Gökhan Kula, CIO MYRA

Gökhan Kula, CIO MYRA

Gökhan Kula, CIO von MYRA Capital und Fondsmanager des prognosefreien MYRA Dynamic Turkey Fund.

Von Dieter Haas, Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch

payoff im Gespräch mit Gökhan Kula, CIO von MYRA Capital und Fondsmanager des prognosefreien MYRA Dynamic Turkey Fund, über die aktuelle Lage am Bosporus, die wirtschaftlichen Zukunftserwartungen, Aussenwert der Türkischen Lira und seine Anlagefavoriten.

payoff: Herr Kula, der wirtschaftliche Musterknabe Türkei dominiert derzeit die Schlagzeilen. Wie ist die aktuelle Situation vor Ort?

Gökhan Kula: Das bis dato sehr positive Stimmungsbild hat sich merklich umgekehrt. Die als harmlos gestartete Demonstration von Umweltaktivisten zur Rettung des Gezi Parks – eine der wenigen Grünflächen in Istanbul am zentralen Taksim-Platz – hat sich wie hinlänglich bekannt zu einer breiten Bewegung gegen die Regierungspolitik Erdogans und der AKP-Partei entwickelt. Ob die Protestkoalition dauerhaft zusammenhält, ist aber fraglich. Aktuell hat sich die Lage vergleichsweise beruhigt, gleichwohl die Proteste sich fortsetzen werden.

«Die Volatilität wird anhalten – insbesondere wenn Erdogan nicht ernsthaft auf die Forderungen eingeht.»
Gökhan Kula, CIO MYRA

Wie ist die aktuelle Situation im Zins-, FX- und Obligationenbereich?

Die Zinsen für türkische Obligationen stiegen nochmals rasant nach oben, sodass die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen wieder deutlich über 7% notiert. Auch die Lira setzte ihren Abwertungstrend der letzten Wochen verstärkt fort, die sich zum Euro auf bis zu 2.52 abgeschwächt hat. Entsprechend muss davon ausgegangen werden, dass die Volatilität anhalten wird – insbesondere für den Fall, dass die Regierung nicht ernsthaft auf die Forderungen der Proteste eingeht.

Unabhängig von den Demonstrationen erfreut sich die türkische Wirtschaft bis dato erstklassiger Zahlen. Worauf begründet sich der Boom?

Die sehr geringe Staatsverschuldung, eine solide Haushaltspolitik und die junge, aufstrebende Bevölkerung verhilft der Türkei in der Tat zu hervorragenden «Fundamentals». Das Land hatte seine eigene, sehr tiefgreifende Banken- und Finanzkrise um die Jahrtausendwende, aus der sie gestärkt zurückgekommen ist. Kranke Banken wurden privatisiert, verstaatlicht oder aufgelöst. Unter der Leitung von Kemal Dervis, der vom Amt des Vizepräsidenten der Weltbank zum türkischen Wirtschaftsminister berufen wurde, konnte die Türkei wieder auf den Wachstumspfad zurückfinden.

Wo sehen Sie mittelfristig die grössten Risiken aus Investorensicht?

Eines haben die Ereignisse der letzten Tage gezeigt: Die Türkei – wie jedes andere Schwellenland auch – trägt eine inhärente politische Risikoprämie, die von den Marktakteuren in den letzten Monaten mitunter vernachlässigt wurde. Das Leistungs- und Handelsbilanzdefizit hatte ich schon angesprochen, daneben gilt es die sehr hohe Abhängigkeit des Wirtschaftswachstums von der Baubranche zu beachten. Am schwierigsten zu kalkulieren sind geopolitische Risiken.

Wie wird sich der Aussenwert der Türkischen Lira entwickeln?

