ETH-Forschende arbeiten an kostengünstigen Sauerstoff-Konzentratoren

ETH-Forschende arbeiten an kostengünstigen Sauerstoff-Konzentratoren
Herzstück des "Home made" Sauerstoff-​Konzentrators: Die weissen Behälter enthalten den Zeolith, der schwarze Behälter speichert den Sauerstoff. Die Kästchen rechts davon sind Magnetschaltventile. (Bild: Julian Koch / ETH Zürich)

Zürich – Weil das Sars-​CoV-2-Coronavirus die Lunge angreift, brauchen an Covid-​19 erkrankte Personen Luft, die mit Sauerstoff angereichert ist. Mit neuen Ideen und Prototypen für Sauerstoff-​Konzentratoren möchten Forschende der ETH Zürich einen weltweiten Sauerstoff-​Engpass vermeiden, der der Menschheit aufgrund der Pandemie droht.

Das neue Virus erobert die Welt. Je mehr Menschen sich mit dem Coronavirus anstecken, desto mehr wird es auch Fälle mit schwerem Krankheitsverlauf geben. Bei diesen dringt das Virus bis in die unteren Atemwege vor, was das körpereigene Abwehrsystem dazu bringt, das befallene Lungengewebe anzugreifen. Die Patientinnen und Patienten leiden an Atemnot.

«Wenn die Hälfte der Lungenoberfläche beschädigt ist, braucht es doppelt so viel Sauerstoff in der Atemluft, damit der Körper ausreichend mit Sauerstoff versorgt ist», sagt Wendelin Stark, Professor am Institut für Chemie-​ und Bioingenieurwissenschaften und Leiter des Functional Materials Lab der ETH Zürich. Weil es gegen Covid-​19 noch keine wirksamen Medikamente gibt, müssen die Betroffenen die Erkrankung möglichst überstehen, bis die Symptome nach zwei bis drei Wochen wieder abflauen. «Mit Sauerstoff lässt sich Zeit kaufen», sagt Stark.

Weiterer Engpass neben den Masken
Dass bei den Masken und Beatmungsgeräten eine zunehmende Knappheit herrscht, zeichnet sich schon klar ab. Doch Stark befürchtet, dass sich mit der raschen Verbreitung des Virus ein weiterer Engpass ergibt: «Eine rigorose Analyse zeigt, dass es mehr Geräte braucht, die Sauerstoff anreichern können. Vor allem auch in Ländern mit tiefem Einkommen, etwa im Nahen Osten oder in Afrika, wo nur wenige intensivmedizinische Behandlungsplätze verfügbar sind.»

Die ETH-​Forschenden verfolgen dabei zwei verschiedene Strategien. Auf der einen Seite setzen Samuel Hess und Elia Schneider, die beide bei Stark doktoriert hatten, auf eine neuartige Membrantechnologie. Damit können sie unterschiedlich grosse Moleküle voneinander trennen. «Die Porengrösse unserer Membran lässt sich präzise einstellen, das macht unsere Plattformtechnologie vielseitig anwendbar», sagt Hess. Unisieve AG, das ETH Spin-​off, mit dem Hess und Schneider die Membrantechnologie kommerzialisieren, verfügt bereits über eine Membran, die Sauerstoff von Stickstoff trennt. Nun verarbeitet das Unisieve-​Team diese Membran zu Kartuschen, die mittels Druckluft Sauerstoff anreichern können.

Auf der anderen Seite konzipieren Stark und sein Team als Antwort auf die Pandemie möglichst einfache und kostengünstige Sauerstoff-​Konzentratoren. «Es motiviert uns, dass wir als Ingenieure einen Beitrag zur Verbesserung der Situation beisteuern können», sagt Stark. «Wir haben schon mehrere Prototypen erstellt, die wir aktuell ausbauen und verbessern», ergänzt Robert Grass, Starks Ko-​Pilot in diesem Projekt. «Auf der Projektwebseite veröffentlichen wir unsere Baupläne und Videos mit dem Ziel, dass die Sauerstoff-​Konzentratoren an einem fast beliebigen Ort der Welt nachgebaut werden können – und zwar mit Materialien, die überall zur Verfügung stehen.»

Zu Laboren umfunktionierte Hobbyräume
Wie die kommerziell vertriebenen Geräte enthalten auch die Prototypen von Stark und seinem Team Kolonnen, die mit einem Material namens Lithium-​X-Zeolith gefüllt sind. Es hat sehr kleine Poren und eine spezielle chemische Struktur, so dass die Sauerstoffmoleküle in der Luft hindurch kommen, die Stickstoffmoleküle aber festgehalten werden. Es genügt also, pulsweise Luft durch die Kolonne zu pressen, um den Sauerstoff im Gasgemisch anzureichern.

Das Problem ist, dass Lithium-​​X-​Zeolith teuer ist – und nur von hochspezialisierten Firmen angeboten wird. Stark und sein Team haben deshalb – daheim in ihren zu vorübergehenden Forschungslaboren umfunktionierten Hobbyräumen – aus einem Trocknungsmittel und Lithium-​​Batterien das mikroporöse Material selbst hergestellt. Aus drei guten Laptop-​​Batterien lässt sich genügend Lithium für eine Patientenstation gewinnen, haben Stark und seine Mitarbeitenden berechnet.

Lokale Lösungen
Wer selber Atemgeräte bauen kann, ist nicht auf weltweite Lieferketten angewiesen, auf die in Zeiten der Corona-​​Krise weniger Verlass ist als sonst. Stark setzt deshalb auf lokale Lösungen: «In einkommensschwachen Ländern gibt es eine ausgeprägte Bastel-​​ und Werkstattkultur – und viele geschickte und gescheite Leute. Ich bin zuversichtlich, dass sie mit unseren Anweisungen auch an abgelegenen Orten dezentral Sauerstoff herstellen können.» (ETH/mc/pg)

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