Hör mal, wer da forscht

Hör mal, wer da forscht
Der Podcast "Medien der Genauigkeit" bietet allen Interessierten Einblick in die Forschung. (Bild: Universität Basel)

Basel – Was ist Genauigkeit? Gibt es mehr als eine? Und welche Rolle spielt Genauigkeit in den Geisteswissenschaften? Diesen Fragen widmet sich das SNF-Sinergia Projekt «Medien der Genauigkeit». Eine Auswahl der Erkenntnisse ist nun als Podcast verfügbar. Antonia von Schöning und Mario Wimmer von der Universität Basel haben das Projekt koordiniert und berichten von den Herausforderungen und Chancen einer solchen Produktion.

Wie lassen sich die Erkenntnisse eines vierjährigen Forschungsprojekts einem grösseren Publikum zugänglich machen, wenn eine Pandemie die übliche Abschlusskonferenz vereitelt? Mit dieser Frage waren die Forschenden des interdisziplinären Projekts «Medien der Genauigkeit» konfrontiert. Die Option Online-Konferenz war schnell vom Tisch, wie Mario Wimmer erklärt. «Was wir an Konferenzen schätzen – den informellen Austausch untereinander –, lässt sich online nicht ersetzen», so der Historiker und Medienwissenschaftler. Somit sei die Idee, gemeinsam einen Podcast zu produzieren, konkret geworden.

Diese Form war für manche der Wissenschaftler neu. «Wir sind Schriftlichkeit eher gewohnt», erklärt Antonia von Schöning, Kultur- und Medienwissenschaftlerin. Ihre Forschungsergebnisse im Gespräch vorzustellen, war daher eine Herausforderung. «Das erfordert sprachliche Genauigkeit und Klarheit. Gleichzeitig kann man viel weniger lang an einer Formulierung arbeiten und korrigieren als bei einem Aufsatz.» Oder am Skript für einen Vortrag auf einer Fachtagung.

Raus aus dem Elfenbeinturm
Kommt hinzu: Durch das Format Podcast kann jeder zuhören, der sich für das Thema interessiert – auch wenn er nicht «vom Fach» ist. Der Journalist und Radioreporter Christoph Keller übernimmt in den Gesprächen die Rolle des interessierten Laien. «Seine Fragen haben uns gezwungen, verständlich zu sein in unseren Ausführungen», so von Schöning. Und zwar nicht nur für ein Publikum innerhalb der akademischen Fachwelt, sondern für alle Interessierten. Dass jemand, der nicht in das Projekt involviert war, Fragen stellt, bezeichnen die Forschenden als «Riesengewinn». Diese Aussenperspektive verändere die Dynamik, wie man über ein Thema spricht. «Das ist erfrischend und motivierend», finden von Schöning und Wimmer.

Mit Fragen wie «Wie hast du es im Alltag mit der Genauigkeit?» fordert Keller sein Gegenüber auf, den persönlichen Zugang zum bearbeiteten Thema zu formulieren. Und er fordert sie auf, Dinge anhand von Geschichten zu veranschaulichen. «Dieses Anekdotische und Konkrete hat mir geholfen, mir über die Aktualität meiner Forschung klar zu werden: Warum mache ich das? Und warum mache ich es gerade jetzt?», so Antonia von Schöning. Das sei spannend gewesen und auch hilfreich für das Scharfstellen der eigenen Forschungsfragen.

Genauigkeit – wie geht das?
Die Thematik der Genauigkeit eignet sich nach Ansicht von Antonia von Schöning und Mario Wimmer, die das Projekt gemeinsam koordinierten, gut für die Aufbereitung als Podcast. «Genauigkeit ist für die Geisteswissenschaften das, was für die Naturwissenschaften die Objektivität ist», so eine der Ausgangsthesen des Projekts. In den Gesprächen zwischen den Forschenden und Christoph Keller stellt sich immer wieder die Frage, wie Wissenschaft entsteht – es zählen nicht nur die Resultate. «Es geht dabei auch um die Praktiken, mit denen Genauigkeit hergestellt wird», sagt Antonia von Schöning. «Wir sprechen darüber, wie wir arbeiten, und sprechen über das Material, das wir erforschen.»

Lehren für künftige Veranstaltungen
Als Plus stellte sich der Umstand heraus, dass die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Fachrichtungen kommen (vgl. Box unten). «Interdisziplinäres Arbeiten beinhaltet immer eine Übersetzungsleistung», weiss Mario Wimmer. «Was für einen selber selbstverständlich ist, muss man den Forschenden aus einem anderen Bereich erläutern. Für die Podcast-Produktion war das sicher von Vorteil: Wir hatten schon Übung im Vermitteln.»

Obschon Neuland: Die Produktion sei «überraschend reibungs- und problemlos» vonstattengegangen. Und: «Es hat Spass gemacht und es ist toll, ein solches Endprodukt zu haben», sagt Antonia von Schöning. Auch wenn es schon «ein bisschen peinlich» sei, die eigene Stimme zu hören, wie sie augenzwinkernd gesteht.

Die gesammelten Erfahrungen liessen sich bei der Konzeption künftiger Live-Veranstaltungen nutzen: «Dass jemand von ausserhalb der Forschungswelt Fragen stellt, ist auch im Rahmen eines Podiums denkbar», so Mario Wimmer. An der ersten Tagung des Projekts probierten sie entsprechende Formate bereits aus.

Podcasts haben Potenzial für die Forschung
Der Podcast kann Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit sein. Einerseits können Forschende ihre Erkenntnisse einem breiteren Publikum zugänglich machen, andererseits bieten Podcasts einen Anknüpfungspunkt für neue Forschung. Antonia von Schöning hört seit Kurzem Podcasts auch im Rahmen ihrer Recherche- und Forschungsarbeit. «Sie sind zugleich zugänglich und seriös und können sicher zukünftig noch viel mehr auch als Quelle und Anregung im akademischen Kontext genutzt werden», ist sie überzeugt.

Der Hörerschaft von «Medien der Genauigkeit» wollen Antonia von Schöning und Mario Wimmer mit auf den Weg geben: «Keine der Folgen ist ein abschliessendes Statement. Sie sollen vielmehr dazu anregen, weiterzudenken. Als Anfangspunkt für eine Diskussion.» (Universität Basel/mc/ps)

Das Projekt hinter dem Podcast
Das interdisziplinäre Forschungsprojekt «Medien der Genauigkeit» unter der Leitung von Markus Krajewski, Monika Dommann, Alexander Honold und Ralph Ubl widmet sich der Genauigkeit jenseits der Natur- und Ingenieurswissenschaften und umfasst vier Forschungsteile: Bild, Schrift, Zahl und Kulturtechnik.

Beteiligt sind Forschende aus den Disziplinen Geschichte, Kunstgeschichte, Literaturwissenschaften und Medienwissenschaften der Universitäten Basel und Zürich. Das Projekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt.

Der Podcast beleuchtet in insgesamt 16 Folgen die verschiedenen Teilprojekte und ermöglicht an «Roundtables» das Gespräch über verschiedene Aspekte der Genauigkeit.

Mehr zum Projekt: Medien der Genauigkeit

Der Podcast ist kostenlos überall dort zu finden, wo es Podcasts gibt, z.B. bei Spotify.

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