Finanzmärkte auf dem Hochseil: Fünf Thesen der St.Galler Kantonalbank für das Anlagejahr 2020

Finanzmärkte auf dem Hochseil: Fünf Thesen der St.Galler Kantonalbank für das Anlagejahr 2020
Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Das kam überraschend: nach einem scharfen Taucher Ende 2018 kannte das Börsenjahr 2019 nur eine Richtung – nach oben. Auch die Vielzahl politischer Risiken konnte den Aktienmärkten nichts anhaben. Im November erreichten viele Aktienmärkte historische Höchststände. Am Schweizer Aktienmarkt zogen die Schwergewichte die Indexstände nach oben, während die kleinen und mittleren Unternehmen zurückblieben. Die erhoffte Zinswende blieb dagegen aus.

Thomas Stucki, Chief Investment Officer der St.Galler Kantonalbank, fasst zusammen: «Die Aussicht auf sinkende Zinsen und die Hoffnung auf eine Annäherung im Handelsstreit zwischen den USA und China beflügelte die Fantasie der Anleger. Zwar zeigte sich das Konjunkturbild schwächer, aber das spielte keine Rolle.»

Während die US-Wirtschaft gut lief, erlebten sowohl China als auch Europa und die Schweiz eine Konjunkturverlangsamung. Auffallend war, dass die Schwäche aus dem Industriesektor kam. Dieser wurde durch die schwächere Investitionstätigkeit und die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China besonders belastet. Die Binnenwirtschaft zeigte sich in vielen Ländern dagegen solide, was den Abschwung abfederte und das BIP-Wachstum 2019 stützte. «Die Aussichten auf eine andauernd expansive Geldpolitik der EZB sowie Rezessionssorgen führten zu einem schwächeren Euro gegenüber dem US-Dollar und dem Franken. Einmal mehr stellte der Euro seine zyklischen Eigenschaften unter Beweis», ergänzt Caroline Hilb Paraskevopoulos, Leiterin Anlagestrategie und Analyse.

Fünf Thesen für das Anlagejahr 2020

These 1: US-Wirtschaft schrammt an einer Rezession vorbei
2020 wird es in den USA keine Rezession geben. Erstens wird die expansive US-Geldpolitik fortgeführt. Die Zinssenkungen im 2019 wirken sich positiv aus und stimulieren die Nachfrage. Zweitens wird sich die US-Binnenkonjunktur, insbesondere der Dienstleistungssektor, dank einem anhaltend guten Arbeitsmarkt und einer stabilen Konsumnachfrage positiv entwickeln. Drittens hat die aktuelle US-Regierung gar keine andere Wahl, wenn sie ihre Chancen auf eine Wiederwahl erhöhen will. Sie muss den Konjunkturmotor am Laufen halten. Eine Einigung mit China würde hier Unterstützung geben. Mit politischem Willen ist eine Annäherung möglich. Das würde dem Industriesektor helfen und das Sentiment stärken.

These 2: Die SNB sitzt in der Sackgasse
«Der SNB gehen die Handlungsoptionen aus. Bis 2022 erwarten wir keine Zinserhöhung durch die SNB – wir rechnen aber auch nicht mit einer Zinssenkung», sagt Thomas Stucki. Eine Zinssenkung würde es nur dann geben, wenn die EZB ihre Zinsen erneut stark senken oder der Franken unter starken Aufwertungsdruck kommen würde. Inzwischen dominieren die Negativzinsen das grosse Bild schon länger, ihre Wirkung auf die Wirtschaft nimmt tendenziell ab und die öffentliche Diskussion wird laufend kontroverser. Die SNB nimmt diese Diskussion in Kauf, will sie aber nicht weiter anheizen. Weil aber weder die EZB noch die Fed ihre Geldpolitik ändern und an Zinserhöhungen denken, hat die SNB keine Wahl. Die Zinsen in der Schweiz bleiben tief.

