Patrick Loepfe, Gründer und VR-Präsident GENTWO, im Interview

Patrick Loepfe, Gründer und VR-Präsident GENTWO, im Interview
Patrick Loepfe, Chairman und Gründer von GENTWO. (Foto: GENTWO)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Loepfe, Sie haben Gentwo 2018 zusammen mit Philippe A. Naegeli gegründet, um eine unabhängige, kostengünstige Verbriefungsplattform für sämtliche anlagefähige Produkte anzubieten. Wo stehen Sie heute, inwieweit hat sich die Strategie bewährt, wo wurde sie angepasst oder erweitert?

Patrick Loepfe: Zu Beginn haben wir unsere Verbriefungslösung vor allem auf unabhängige Vermögensverwalter ausgerichtet. Unser Angebot belief sich dabei auf Actively Managed Certificates (AMCs), denen sogenannte «bankable» Standard-Assets zugrunde liegen. Dabei handelt es sich nach wie vor um eines unserer Kern-Offerings.

«Die Anzahl an Plattformen, die wir insgesamt für unsere institutionelle Kundschaft errichtet haben, ist seit Jahresanfang 2020 bis heute um 30% auf insgesamt über 90 gestiegen.» Patrick Loepfe, Gründer und VR-Präsident GENTWO

Kurz nach Firmengründung stellten wir allerdings fest, dass es noch weiteres Segmente gibt, in denen moderne Verbriefung einen hohen Nutzen erzeugt. Konkret ging es um den Bereich der Privatmarktanlagen. Wir erweiterten unser Standard-AMC-Geschäft also um das sogenannte «Non-bankable»-Segment. Letzteres weist heute einen beachtlichen Geschäftsanteil von mehr als 50% auf.

Was unser Geschäftswachstum insgesamt betrifft, sind wir zufrieden. Seit unserer Unternehmensgründung im Februar 2018 bis Ende Dezember 2019 sind die «Assets under Administration» auf 300 Millionen Schweizer Franken angewachsen. Nur sechs Monate später – Ende Juni 2020 (und damit nach der Lockdown-Phase) – waren es schon beachtliche 500 Millionen Franken. Die Anzahl an Plattformen, die wir insgesamt für unsere institutionelle Kundschaft errichtet haben, ist seit Jahresanfang 2020 bis heute um 30% auf insgesamt über 90 gestiegen. Und die Zahl der Produkte, die von unseren Kunden lanciert wurden, wuchs im selben Zeitraum um 40% auf derzeit mehr als 160 an.

Ihr Zielpublikum sind vor allem unabhängige Vermögensverwalter, Privatbanken und Family Offices. Tendenziell Kunden, die durch die Kosten von neuen Regulierungen, die Digitalisierung und sinkende Margen besonders unter Druck sind. Wie beurteilen Sie die Zukunftschancen Ihrer Kunden, welche zusätzlichen Kundensegmente könnten für Sie in Zukunft interessant sein?

Ein Finanzintermediär kann über die Entwicklung eines spezialisierten Offerings interessante Alleinstellungsmerkmale entwickeln. Dabei ist jedoch wichtig, dass er über die notwendigen Werkzeuge verfügt. Unsere Verbriefungslösung ist zum Beispiel gut geeignet, um Akteuren kleinerer und mittlerer Grösse (sowie deren Kunden) einen Zugang zu Märkten zu geben, welcher bislang nur grösseren Finanzmarktteilnehmern vorbehalten war. Doch auch Grossbanken oder grössere Asset Manager können unser Setup profitabel für sich nutzen. Denn als Disruptor haben wir die massiven Kostentreiber aus dem Verbriefungsprozess eliminiert – was auch grossen Finanzhäusern letztlich zu mehr Kosteneffizienz verhilft.

Wie verrechnen Sie die Leistungen von Gentwo gegenüber den Kunden (einmalige / wiederkehrende Lizenzgebühren, Anteil an Transaktionen, eigene Anlageprodukte…), wo generieren Sie den grössten Teil Ihrer Einnahmen?

