Deutsche Wirtschaft vor rauem Winter

Deutsche Wirtschaft vor rauem Winter

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann.

Frankfurt am Main – Die deutsche Bundesbank sieht die deutsche Wirtschaft wegen der Schuldenkrise und eingetrübter Exportaussichten vor einem schweren Winter. Für 2012 sind die Währungshüter noch vorsichtiger als die Bundesregierung. Die Bundesbank hält nur noch ein Wirtschaftswachstum zwischen 0,5 Prozent und 1,0 Prozent für realistisch, Berlin ging zuletzt von glatt einem Prozent aus. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) berichtete von einer «markanten Eintrübung der gesamten deutschen Exporterwartungen».

Die grössten Risiken lauern dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zufolge in den instabilen Finanzmärkten und der ungelösten Staatsschuldenproblematik. In ihrem am Montag veröffentlichten Monatsbericht stellt die Bundesbank fest: «Die deutsche Wirtschaft dürfte in den kommenden Monaten in schwierigeres konjunkturelles Fahrwasser geraten. Die empfindliche Abkühlung vor allem der Auslandsnachfrage vermischt sich mit der Nervosität an den Finanzmärkten.» Und sie hebt die Gefahr hervor, dass sich auch die zuletzt noch kaufwilligen Verbraucher von der allgemein schlechteren Stimmung bremsen liessen, somit also die starke Stütze Binnenkonjunktur zumindest teilweise wegbrechen könnte.

Konsumenten bislang relativ unbeeindruckt

Bislang zeigten sich Deutschlands Verbraucher aber von der Euro- Schuldenkrise relativ unbeeindruckt und investierten in Autos, Unterhaltungselektronik oder die Renovierung der eigenen vier Wände. So dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands nach den meisten Prognosen in diesem Jahr um die 3,0 Prozent zulegen. Die Ergebnisse der IW-Herbstumfrage signalisierten «eine gestiegene Rezessionsgefahr, aber noch keine Rezession», berichtete der Chef des arbeitgebernahen Instituts, Michael Hüther, in Berlin. Ihre aktuelle Geschäftslage sehen die deutschen Unternehmen nach wie vor positiv. 46 Prozent der befragten knapp 2600 Firmen befanden sich in einer besseren Situation als im Vorjahr, lediglich 15 Prozent bewerteten ihre Wirtschaftslage schlechter. Rund die Hälfte der Firmen geht auch für 2012 von konstanten Geschäften aus.

Unternehmen bei Investitionen zurückhaltender

Doch nur noch 24 Prozent rechnen mit einer Zunahme der Exporte, noch vor einem halben Jahr waren die Firmen wesentlich optimistischer. Deutlich zurückhaltender sind die Unternehmen auch bei ihren Investitionsplänen für das kommende Jahr, ein Einbruch werde aber nicht erwartet, sagte Hüther. Auch der BDI hält eine Rezession für unwahrscheinlich. Die deutsche Wirtschaft zeige sich «nach wie vor in robuster Verfassung». «Die Auftragsbücher der Firmen sind gut gefüllt», schrieb BDI-Präsident Hans-Peter Keitel nach Verbandsangaben vom Montag in einem Rundbrief an deutsche Industrieunternehmer. Politik und Finanzwirtschaft haben nach Ansicht Keitels ihre Hausaufgaben in der Krise aber nur teilweise gemacht. Die Risiken gingen von diesen ungelösten Problemen aus.

Das IW korrigierte wie schon andere Institute zuvor seine Prognose für 2012 vom September noch weiter herunter, von 1,25 auf nun 1,00 Prozent. Die Möglichkeit einer weiteren Bankenkrise wirke «wie eine Knockout-Androhung für die Weltwirtschaft», sagte Hüther.

Schuldenkrise belastet zusehends
Die Schuldenkrise im Euro-Raum erweise sich auch für Deutschland zusehends als Belastung, warnte die Bundesbank. Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, berichtete: Die Schuldenkrise in der Eurozone habe auf die Kernländer übergegriffen und belaste das Wachstum. «In den vergangenen zwei Wochen haben sich Abwärtsrisiken materialisiert», sagte er am Montag in Dublin. Die Bundesbank mahnte die Politik, eine weitere Eskalation der Euro-Schuldenkrise zu vermeiden. Die gemeinschaftliche Haftung der Staaten dürfe aber nicht ausgeweitet werden, ohne gleichzeitig die Eingriffsrecht Brüssels in die nationalen Haushalte deutlich zu stärken. Stütze für die Konjunktur in Deutschland bleibt nach Einschätzung der Notenbank der Arbeitsmarkt. Seit Monaten liegt die Zahl der Arbeitslosen unter der kritischen Drei-Millionen-Marke. Die IW-Umfrage ergab, dass gut 60 Prozent der Unternehmen 2012 von einer stabilen Beschäftigungslage ausgehen.

Banken haben Kredithahn noch nicht zugedreht
Zuversichtlich stimmt die Notenbank zudem, dass Banken bislang den Kredithahn nicht zudrehen: Eine Kreditklemme sei nicht feststellbar. Auch der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Andreas Schmitz, sieht aktuell keine Kreditklemme. «Ich gehe nicht davon aus, dass wir in Deutschland eine generelle Kreditklemme sehen. Die deutsche Wirtschaft wird heute und morgen ausreichend finanziert», sagte Schmitz in Frankfurt. Es könnte allerdings ein Problem bei langfristigen Finanzierungen geben.

Bundesbank optimistisch für Defizitquote

Optimistisch ist die Bundesbank auch für die Defizitquote Deutschlands. Sie erwartet für 2011 und ähnlich 2012 das Haushaltsdefizit in einer Grössenordnung von 1,0 Prozent des BIP. Noch 2010 hatte Deutschland erstmals seit fünf Jahren mit einer Defizitquote von 4,3 Prozent wieder gegen die europäischen Vorgaben von maximal 3,0 Prozent verstossen. (awp/mc/ps)

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