Im Fokus: Christapor Yacoubian fragt sich, ob Pflegeroboter und Chatbots das geltende Haftungsrecht überfordern

Im Fokus: Christapor Yacoubian fragt sich, ob Pflegeroboter und Chatbots das geltende Haftungsrecht überfordern
Christapor Yacoubian untersucht in seiner Doktorarbeit, wie die Haftbarkeit geregelt ist, wenn digitale Systeme nicht wunschgemäss funktionieren. (Foto: Universität Basel/Eleni Kougionis)

Basel – Wie ist die Verantwortlichkeit geregelt, wenn die Technik versagt? Christapor Yacoubian forscht an Haftungsfragen beim Einsatz von Robotern und Softwareagenten. Der Doktorand hat schon einige Preise für seine Leistungen im Studium eingeheimst, obwohl er ursprünglich gar nicht Jurist werden wollte.

Ein Sprachstudium stand nach der Matura zuoberst auf der Liste möglicher Studienrichtungen. Christapor Yacoubian hat ein Flair für Sprachen: Neben seinen Muttersprachen Deutsch und Armenisch spricht er Englisch, Französisch und Spanisch. Also erwog er, Französisch und Geschichte an der Universität Zürich zu studieren und Lehrer zu werden. «Ich hatte zum Glück immer tolle Lehrerinnen und Lehrer und wollte darum selbst einer werden», sagt der Schaffhauser.

Es kam anders. Basel statt Zürich, Jurisprudenz statt «Phil eins». Zürich, wo viele seiner Freunde studierten, war ihm zu nah. Yacoubian wollte «raus aus der Ostschweiz» und entschied sich für Basel. Er fühle sich wohl hier, wo etwas mehr los sei als in seiner Heimatstadt. Immerhin sei er dem Rhein treu geblieben, gibt er mit einem Schmunzeln zu bedenken. Obwohl Rhein nicht gleich Rhein sei: «In Schaffhausen schwimmen wir nicht nur im Fluss, wir lassen uns auch gerne im Schlauchboot abwärts treiben. Es gibt wenig Entspannenderes an einem heissen Sommertag.»

Die Entscheidung fürs Jus-Studium bezeichnet er als Zufall: Die Infoveranstaltung der Romanistik sagte ihm nicht so zu wie erhofft, also schaute er noch bei den Juristen vorbei. Er hatte zwar das Schulfach Wirtschaft und Recht, hatte aber nur eine geringe Vorstellung davon, was das Jus-Studium tatsächlich beinhaltet. «Mein Entschluss war letztlich sehr intuitiv und recht spontan», findet er. Bereut hat er seine Wahl jedoch nicht – im Gegenteil.

Trocken? Eher facettenreich und komplex.
Dass ihm die Materie liegt, unterstreicht der Blick auf Christapor Yacoubians bisherige Leistungen: Preis für den besten Bachelorabschluss, Preis für den besten Masterabschluss. Ist er ehrgeizig? «Eigentlich gar nicht so sehr. Aber ich bin diszipliniert und zielstrebig. Ohne das geht es in diesem Studium nicht.» Als Erstes habe er lernen müssen, richtig zu lernen. Zugute kommt ihm, dass er gut memorisieren kann und Zusammenhänge rasch erkennt. Sein Fazit: «Ich habe für mich den richtigen Weg gefunden.»

Trocken findet er Jus überhaupt nicht. «Wenn ein Fall beurteilt werden soll, gibt es selten schwarz oder weiss. Was wir als richtig erachten, ist mitunter geprägt von unseren Wertvorstellungen und diese sind letztlich auch subjektiv», so Yacoubian. Es gehe daher oft nicht um richtig oder falsch, sondern vielmehr um die Vertretbarkeit eines juristischen Urteils. «Es ist ein Irrglaube, dass ein Blick ins Gesetzbuch immer eine klare Antwort gibt. Die Studierenden überrascht das vor allem in den ersten Semestern», sagt der Doktorand, der als wissenschaftlicher Assistent auch Tutorate leitet.

Was, wenn der Pflegeroboter Schaden verursacht?
Wertungsfragen spielen auch in Christapor Yacoubians Dissertation eine Rolle. Er widmet sich der Frage nach der Verantwortlichkeit, wenn ein digitales System versagt. Ärztliche Diagnosestellung gestützt auf eine Software, Warenzustellung mittels einer Drohne oder Vermögensverwaltung durch Künstliche Intelligenz: Kommen zunehmend komplexere oder gar autonome Systeme für die Vertragserfüllung zum Einsatz, werden Schadensszenarien immer wahrscheinlicher, bei denen die Technik nicht wunschgemässe Dienste leistet. Man denke etwa an einen Pflegeroboter, der im Altersheim mit einer betagten Patientin kollidiert, oder an den von einer Versicherung eingesetzten Chatbot, der eine falsche Auskunft erteilt. Dann gilt es zu klären, unter welchen Voraussetzungen der Vertragsschuldner, der die Erfüllung seiner Aufgaben an digitale Systeme delegiert, im Schadensfall zur Verantwortung gezogen werden kann.