Unser Gebührenmodell ist nutzenorientiert und transparent gestaltet. Es passt sich also an den jeweiligen Grad der Verwendung sowie das individuelle Bedürfnis eines Kunden an. Zunächst fällt eine Setup-Gebühr für das Aufsetzung der Verbriefungsplattform an. Daraufhin greift eine Administrationsgebühr in Basispunkten auf die Höhe der «Assets under Administration». Der grösste Teil unserer Einnahmen entfällt auf diese wiederkehrenden Gebühren.

«Seit mehreren Wochen schon werden wir mit neuen Verbriefungsanfragen quasi überrannt. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Wir erleben zurzeit eine Krise «im positiven Sinne»

Die Coronakrise hat die Digitalisierung in einigen Bereichen massiv beschleunigt (Meetings, Ausbildung, Home Office…). Wie hat sich die Krise auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

Die Coronakrise ist für uns ein zweischneidiges Schwert. Zu Beginn des Lockdowns haben wir eine gewisse Vorsicht und Zurückhaltung unserer Kunden verspürt. Doch diese Phase dauerte nicht lange an. Seit mehreren Wochen schon werden wir mit neuen Verbriefungsanfragen quasi überrannt. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Wir erleben zurzeit eine Krise «im positiven Sinne». Daher können wir uns über zu wenig Arbeit derzeit nicht beklagen. Ich vermute, dass der steigende Bedarf hinsichtlich unserer Leistungen mit dem anhaltenden Anlagenotstand zusammenhängt.

Mit Gentwo Digital haben Sie sehr schnell auf die Entwicklung bei digitalen Assets reagiert und ICOs (Initial Coin Offerings), STOs (Service Token Offerings) oder Crypto-Assets bankenfähig gemacht. Nach der ersten Hype-Phase und der unvermeidlichen Ernüchterung, wie präsentiert sich die Cryptoszene heute, welches sind die wichtigsten kommenden Entwicklungen?

Der Kryptomarkt gehört zu den am derzeit stärksten wachsenden Segmenten unseres Angebots. Und diese Dynamik des digitalen Anlagesegments ist geprägt von einer steigenden Kreativität unserer Kunden; sie überraschen uns immer wieder aufs Neue. Beispiele sind ein AMC auf eine «Crypto Mining»-Strategie oder auch mehrere asymmetrische Payoffs unseres Bankenkunden SEBA Bank AG. Es tauchen aber auch völlig neue digitale Projekte auf, zum Beispiel sogenannte «gold-backed Coins» oder Finanzierungen von Leverages durch Börsen. Eine solche Finanzierung wird durchgeführt, wenn Börsenkunden ihr Investment in eine Kryptowährung fremdfinanziert vervielfachen möchten.

Für die Handels- und Depottechnologie arbeiten Sie mit der US-Firma Interactive Brokers zusammen. Welche Alternativen haben Kunden, die zum Beispiel aus Datenschutzgründen auf einen Schweizer Anbieter setzen möchten?

Unsere Verbriefungsplattformen sind im Hinblick auf Handels- und Depotpartner agnostisch, was bedeutet: Unsere Kunden haben die freie Wahl hinsichtlich der Partner, die auf ihrer individuellen Plattform eingebunden werden sollen. Man muss also nicht mit von uns vorgeschlagenen Unternehmen arbeiten, sondern kann eigene Wunschanbieter benennen und gezielt einsetzen.

«Der Kryptomarkt gehört zu den am derzeit stärksten wachsenden Segmenten unseres Angebots.»

Zur eigenen Finanzierungsrunde über 10 Millionen Franken, die im Juli startete, hat der Zürcher Vermögensverwalter Clarus Capital Group die Gentwo-Aktie zum Basiswert eines Tracker-Zertifikats und somit investierbar gemacht. Wie verläuft die Finanzierung, wofür werden die Mittel eingesetzt?

