Wulff denkt nicht an Rücktritt

Wulff denkt nicht an Rücktritt

Christian Wulff, angeschlagener deutscher Bundespräsident.

Berlin – Trotz immer neuer Vorwürfe denkt Bundespräsident Christian Wulff nicht an Rücktritt. Er habe mit dem Drohanruf bei «Bild»-Chefredakteur Kai Diekmann einen schweren Fehler gemacht, räumte Wulff am Mittwoch in einem Interview von ARD und ZDF ein. Er habe aber etwa bei seinem umstrittenen Hauskredit oder den kostenlosen Urlauben bei Freunden nie gegen das Gesetz verstossen. Auch ein Bundespräsident habe Menschenrechte und müsse persönliche Freunde haben können.

Seine Antworten auf die rund 400 Journalisten-Fragen sollen an diesem Donnerstag im Internet veröffentlicht werden, kündigte Wulff an. «Ich nehme meine Verantwortung gerne wahr», sagte er. «Ich habe sie für fünf Jahre übernommen, und ich möchte nach fünf Jahren eine Bilanz vorlegen, dass ich ein guter, erfolgreicher Bundespräsident war.»

«Anruf bei Diekmann war Fehler»
Wulff räumte ein: «Der Anruf bei dem Chefredakteur der «Bild»-Zeitung war ein schwerer Fehler, der mir Leid tut, für den ich mich entschuldige.» Er trete ausdrücklich für die Pressefreiheit ein. Er wolle als Bundespräsident besonnen, objektiv, neutral und mit Distanz agieren. «Ich möchte vor allem Respekt vor den Grundrechten – auch dem der Pressefreiheit – haben. Ich habe offenkundig mich in dem Moment eher als Opfer gesehen.» Wulff erklärte den Anruf bei Diekmann aus einem Impuls während einer Auslandsreise heraus.

Wulff betonte, er habe bei dem Anruf bei Diekmann darum gebeten, den Artikel über seine Hausfinanzierung um einen Tag zu verschieben. «Ich habe nicht versucht, sie (die Berichterstattung) zu verhindern.» Er bat darum, sein Vorgehen menschlich zu verstehen, auch vor dem Hintergrund der Belastungen für seine Familie. Er habe da auch eine Schutzfunktion gesehen. Dies gelte auch vor dem Hintergrund dessen, was an schmutzigen Fantasien alles im Internet über seine Frau Bettina zu lesen sein.

«Es gibt auch Menschenrechte – selbst für Bundespräsidenten»
Der Bundespräsident betonte seine Lernbereitschaft. «Ich muss mein Verhältnis zu den Medien (…) neu ordnen, anders mit den Medien umgehen, sie als Mittler stärker einbinden und anerkennen. Sie haben eine wichtige Aufgabe in der Demokratie.» Zugleich warb er für Verständnis. «Es gibt auch Menschenrechte – selbst für Bundespräsidenten.» Er sagte: «Trotzdem ist man Mensch und macht Fehler.» Wulff verwies auf seinen schnellen Wechsel vom Posten des niedersächsischen Ministerpräsidenten zum Amt des Staatsoberhauptes: «Ich musste auch einen Lernprozess machen.»

Zugleich verteidigte er das Darlehen für sein Haus und seine Urlaube bei Freunden – und warnte davor, dass kaum jemand mehr Politiker werden wolle, wenn in diesem Zusammenhang alles kritisiert werde. Man müsse auch sehen, dass Menschen noch bereit sein sollten, etwa als Politiker in die Öffentlichkeit zu gehen. Er wolle nicht Präsident in einem Land sein, in dem man nicht von Freunden Geld leihen könne. Auch als Politiker müsse man bei Freunden übernachten dürfen. Sonst verändere sich die Republik zum Negativen.

«Gegen kein Gesetz verstossen»
Er habe gegen kein Gesetz verstossen, unterstrich Wulff. «Es geht nicht um Rechtsverstösse», weder in seiner Zeit als Bundespräsident noch als niedersächsischer Regierungschef. Er habe alle rund 400 Fragen, die an ihn gestellt worden seien, durch seine Anwälte umfassend beantworten lassen. Dies habe naturgemäss nur scheibchenweise geschehen können, da auch die Fragen einzeln gekommen seien.

Mit Blick auf das umstrittene Haus-Darlehen der baden-württembergischen BW-Bank sagte der Bundespräsident, es handele sich um normale und übliche Konditionen. Das gesamte Risiko der Zinsentwicklung liege bei ihm. Er habe keine Vorteile genossen, es handele sich um ein Angebot wie für andere auch. Auch bezüglich der Umwandlung in ein langfristiges Darlehen zum 16. Januar habe er die Wahrheit gesagt. «Ich glaube, manchmal ist auch die Suche von einem Misstrauen geprägt, das die Sachlage nicht rechtfertigt.»

«Bundespräsidenten haben auch privates Leben»

Mit Blick auf seine frühere Kritik unter anderem am damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau sagte Wulff, man werde lebensklüger und demütiger. Man müsse vor sich selbst immer wieder Rechenschaft ablegen. Das Amt des Bundespräsidenten sei schwieriger geworden. Er sei aber fest davon überzeugt, dass er es durch eine Reihe von Aktivitäten wieder gestärkt habe, sagte Wulff.

Der Bundespräsident bekräftigte, durchhalten zu wollen. «Wem es in der Küche zu heiss ist, der darf nicht Koch werden wollen.» Man müsse sich auch fragen, ob nicht auch irgendwann akzeptiert werde, dass auch ein Bundespräsident ein privates Leben haben dürfe.

Merkel: Schätze Wulffs Arbeit
Von Wulffs Äusserungen unbeeindruckt forderte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel die Kanzlerin auf, dessen Eignung für das höchste Staatsamt zu überprüfen. «Sie muss eine ehrliche Neubewertung der Fähigkeit von Herrn Wulff in diesem Amt vornehmen», sagte Gabriel. «Das ist keine Causa Wulff mehr, das ist eine Causa Merkel.» Merkel liess schon vor dem Interview erklären, dass sie Wulffs Arbeit nach wie vor schätze. Sie vertraue auf umfassende Antworten Wulffs, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin. Er verneinte die Frage, ob Merkel den Bundespräsidenten zu einer Stellungnahme aufgefordert habe.

Unterstützung bekam Wulff von CSU-Chef Horst Seehofer. «Die CSU steht zu diesem Bundespräsidenten Christian Wulff, und er hat auch unser Vertrauen.» Die CDU reagierte erleichtert auf das Interview. «Ich bin sicher, dass Christian Wulff damit erfolgreich Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen wird», erklärte Generalsekretär Hermann Gröhe.

FDP fordert Ende der Debatte
Die FDP forderte ein Ende der Debatte. «Es ist gut, dass Christian Wulff zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen heute öffentlich Stellung genommen und Fehler eingeräumt hat. Das war ein wichtiger Schritt», sagte der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring.

SPD, Linke und Grüne sehen weiter Aufklärungsbedarf. «Noch immer sind viele Fragen offen», sagte die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch in Berlin zu dem Interview. Wulff habe «ein gestörtes Verhältnis zur Presse, zur Wahrheit und zum Geld».

Grüne erwarten von Merkel Stellungnahme
«Es bleiben Fragen offen, die aufgeklärt werden müssen», sagte der stellvertretende Fraktionschef Hubertus Heil. «Dass sich Christian Wulff heute den Fragen von zwei Journalisten gestellt hat, war überfällig, ist aber nicht ausreichend.» (awp/mc/upd/ps)

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