Vanguard: EZB vor Zinspause – Wachstums- und Inflationsdaten stützen abwartende Haltung

Von Josefina Rodriguez, Economist bei Vanguard
Die wichtigsten Punkte im Überblick:
- Es wird allgemein erwartet, dass die EZB die Zinssätze diese Woche unverändert lässt, wobei die aktuellen Daten weitgehend mit den Juni-Prognosen des EZB-Stabs übereinstimmen. Handelskonflikte bleiben jedoch ein wesentliches Abwärtsrisiko.
- Wir erwarten nur geringe Änderungen in der Kommunikation. Der EZB-Rat dürfte seine datenabhängige Haltung bekräftigen, während Präsidentin Lagarde voraussichtlich betonen wird, dass die Geldpolitik „an einem guten Punkt“ sei, die EZB jedoch bereit bleibe, auf Veränderungen im Ausblick zu reagieren.
- Wir rechnen weiterhin mit einer weiteren Zinssenkung im September, gestützt durch schwächeres Wachstum im kurzfristigen Horizont und gedämpften Inflationsdruck.
- Die Risiken sind in Richtung eines lockereren geldpolitischen Kurses verschoben, insbesondere im Fall einer Unterschreitung der Inflation oder bei weiterer Eskalation der Handelskonflikte.
Wachstumsausblick:
Das BIP für das erste Quartal wurde auf 0,6 % nach oben korrigiert (gegenüber 0,3 % in den JuniPrognosen), was hauptsächlich auf Irland und vorgezogene Handelsaktivitäten zurückzuführen ist. Für das zweite Quartal erwarten wir eine Stagnation, sodass das Wachstum im ersten Halbjahr weitgehend den Prognosen der EZB entsprechen dürfte. Mit Blick auf den weiteren Jahresverlauf dürfte die zunehmende Unsicherheit, insbesondere im Aussenhandel, das Wachstum belasten.
Arbeitsmarkt:
Die Arbeitslosenquote lag im Mai bei 6,3 %, nach 6,2 % im April. Wir gehen davon aus, dass sich die
Dynamik am Arbeitsmarkt angesichts des verhaltenen Wachstumsaussichten und entsprechender
Signale aus vorlaufenden Umfragen abschwächen wird. Die ausgehandelten Löhne gingen im ersten
Quartal deutlich zurück, von 4,1 % im Jahresvergleich auf 2,4 %, während die Lohnkosten pro Beschäftigten auf 3,8 % zurückgingen, was auf eine allgemeine Abschwächung des Lohndrucks hindeutet. Der Lohnindikator der EZB signalisiert eine weitere Abschwächung im weiteren Jahresverlauf.
Inflation:
Die Kerninflation blieb im Juni unverändert bei 2,3 %, während sich die breiter gefassten
Inflationsindikatoren abschwächen. Es besteht nun ein zunehmendes Risiko, dass die Inflation bis
Ende 2026 unter dem Zielwert liegt, da das Wachstum leicht unter dem Trend bleibt und das Lohnwachstum sich normalisiert hat (und voraussichtlich weiter zurückgeht). Die Stärke des Euro wird zusätzlich dämpfend auf die Warenpreise wirken.
Handelsspannungen:
Der aktuelle effektive Zollsatz auf EU-Exporte liegt bei etwa 10 %. In unserem Basisszenario gehen wir von einem Anstieg auf 15 % bis Jahresende aus, mit zusätzlichen Zöllen auf bestimmte Sektoren wie Metalle, Pharmazeutika und Halbleiter. Der Ausblick für den Aussenhandel bleibt hochgradig unsicher, mit einer grossen Bandbreite möglicher Entwicklungen für Europa. Die Gefahr eines US-
Zolls von 30 % stellt ein Abwärtsrisiko für Wachstum und Inflation dar. Während ein günstiges Handelsabkommen weitere Lockerungen verzögern könnte, würde eine Eskalation die EZB voraussichtlich zu stärkeren Zinssenkungen veranlassen als derzeit im Basisszenario angenommen.
Stimmen aus dem EZB-Rat:
Die Mehrheit der Mitglieder des EZB-Rats hat signalisiert, dass der geldpolitische Kurs derzeit angemessen sei. Chefökonom Lane und Vizepräsident de Guindos wiesen darauf hin, dass die JuniProjektionen eine weitere Zinssenkung beinhalten. Ratsmitglied Schnabel hingegen argumentierte, dass die Hürde für zusätzliche Lockerungsschritte hoch sei, und verwies dabei auf die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und die bevorstehende fiskalische Expansion in Deutschland. Diese unterschiedlichen Positionen unterstreichen die Bedeutung der kommenden Daten für die Entscheidung im September.
Über Vanguard
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