These 3: Franken erstarkt
Der Eurozone steht wirtschaftlich ein anspruchsvolles Jahr bevor. Die deutsche Industrie kämpft mit konjunkturellen und strukturellen Schwächen. Die expansive Geldpolitik der EZB wird auch im kommenden Jahr die Rahmenbedingungen setzen. Entsprechend wird der Franken immer wieder unter Aufwertungsdruck geraten. Dazu sagt Caroline Hilb: «Entscheidend ist, dass wir keinen Frankenschock in Form einer schnellen und starken Aufwertung erwarten. Wir vertrauen der SNB, dass sie notfalls mit Deviseninterventionen Herr der Lage bleibt.»

These 4: Gold ist mehr als Schmuck
Der Goldpreis ist im letzten Jahr angestiegen. Die Aussicht auf tiefe Zinsen, ein phasenweise schwächerer US-Dollar und eine immer wieder aufflammende Risikoaversion werden dem Goldpreis auch im kommenden Jahr Unterstützung geben. Gold ist nicht ein zentraler Performancetreiber im Anlageportfolio, aber eine sinnvolle Versicherung gegen unerwartete Risiken im Tiefzinsumfeld. Silber ist keine Alternative. Zwar zeigen der Gold- und Silberpreis jeweils in die gleiche Richtung. Aber die Preisausschläge beim Silber sind stets ausgeprägter, weshalb Silber den Versicherungscharakter nicht hat.

These 5: Was bleibt? Immobilienanlagen und Dividendenaktien
Den Anlegern bleiben nur noch wenige Optionen, um eine nachhaltig positive Rendite bei kontrollierten Risiken zu erzielen. Schweizer Immobilienfonds bleiben im Tiefzinsumfeld trotz hoher Immobilienpreise besonders interessant. Einerseits gelten sie als sicher, andererseits werfen Immobilienanlagen meist einen regelmässigen Ertrag ab. Ebenso im Vordergrund stehen im kommenden Jahr Dividendenaktien. Bei guten Dividendenaktien wird die Dividende aus dem operativen Geschäft erwirtschaftet und ist in den letzten Jahren laufend gestiegen. Dividendenaktien weisen zwar Preisschwankungen wie alle anderen Aktien auf, aber weil Dividenden als Ertragspfeiler gezielt eingesetzt werden, können Preiskapriolen auch eher mit der nötigen Gelassenheit ertragen werden. Auch wenn diese Anlagen nicht mehr günstig zu haben sind, bleiben sie 2020 die Lieblinge der Anleger.

Anlagestrategie für den Start ins Jahr 2020

Obligationen: Die Obligationen werden untergewichtet. Ihre Renditeaussichten sind im Negativzinsumfeld nach wie vor wenig attraktiv. Um negative Renditen zu vermeiden, können gezielt etwas höhere Kreditrisiken eingegangen werden. Allerdings investiert die St.Galler Kantonalbank nach wie vor in Obligationen, weil sie bei sinkenden Aktienmärkten ihrer Rolle als Stabilisator gerecht werden. Im Umfeld sinkender Aktienindizes und tieferer Zinsen sind die Preise von Obligationen auch 2019 zuverlässig angestiegen.

Aktien: Die St.Galler Kantonalbank übergewichtet amerikanischen und Schweizer Aktien. Zwar geht sie von einer positiven Entwicklung der Aktienmärkte aus, aber die konjunkturellen Unsicherheiten sind nicht komplett vom Tisch. Darum bevorzugt sie eher defensive Aktienmärkte und setzt auf Dividendentitel.

Rohwaren: Der Goldpreis besitzt nach wie vor positives Potenzial. Im Zuge sinkender Zinsen kann er an Wert zulegen. Ebenfalls gefallen der St.Galler Kantonalbank das Charakteristikum von Gold als Versicherung. Sie hält in der Strategie Ausgewogen eine Goldallokation von 5%. (SGKB/mc/ps)

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