Ständerat setzt erste Marke beim Ausbau der erneuerbaren Energien

Ständerat setzt erste Marke beim Ausbau der erneuerbaren Energien
Die grösste alpine Solaranlage der Schweiz: AlpinSolar. (Bild: Axpo)

Bern – Schnellerer Zubau von Wasserkraft-, Solar- und Windanlagen sowie höhere Effizienzziele: Der Ständerat hat im sogenannten Mantelerlass wichtige energiepolitische Pflöcke eingeschlagen. Wie die Energiewende genau umgesetzt werden soll, bleibt zumindest teilweise offen.

Während viele Entscheide im Bundeshaus in den vergangenen Wochen insbesondere vor dem Hintergrund der drohenden Energie- und Stromknappheit in den kommenden zwei Wintern getroffen wurden, ging es beim Mantelerlass um die mittel- und langfristige Ausrichtung der schweizerischen Energiepolitik. Die Vorlage soll die vom Stimmvolk im Jahr 2017 angenommene Energiestrategie weiterführen.

Fast zwölf Stunden lang – verteilt über zwei Sitzungstage – diskutierte der Ständerat über das Bundesgesetz über die sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien. Unter dem Eindruck der aktuellen Krisensituation stellte er mit der Vorlage die Weichen für eine raschere Energiewende.

«Ziele sollen am Schluss funktionieren»
Gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag des Bundesrats erhöhte die kleine Kammer die Zielwerte für den Ausbau der Wasserkraft und der anderen erneuerbaren Energien deutlich. Auch der durchschnittliche Energieverbrauch pro Person und Jahr ist gegenüber dem Stand im Jahr 2000 bis zum Jahr 2035 um 43 Prozent und bis zum Jahr 2050 um 53 Prozent zu senken.

Zur Stärkung der Versorgungssicherheit im Winter sollen Massnahmen der Energieeffizienz umgesetzt werden, welche bis spätestens 2035 zu einer Reduktion des Stromverbrauchs um zwei Terawattstunden führen. Zum Vergleich: 2021 wurden in der Schweiz gut 58 Terawattstunden Strom verbraucht. Energieministerin Simonetta Sommaruga bezeichnete die im Gesetz verankerten Marken als «ehrgeizige, gar fantastische Ziele, die am Schluss aber auch funktionieren sollen».

Tatsächlich blieb der Ständerat bei der ersten Beratung der richtungsweisenden Vorlage zurückhaltend, wenn es um konkrete Massnahmen ging. So wurde beispielsweise darüber gestritten, ob die Kantone heute genug zu den Energiesparzielen beitragen.

Kein Verbot von Elektroheizungen
Ja, befand eine knappe Mehrheit im Ständerat. Deshalb müssen die Kantone künftig keine neuen Regeln im Gebäudebereich durchsetzen. Von der vorberatenden Energiekommission vorgeschlagene Effizienzmassnahmen – etwa die obligatorische Sanierung von Elektroheizungen oder die Installation von intelligenten Heizungssteuerungen – wurden abgelehnt. Die Basismassnahmen im geltenden Recht reichten, sagte Jakob Stark (SVP/TG).

Gemäss Zahlen des Bundes könnten mit dem Ersatz aller Elektroheizungen zwei Terawattstunden Strom eingespart werden. Die Kosten für Wohnungseigentümer amortisierten sich innerhalb weniger Jahre, gab die Energieministerin zu bedenken. «Es gibt hier ein bedeutendes Sparpotenzial ohne jegliche Komforteinbusse.»

Der Beschluss gegen zusätzliche Pflichten für die Kantone fiel mit 23 zu 19 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Ruedi Noser (FDP/ZH) zeigte sich im Anschluss enttäuscht: «Ich weiss nicht, ob der Rat weiss, was wir hier eigentlich entscheiden.» So könne diese Energiekrise nicht gemeistert werden.

«Es fehlt noch die Balance»
Das vom Ständerat in der Gesamtabstimmung am Donnerstag deutlich gutgeheissene Energie- und Stromversorgungsgesetz geht in vielen Punkten zwar weiter, als es der Bundesrat ursprünglich geplant hatte. In der Debatte manifestierte sich aber mehrmals das Dilemma zwischen Stromversorgungssicherheit und Umweltschutz.

Einerseits wollte die kleine Kammer nichts davon wissen, dass die Erfüllung der Ausbauziele generell Vorrang gegenüber dem Umweltrecht geniessen soll. Andererseits beschloss sie, dass in Biotopen von nationaler Bedeutung neue Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien erstellt werden können.

Energieministerin Simonetta Sommaruga betonte während der Marathondebatte mehrmals, dass die ehrgeizigen Ausbauziele nur erreicht werden könnten, wenn sich alle bewegten. «Es braucht eine gewisse Flexibilität beim Umweltschutz.» Gleichzeitig liess sie durchblicken, dass sie bei der Vorlage noch grosses Verbesserungspotenzial sehe. «Es fehlt noch die Balance.»

15 Wasserkraftprojekte priorisieren
Durchgesetzt hat sich Sommarugas Umweltdepartement bei der sogenannten Winterreserve. Zur Stärkung der Versorgungssicherheit im Winter soll per 2040 ein Zubau von Kraftwerken zur Erzeugung von erneuerbarer Energie von mindestens sechs Terawattstunden realisiert und unterstützt werden. Für die Umsetzung von 15 von einem Runden Tisch bereits definierten Wasserkraftvorhaben soll das nationale Interesse an der Realisierung dieser Anlagen anderen nationalen Interessen grundsätzlich vorgehen.

Kritiker warfen ein, dass es noch lange dauern dürfte, bis ein Grossteil dieser Projekte tatsächlich realisiert sei. Zudem genüge die Produktionsmenge dieser Projekte nicht, um die drohende Energielücke zu stopfen. Die Liste schliesse weitere Projekte nicht aus, gab Energieministerin Sommaruga zu bedenken.

Die Vorlage geht nun an den Nationalrat. Bereits heute ist absehbar, dass dereinst die Stimmbevölkerung das letzte Wort zur Thematik haben dürfte. (awp/mc/ps)

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