Betrachtet man Bewertungskennzahlen, so zeigte sich vor Ausbruch der Proteste gegen die Hauptwährungen je nach Modell eine Überbewertung von bis zu 20%. Durch die erfolgte Abwertung der letzten Tage hat sich diese Überbewertung teilweise abgebaut. Das Inflationsdifferenzial zu den Industrieländern ist zudem weiterhin recht groß, obwohl die Türkei die Inflation auf zuletzt knapp 6% senken konnte. Durch diese Inflationsdifferenz besteht ein latenter Abwärtsdruck auf die Türkische Lira. Wir erwarten im Jahresverlauf daher eine sich graduell abschwächende Türkische Lira gegenüber den Hauptwährungen.

«Die unausgewogene Sektorenpositionierung ist bei passiven Anlageprodukten auf türkische Aktienindizes zu beachten.»

Wie stehen die Chancen auf einen Rebound am türkischen Aktienmarkt?

Nachdem der türkische Aktienmarkt das Jahr 2012 mit einem Plus von über 60% als einer der besten Märkte weltweit abschliessen konnte und auch sehr gut in das Jahr 2013 gestartet ist, sind nun die Spuren der Gewinnmitnahmen aufgrund der Demonstrationen der letzten Tage deutlich in den Kursen zu sehen. Dennoch: Die wirtschaftlichen Rahmendaten sollten sich weiterhin positiv zeigen. Ich gehe davon aus, dass bei entsprechender Beruhigung der innenpolitischen Lage türkische Aktien deutliches Aufholpotenzial zeigen werden.

Wie sieht die Struktur des türkischen Aktienmarktes aus?

Durch die überdurchschnittliche Entwicklung des Finanz- und Bankensektors liegt das Gewicht in den türkischen Leitindizes bei mittlerweile über 50%. Diese unausgewogene Sektorenpositionierung ist bei passiven Anlageprodukten wie ETFs und Trackern zu beachten.

Welche Sektoren bieten in den kommenden Monaten die besten Kursgewinnchancen?

Defensive und konsumorientierte Aktienwerte sollten favorisiert werden, bei Banken- und Finanztiteln dürfte, zumindest kurzfristig, ein wenig die Luft draussen sein. Der Telekomsektor verspricht auch unter antizyklischen Gesichtspunkten gutes Potenzial.

Welche drei Titel sind Ihre Favoriten bis Ende 2013?

Als kurze Anmerkung vorab: Investoren sollten Schwellenländer wie eben die Türkei als Beimischung nutzen, nicht als «one and only»-Allokation. Generell bietet sich jetzt natürlich eine günstige Chance, um in den türkischen Markt zu investieren – egal ob mit Strukturierten Produkten, Fonds oder Direktanlagen. Analog der Branchenpositionierung kann im Telekomsektor Turkcell empfohlen werden, das Konglomerat Koc Holding bietet ein breites Exposure an der türkischen Wirtschaft und Türk Hava Yollari, besser als «Turkish Airlines» bekannt, sollten weiterhin vom expansiven Wachstumspfad profitieren, auch wenn dieser Titel bereits in den letzten Monaten sehr hohe Zuwächse zeigen konnte.

Herzlichen Dank für das Interview.

Der Gesprächspartner:
Gökhan Kula ist Gründungspartner und Geschäftsführer der Advisory Boutique MYRA Capital, welche im Mai 2012 lanciert wurde. Der Kapitalmarktexperte mit mehr als zehn Jahren Investment-Erfahrung wurde nach unterschiedlichen leitenden Positionen bei der Walser Privatbank AG (zuletzt als Head of Asset Management) mit Gründung der Walser Privatbank Invest S.A. im Januar 2011 zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Kula gilt als Vorreiter im Bereich prognosefreier Anlagestrategien. Er ist Fondsmanager u.a. des «MYRA Dynamic Turkey Fund» sowie des «MYRA German Allocation Fund», in dem sein Investmentmodell zur Anwendung kommt. Er ist einer der führenden Fondsmanager, sein Track-Record umfasst Auszeichnungen u.a. von Morningstar und Lipper. Gökhan Kula hat an der Universität Innsbruck seinen Master erlangt und lebt heute mit seiner Familie in Salzburg und Istanbul

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