Die Mittelbeschaffung wird unserer nächsten Akzelerierungsphase dienen. In Angriff genommen werden vor allem die Ausweitung von Geschäftsaktivitäten, neue Wachstumsinitiativen sowie unsere Internationalisierung. Ziel ist, dass unsere ausländischen Kunden durch dedizierte, lokale Stellen betreut werden – nach dem Vorbild unserer Repräsentanz in Genf, welche wir vor ein paar Monaten etabliert haben.

Erzählen Sie uns mehr über Ihre Genfer Repräsentanz. Wie gross ist das Potential in der Westschweiz, welche nächsten geografischen Ausbauschritte planen Sie?

Die Öffnung unserer Genfer Repräsentanz hat sich als eine gute strategische Entscheidung erwiesen. Die Zahlen sprechen für sich: Innerhalb nur weniger Monate hat sich Anzahl an Westschweizer Kunden bereits verdoppelt. Wir sehen der weiteren Entwicklung in dieser Schweizer Region zuversichtlich entgegen.

«20 Prozent unserer aktiven Kundenbasis ist heute schon ausserhalb der Schweiz ansässig.»

Doch auch mit unserer Internationalisierung schreiten wir gut voran. Sie wird zunächst in Ländern erfolgen, in denen GENTWO bereits über Kunden verfügt. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Israel, Grossbritannien, Deutschland und die USA. Weil wir selbst ein Schweizer Verbriefer sind, besteht unsere Kundschaft derzeit naturgemäss noch vor allem aus Unternehmen, die ihren Sitz in der Deutschschweiz haben. Dies wird sich künftig ändern. 20 Prozent unserer aktiven Kundenbasis ist heute schon ausserhalb der Schweiz ansässig.

Die Schweiz zeichnet sich durch eine lange Tradition im Finanzsektor mit verlässlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen aus. Wie gut ist die Schweiz im internationalen Vergleich gerüstet für die kommenden Entwicklungen, welche Innovationen werden die nächste Zukunft des Bankings prägen?

Die Schweiz ist seit vielen Jahren Innovationsführerin. Ich finde, man spürt dies heute mehr denn je. Innovationen betreffen dabei schon lange nicht mehr nur die Industrie, sondern auch den Finanzsektor. Das «Crypto Valley» in Zug ist ein gutes Beispiel dafür. Es handelt sich um ein noch junges Ökosystem, das sich aus vielen Blockchain-Startups und Experten zusammensetzt und sich in kürzester Zeit zum Weltmarktführer seines Segments entwickelt hat.

«Ist man in der Lage, ein B2B-Offering in der Schweiz zu etablieren, schafft man es auch weltweit.»

Fintech-Unternehmen, die wie wir im B2B-Bereich aktiv sind, dürften in der Schweiz ebenfalls einen guten Testmarkt für sich vorfinden. Der wird aber nicht einfach zu bewältigen sein. Ich vertrete diese Devise: Ist man in der Lage, ein B2B-Offering in der Schweiz zu etablieren, schafft man es auch weltweit. B2C-Modelle haben es in der Schweiz hingegen grundsätzlich eher schwer. Der Markt ist zu klein.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?  

Ich denke, dass die „Too big to fail”-Problematik eher durch Segregation als durch Aggregation gelöst werden kann. Somit hoffe ich, dass es angebotsübergreifend bald mehr neue Finanzmarktakteure wie uns auf dem Markt geben wird. Mein zweiter Wunsch? Dass wir viele weitere, spannende Projekte zusammen mit unseren Kunden umsetzen.

Zur Person
Patrick Loepfe ist GENTWOs Chairman und Entwickler des innovativen Verbriefungs-Setups. Der Spezialist für Strukturierte Produkte und Bankgeschäfte mit langjähriger Erfahrung im Investment Banking avancierte dank herausragender mathematischer und technologischer Fähigkeiten nun auch zur Schlüsselfigur der Schweizer Fintech-Industrie. Patrick Loepfe gilt als sogenannter Mastermind und treibende Kraft von Vontobels Deritrade – einem disruptiven Geschäftsmodell für den Vertrieb von Strukturierten Produkten.

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