Schädlinge mit Biodiversität statt Insektiziden bekämpfen

Schädlinge mit Biodiversität statt Insektiziden bekämpfen
Flohkäfer befallen eine Arabidopsis thaliana und hinterlassen Schäden an der Pflanze. (Bild: UZH)

Zürich – Nicht immer braucht es Pestizide: Forschende der Universität Zürich zeigen in einer umfangreichen Feldstudie, dass die Biodiversität innerhalb einer Pflanzenart zur Schädlingsbekämpfung genutzt werden kann. Denn Arten mit verschiedenen Genotypen arbeiten zusammen, um die Angriffe von pflanzenfressenden Insekten abzuwehren.

Pflanzen interagieren mit den Individuen, die sie umgeben – genauso wie Menschen. Sind beispielsweise Personen im Umfeld anfällig für Infektionen, steigt das eigene Risiko sich anzustecken. Sind sie jedoch resistent, sinkt es. Das Gleiche gilt für Pflanzen: Wenn verschiedene genetische Typen derselben Art zusammen angepflanzt werden, sind gewisse Kombinationen resistenter gegen Schädlinge und Krankheiten. Dieser positive Effekt auf die biologische Vielfalt wird als assoziative Resistenz bezeichnet.

Nahrungssicherheit und Schutz der Artenvielfalt
Eine der Herausforderungen moderner Gesellschaften ist es, die Nahrungssicherheit mit dem Umweltschutz und der biologischen Vielfalt in Einklang zu bringen. Schädlinge und Krankheiten bedrohen die Ernten, weshalb in der Landwirtschaft chemische Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Pestizide können jedoch die Vielfalt der Insektenarten verringern. «Hier könnte die assoziative Resistenz als Anbaumethode, um die Nahrungsmittelproduktion zu sichern und gleichzeitig die Artenvielfalt zu erhalten, Abhilfe schaffen», sagt Kentaro Shimizu, Direktor des Instituts für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich (UZH).

Doch welche Kombinationen von Pflanzen mit unterschiedlichen Genotypen – den individuellen genetischen Ausstattungen – sollten in Mischbeständen gepflanzt werden, um Schädlinge und Krankheiten abzuwehren? Will man beispielsweise zwei aus insgesamt 199 Genotypen auswählen, gibt es 19’701 mögliche Kombinationen. UZH-Forschende haben nun mit Hilfe eines physikalischen Modells eine neue Methode entwickelt, um mögliche Interaktionen zwischen Individuen auf genetischer Ebene vorhersagen zu können.

Ausgedehnte Feldarbeit auf dem Campus Irchel
ie Forschenden führten zwei Jahre lang gross angelegte Versuche auf dem Campus Irchel der UZH sowie in Japan durch. Für die 199 weltweit gesammelten Genotypen der Pflanze Arabidopsis thaliana lagen bereits die Genomsequenzen vor. Die Forschenden mischten nach dem Zufallsprinzip mehr als 30 Individuen von jedem der 199 Genotypen und pflanzten insgesamt 6’400 Individuen an. «Um 52’707 Insekten auf 6’400 Pflanzen zu zählen, verbrachte der leitende Forscher Yasuhiro Sato die Sommermonate im Forschungsgarten auf dem Irchel. Sein immenser Datensatz, der dank des Forschungsgartens der Universität auf dem Campus Irchel gesammelt werden konnte, war der Schlüssel zu dieser Studie», sagt UZH-Professor Shimizu.

Bisher gab es keine Analysemethoden, um die Wechselwirkungen auf Stufe des Genoms – der gesamten Erbinformation – zwischen benachbarten Pflanzenindividuen zu untersuchen. Das Team um Dr. Sato entwickelte deshalb ein neues Computerverfahren: eine genomweite Assoziationsstudie namens «Neighbor GWAS». Diese basiert auf einem Modell der Physik, das zur Analyse von Wechselwirkungen zwischen Magneten verwendet wird. Das Team analysierte damit, wie der Schädlingsbefall durch die Kombination von nebeneinanderstehenden Individuen mit unterschiedlichem Genotyp beeinflusst wird. Parallel dazu berücksichtigten die Forschenden die Ergebnisse der Feldversuche.

Schädlingsreduktion von bis zu 25 Prozent
Die Analyse zeigte, dass zahlreiche Gene an den Interaktionen mit den umliegenden Individuen beteiligt sind. Mithilfe maschinellen Lernens konnten die Pflanzenwissenschaftler mit dem Modell die Schäden von Pflanzenfressern voraussagen und vorteilhafte Kombinationen von Genotyp-Paaren identifizieren, die über eine assoziierte Resistenz verfügen.

Während zwei Jahren wurde ein weiterer gross angelegter Feldversuch durchgeführt und rund 2’000 Pflanzenindividuen paarweise mit jenen Genotypen angepflanzt, für die drei Stufen der assoziativen Resistenz vorhergesagt wurden. Die Resultate aus dem Feldversuch zeigten, dass – im Vergleich zur Anpflanzung eines einzelnen Genotyps – die Mischung von zwei Genotypen die Schäden durch Pflanzenfresser bei der höchsten bzw. zweithöchsten Stufe assoziativer Resistenz um 24,8 Prozent bzw. 22,7 Prozent verringerte.

Künftige Entwicklungen
«Diese Studie ist ein Meilenstein in der Erforschung der Wechselwirkungen zwischen Pflanzenindividuen. Sie zeigt, wie wichtig Biodiversität ist: Erstens kann die genetische Vielfalt der Kulturpflanzen selbst den Schädlingsbefall reduzieren. Zweitens tragen weniger Pestizide in der Landwirtschaft dazu bei, die biologische Vielfalt einschliesslich der Insekten zu erhalten», fasst Kentaro Shimizu zusammen.

Metastudien, bei denen Bernhard Schmid beteiligt war, zeigen, dass etwa bei Weizen und Reis zwischen 4 bis 16 Prozent höhere Erträge erzielt werden, wenn Genotypen zufällig gemischt werden. Gemäss Shimizu könnte die neue Methode dank der Genominformationen, die bei diesen Kulturarten verfügbar sind, durch Vorhersagen von assoziierten Resistenzen die Auswahl von Genotypmischungen optimieren und somit die Erträge dieser landwirtschaftlich wichtigen Pflanzenarten sogar noch weiter erhöhen, unter gleichzeitiger Reduktion des Pestizideinsatzes.

Das Projekt wurde vom Universitären Forschungsschwerpunkt «Globaler Wandel und Biodiversität» der UZH, dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Japan Science and Technology Agency in Zusammenarbeit mit der Ryukoku University, der Hokkaido University, der Keio University und der Yokohama City University in Japan unterstützt. (Universität Zürich(mc/ps)

Literatur
Yasuhiro Sato, Rie Shimizu-Inatsugi, Kazuya Takeda, Bernhard Schmid, Atsushi J. Nagano, Kentaro K. Shimizu. Reducing herbivory in mixed planting by genomic prediction of neighbor effects in the field. 30 September 2024. Nature Communications. doi: https://doi.org/10.1038/s41467-024-52374-7

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