Yacoubian will herausfinden, ob unser geltendes Recht angesichts dieser digitalen Entwicklungen bei Haftungsfragen an seine Grenzen stösst und ob der Gesetzgeber intervenieren muss. Bezogen auf die obigen Beispiele hält der Jurist fest: «Gemäss Obligationenrecht haftet der Vertragsschuldner für die von ihm eingesetzten Hilfspersonen. So hat beispielsweise das Altersheim für das Fehlverhalten seiner Pflegefachkräfte einzustehen. Werden im digitalen Zeitalter jedoch anstelle der menschlichen Akteure Roboter oder Softwareagenten eingesetzt, ist zu überlegen, ob die sogenannte Hilfspersonenhaftung nicht auch sinngemäss auf die digitalen Akteure angewandt werden müsste.»

«Nur weil das Gesetz älter ist als eine bestimmte Technologie, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass es keine angemessenen Antworten auf aktuelle Fragestellungen liefert.»

Christapor Yacoubian

Oder wie liesse es sich der Patientin erklären, dass das Altersheim zwar für den von seinen Pflegefachkräften verursachten Schaden einzustehen hat, jedoch unter Umständen nicht für denselben Schaden, den sein Pflegeroboter herbeigeführt hat?

Gerade die Frage nach der Zurechenbarkeit von Schäden wird in Anbetracht neuer technischer Entwicklungen seit jeher immer wieder diskutiert. «Unsere Rechtsordnung ist technikneutral. Nur weil das Gesetz älter ist als eine bestimmte Technologie, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass es keine angemessenen Antworten auf aktuelle Fragestellungen liefert. Bevor also neue Gesetze verabschiedet werden, sollte man eingehend prüfen, ob sich nicht bereits das geltende Recht auf die neuartigen Gegebenheiten adaptieren liesse», findet Yacoubian.

Zwischen Schreibstube und Streetfood-Festivals
Seit März ist er für ein halbes Jahr in Berlin. Dort ermöglichen ihm ein Mobilitätsstipendium der Universität Basel sowie ein Research Fellowship am Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft an der Humboldt-Universität, dass er sich vollends auf die Schreibarbeit seiner Doktorarbeit konzentrieren kann – ohne andere Verpflichtungen. Ist die Ablenkung einer neuen Umgebung nicht zu gross? Der Doktorand winkt ab: «Ich habe ein gutes Gleichgewicht gefunden und setze mich unter der Woche konsequent jeden Tag an die Arbeit.»

Aber auch wenn er in erster Linie der Forschung wegen dort ist, kommt das Erleben der Stadt nicht zu kurz. «Berlin hat unheimlich viel zu bieten», sagt Yacoubian. Er entdeckt und schätzt das vielfältige kulturelle und kulinarische Angebot: Neben den diversen Streetfood-Festivals und Märkten besucht er zahlreiche Museen, Theateraufführungen sowie Konzerte. Die wärmeren Temperaturen geniesst der Jurist am liebsten im Freien, in den Parks oder an einem der Seen. «Dort verbringe ich nach Feierabend oder am Wochenende sehr gerne Zeit und komme auch bei einem guten Buch zur Ruhe. Langweilig wird es mir in Berlin jedenfalls nicht.»

Frische Luft schnuppern
Nach dem Abschluss seiner Dissertation will Yacoubian das Anwaltspatent erwerben: «Ich möchte mir gerne verschiedene Wege offenhalten, weil ich noch nicht sicher weiss, wohin ich mich letztlich bewegen will.» Er freut sich darauf, verschiedene Praktika zu absolvieren und dabei Einblick in die vielseitige juristische Tätigkeit an den Gerichten und in einer Anwaltskanzlei zu erhalten. Gleichwohl gibt er bereits zu erkennen, dass er den akademischen Weg nach seinem Doktorat weiter beschreiten möchte. (Universität Basel/mc/ps)

Im Fokus: die Sommerserie der Universität Basel
Das Format Im Fokus rückt junge Forschende in den Mittelpunkt, die zum internationalen Renommee der Universität beitragen. In den kommenden Wochen stellen wir Akademiker*innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen vor, die stellvertretend für die über 3000 Doktorierenden und Postdocs der Universität Basel stehen.

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