durchbruch, mittlerweile wollen aber immer mehr Unternehmen Ihre Mitarbeitenden wieder im Büro haben. Sind Coworking Spaces hier auch eine Art Brücke zwischen dem Homeoffice und dem klassischen Büro?
Ja, absolut. Ich komme nochmals auf den zuvor genannten Kunden zurück. Dieses Unternehmen hat bewusst ein Coworking-Szenario gesucht, also bewirtschaftete Büroräumlichkeiten in einem belebten, inspirierenden Umfeld mit den entsprechenden Services, zum Beispiel Fitness- und Yoga-Angebote sowie eine angeschlossene Gastronomie. Ziel war es, den Mitarbeitenden etwas zu bieten, damit sie wieder öfter – und gerne – ins Office kommen. Und es funktioniert!
WüestPartner schreibt in einer Einschätzung vom April, dass sich nach dem rasanten Wachstum der letzten Jahre die Anzeichen für eine gewisse Marktsättigung verdichten. Stellen Sie diese Entwicklung auch fest?
Nein, keineswegs. Wir gehen davon aus, dass sich die Verlagerung von langfristigen Büromieten hin zu flexibleren Modellen fortsetzen wird – gerade in einem wirtschaftlichen Umfeld, das immer kurzfristiger und unberechenbarer wird. Die Anzahl und Art der Anfragen, die wir erhalten, bestätigt dies. Das einzige, was wir sehen, ist eine gewisse Marktbereinigung, weil kleine Coworking Spaces mit einem einzigen Standort kaum rentabel betrieben werden können.
«Wir gehen davon aus, dass sich die Verlagerung von langfristigen Büromieten hin zu flexibleren Modellen fortsetzen wird – gerade in einem wirtschaftlichen Umfeld, das immer kurzfristiger und unberechenbarer wird.»
Im November eröffnet Westhive direkt am Zürcher Paradeplatz die dritte Prime Location. Was unterscheidet die Prime Locations von den anderen?
Westhive Prime Locations sind zum einen, wie es der Name sagt, an bester Lage angesiedelt, nämlich an repräsentativen Innenstadtlagen oder in hochwertigen Bürozentren. Unsere Standorte Genf Pont-Rouge oder Zürich Bleicherweg sind ebenfalls Prime Locations. Darüber hinaus zeichnen sich diese Standorte durch eine besonders hochwertige Ausstattung aus. Sie richten sich an Unternehmen und Branchen, die besonderen Wert auf Repräsentativität legen.
Welche Zielgruppe sprechen Sie mit dem neuen Standort speziell an?
Die neue Westhive Prime Location am Paradeplatz richtet sich grundsätzlich an anspruchsvolle Kunden, die ein Büro an bester Adresse benötigen. Unserer Erfahrung nach sind diese Unternehmen häufig im Umfeld von Finanzen, Beratung, Recht, aber auch Technologie zu finden.
Auf welche Standortkriterien achten Sie bei der Auswahl neuer Coworking-Spaces besonders?
Für uns ist sowohl die Makro- also auch die Mikrolage wichtig. Makrolage heisst, dass wir bewusst auf die urbanen Zentren setzen, in denen sich ein grosser Teil des Schweizer Geschäftslebens abspielt. Westhive gibt es zurzeit in Basel, Zürich, Zug und Genf. Die Mikrolage wiederum wird durch die lokalen Gegebenheiten bestimmt, etwa eine gute Erreichbarkeit mit dem ÖV und sekundär auch dem Auto sowie natürlich ein geschäftiges Umfeld. Ein wichtiger Punkt ist auch das Gebäude: Es muss sich für unsere Grundrisse eignen, idealerweise über Aussenbereiche verfügen, klimatisiert und trotzdem energieeffizient sein. Und natürlich sollte es auch, um es salopp zu formulieren, etwas hermachen.
Westhive bietet verschiedenste Event-Locations an. In welchem Umfang decken Sie auch Planung, Technik, Dekoration oder das Catering ab?
Ähnlich wie bei unseren Restaurants steht auch hier die Überlegung im Vordergrund, dass wir unseren Kunden eine komplette Infrastruktur rund um ihren Arbeitsalltag anbieten wollen. Event und Conferencing gehört da einfach dazu. Und darum bieten wir nicht nur die eigentliche Location, sondern auch die zusätzlichen Services an. Unser Claim lautet «Hospitality at Work». Und dementsprechend wickelt unser Team auf Wunsch nahezu den gesamten Event ab.
Wie haben Sie die Community-Kultur in Ihren Spaces aufgebaut und erhalten?
Community-Kultur entsteht zum einen nie oder nur bedingt von allein. Und sie entwickelt sich zum anderen auch unterschiedlich je nach Standort. Die Community-Kultur in Genf zum Beispiel ist anders als die in Zug, ein Standort, der viel stärker von Expats geprägt ist. Wir wollen die Community nie forcieren, aber immer die entsprechenden Plattformen bieten, so dass sie entstehen kann. Dazu tragen die Restaurants bei, in denen sich Members treffen und beim Essen und Trinken Kontakte knüpfen können. Oder die Community Breakfasts. Oder unsere jährliche Season Opening Party Anfang Dezember.
«Wir wollen die Community nie forcieren, aber immer die entsprechenden Plattformen bieten, so dass sie entstehen kann.»
Laut WüestPartner befinden sich zwei Drittel der Coworking-Spaces in dicht besiedelten Zentren. Den stärksten Zuwachs an Coworking-Spaces verzeichnete allerdings die Peripherie, gestützt durch «Workation» auch Bergregionen, die sich für die Verknüpfung von Remote-Arbeit und Ferien eignen. Ist das ein Thema für Westhive?
Im Moment nicht. Wir sehen diesen Trend zwar auch und finden das eine spannende und gute Entwicklung. Aber das Potenzial für Westhive liegt ganz klar in den städtischen Zentren der Schweiz. Für die ortsansässige Hotelindustrie in Ferienregionen hingegen kann «Workation» eine spannende Geschäftsergänzung sein, allenfalls auch in Kooperation mit etablierten Coworking-Anbietern.
Der Arbeitsmarkt verändert sich ständig – welche Trends werden Ihre Strategie künftig am stärksten beeinflussen?
Puuh, jetzt sind wir aber bei den ganz grossen Themen angekommen (lacht). Zum einen bewegt sich der Arbeitsmarkt stark in Richtung Flexibilisierung und Individualisierung, getrieben von Digitalisierung, Automatisierung und KI. Wir sehen hier einen echten Megatrend: Gerade weil die Menschen heute von überall aus arbeiten können, verschieben sich auch ihre Anforderungen an diesen Ort. Die reine Funktionalität steht viel weniger im Vordergrund. Denn wenn ich mehr oder weniger frei wählen kann, wo ich arbeite, dann bitte an einem Ort, der mich inspiriert, an dem ich spannende Menschen treffen kann und wo ich mich wohlfühle.
Der zweite Trend ist das ganze Thema Nachhaltigkeit, das insbesondere in der Konzernwelt immer wichtiger wird. Hier haben Coworking Spaces einen starken Hebel, denn geteilte Infrastruktur ist per Definition effizienter. Sie benötigt weniger Platz und weniger Ressourcen.