Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: Put in, put him out!

Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: Put in, put him out!
Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff. (Foto: zvg)

St. Gallen – Mein bester Freund sandte mir am Samstag eine SMS und hielt darin fest, ob mir eigentlich mal aufgefallen sei, dass immer, wenn ich im Grödnertal Skiferien mache, in der Welt etwas passiere.

Nebenbei erwähnt, wissen Sie jetzt auch, wieso Sie letzte Woche nichts von mir hörten, ich war im Urlaub. Vor drei Jahren war es Syrien, vor zwei Jahren die Pandemie, wir kamen damals im letzten Moment aus dem Tal raus, bevor es dicht gemacht wurde, und nun ist es die Invasion der Ukraine. Es mag zugegeben überheblich klingen, aber ich hatte damit gerechnet, dass es zu einem Showdown kommen würde. Mein Team, unser Investment Komitee und viele meiner Kollegen wetteten klar dagegen. Ich wusste nicht mehr und nicht weniger als sie und mit Putin habe ich noch nie in meinem Leben ein Wort gewechselt, aber ich war einfach nicht so naiv wie viele andere, zu glauben, dass, was wir uns nicht vorstellen wollen, eben nur darum auch nicht geschehen könne. Ich rechne einfach oft mit dem Gegenteil dessen, was mir Medien und Mainstream vorkauen. Bis zuletzt waren alle überzeugt das Säbelrasseln sei pure Taktik, doch nun sehen sie sich eines Besseren belehrt und halten den Ball flach. Und jetzt posaunen die Medien, wie naiv doch der Westen gewesen sei. Dabei waren sie es an vorderster Front.

Die Naiven
Und natürlich täuschten sich die meisten Politiker, im endlosen Glauben die Diplomatie löse alle Konflikte. Dabei spielte Putin nur Katz und Maus mit dem Westen, während er seine Militärmaschinerie in Stellung brachte. Das haben nun alle kapiert, selbst die hypersensiblen Deutschen, die dachten Merkels Zauderei eine weitere Legislaturperiode zur Doktrin machen zu können. Auch meine Zunft lag mal wieder komplett daneben. Unmittelbar nach dem Angriff auf die Ukraine fanden sogar ein paar Analysten letzte Woche die Zeit gekommen einzusteigen. Die Korrektur der Kurse sei übertrieben und nun sei ein günstiger Einstiegszeitpunkt. Dazu nur so viel: Frage nie einen Ökonomen, wenn Du wissen möchtest, was in der Zukunft geschieht, denn der hat genau so wenig Ahnung wie Du! Wenn mir in den vergangenen vier Jahrzehnten etwas klar geworden ist, dann dies: Wir haben keine Ahnung von der Zukunft. Steigt der Aktienkurs, sinken die Zinsen oder wird das Wachstum zulegen? Kein Plan! Wir sind lediglich genauste Beobachter der Szenerie und drum maximal in der Lage, nur meist eben im Nachhinein zu beschreiben, was geschah und wieso es nicht so kam, wie wir vermuteten, das aber stets adrett. Aber was geschehen wird? Kein Plan! Wir sind die Naiven mit Hochschulabschluss und unsere Meinungen, die wir vor allem so gern medial und möglichst prominent kundtun, sind nichts anderes als Wetten. Wetten dass? In den USA sind die Analysten wenigstens nur scheinehrlich, indem sie ihre Einschätzungen als «bet», sprich Wette deklarieren. Hierzulande aber gibt es tatsächlich noch Leute, die ihre Prognosequalitäten hochhalten. Doch werden wir konkret, es geht hier nicht mehr um das naive Tagesgeschäft des «up and downs» der Märkte, sondern um die alles entscheidende Frage: Wird Putin den roten Knopf drücken? Schwarz oder Rot also, fifty-fifty. Wir bewegen uns nun in Neuland.

Aktion nicht Reaktion
Dabei lieferte meine Zunft gewisse Anhaltspunkte, würde sie die Spieltheorie, ein Nebenfach im VWLStudium und sehr mathematiknah, bemühen. Putin pusht in Richtung eines Leader-Follower-Gleichgewichts, denn er machte den ersten Zug. Der Westen reagierte seither (nur). Nun müsste der aber nicht nur nachziehen, denn Swift und Co. mögen bald einmal sehr weh tun, aber sie erzeugen keine unmittelbare Wirkung. Putin ist in Zugzwang zu setzen, dass er nicht mehr der ist, welcher mit seinem nächsten Zug wiederum nur Reaktionen hervorruft. Man darf nicht so weit gehen, ihm ein weiteres Scheibchen der Ukraine zuzugestehen und dann zu verhandeln, denn diese Strategie hat seinerzeit zur kompletten Annektierung der Krim geführt. Weil der Westen der Follower war. Putin schafft nun wieder Tatsachen, der Westen aber nur Eventualitäten und das ist mit Sicherheit die falsche Strategie. Schon klar, dass man auf keinen Fall Eskalationen provozieren möchte, aber haben wir die nicht schon? Was muss noch passieren, dass der Westen reagiert? Ein Angriff auf Polen, das Baltikum oder gar Finnland? Heute unmöglich, aber bald vielleicht doch eher möglich als man meint. Es geht um mehr als die Ukraine, es geht um den tollen Westen gegen den wilden Osten. Ersterer sollte endlich mal vor- und nicht nachlegen. Wie könnte ein solcher Schachzug aussehen? Die Ukraine müsste per sofort in die EU aufgenommen werden. Führung statt Rührung Frau von der Leyen! Alle hatten sie schön gelb-blaue Fähnchen im Europaparlament. Toll, ein wahrlich starkes Zeichen! Nur wird das nicht genügen. Die Warmduscher in Brüssel machen die Ukraine zum Opfer.

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