Roger Süess, CEO Green, im Interview

Roger Süess, CEO Green, im Interview
Roger Süess, CEO des Cloud-Anbieters Green Datacenter. (Foto: Green)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Süess, seit Juli 2019 sind Sie, von der UBS kommend, CEO von Green. Was waren in dieser Zeit Ihre wichtigsten Entscheidungen? Was sind die wichtigsten kulturellen Unterschiede im neuen Umfeld?

Roger Süess: Die Digitalisierung und die Transformation in die Cloud bescheren unserer Branche zurzeit unglaubliche Möglichkeiten und Wachstum. Für mich war es daher wichtig, schnell einen Überblick zu bekommen und die Strategie entsprechend auszurichten. Dabei war die termingerechte Fertigstellung des neuen Rechenzentrums von Zürich-West 3 entscheidend, aber ebenso galt es, neue Services zu entwickeln und die Mitarbeitenden in ihren teilweise neuen Funktionen zu unterstützen. Im Weiteren ging es darum, die richtigen Partner für unser Cloud Ecosystem auszuwählen, mit dem klaren Ziel, unsere Kunden bei der Reise in die Cloud optimal zu unterstützen.

«Das Geschäft läuft für uns sehr gut und die Auslastung verläuft nach Plan. Wir müssen sogar bereits wieder mit der Planung der nächsten Welle beginnen.» Roger Süess, CEO Green.

Kulturell sind die beiden Welten sehr unterschiedlich. Mir gefällt bei Green die Schnelligkeit, der direkte Kundenkontakt und die Möglichkeit, sehr präzise auf den Markt reagieren zu können. Anstelle eines grossen Tankers lenke ich hier ein agiles Schnellboot. Und mit einem tollen Investor im Rücken stehen uns viele Entwicklungsmöglichkeiten offen.

Speziell für grosse Cloud-Anbieter hat Green im September 2019 das für 70 Millionen Franken erstellte erste Hochleistungsrechenzentrum der Schweiz mit eigenen Büroräumlichkeiten für die neuen Kunden eröffnet. Wie sieht es mit der Belegung aus? Weshalb kommen grosse Anbieter zum Beispiel aus den USA in die Schweiz?

Das Geschäft läuft für uns sehr gut und die Auslastung verläuft nach Plan. Wir müssen sogar bereits wieder mit der Planung der nächsten Welle beginnen. Da die grossen, international tätigen Cloud-Anbieter zurzeit ihre Europa-Präsenz ausbauen, ist die Nachfrage entsprechend gross, aber natürlich auch der Wettbewerb.

Dabei ist die Schweiz  zentral gelegen und aufgrund der hohen Dichte an Konzernsitzen und namhaften Unternehmen in verschiedenen Sektoren für sie interessant. Es kommt hinzu, dass die Schweiz in der Adaption der Cloud noch etwas hinterherhinkt und der Schweizer Kunde meist einen Schweizer Datenstandort wünscht – auch in der Public Cloud. Damit die Cloud-Anbieter, sogenannte Hyperscaler, schnell präsent sind, bauen sie keine eigenen Rechenzentren, sondern mieten sich bei Anbietern wie Green ein.

Welche Strategie und welche konkreten Pläne hat Green bezüglich des weiteren Ausbaus der Kapazitäten? Welche Kunden wollen Sie gewinnen (KMU, Schweizer Grosskunden, ausländische Hyperscaler etc.)?

Der Trend hin zu externen Rechenzentren und zur Cloud-Nutzung hat längst alle Industrien erfasst. Wir sehen sowohl im KMU-Umfeld als auch bei den Grosskunden das Potenzial für unsere Angebote und den Mehrwert, den wir ihnen bringen können. Natürlich werden auch weitere Hyperscaler in den Markt eintreten. Im letzten Jahr haben wir intensiv an unserer Angebotspalette gearbeitet, mit dem Ziel, die verschiedenen Segmente adressieren zu können und in die Zukunft zu begleiten. In der Folge ist ein Cloud Ecosystem entstanden, das Unternehmen schrittweise die Ablösung traditioneller IT-Systeme ermöglicht und sie in die Cloud führt. Wir haben in diesem Ökosystem Dutzende Partnerschaften geschlossen, sodass wir dank der komplementären Dienstleistungen unserer Partner rasch Innovation in die IT unserer Kunden bringen können, von Legacy über die Private bis hin zur Public Cloud.

Mit Bechtle zusammen haben Sie gerade den Swiss Cube lanciert, ein Angebot aus Housing in zertifizierten Schweizer Rechenzentren und Managed-Hard- und -Softwarekomponenten. Damit sollen Unternehmen schrittweise den Weg in die Cloud nach eigenem Tempo und auch mit eigenen Anwendungen bewerkstelligen können. Welches Einsparungspotenzial sehen Sie hier für die Kunden? Wie gross sind die Skaleneffekte bei einem solchen Angebot?

Unternehmen, die in der Cloud starten wollen, können dies dank dem Swiss Cube unmittelbar tun. Da sie keine eigenen Investitionen tätigen müssen, geht für sie die Cloud-Reise sofort los. Das ist sicher ein Argument für den Swiss Cube. Ein weiteres ist das gewählte Modell: Es handelt sich hier um eine Private Cloud. Das heisst, Unternehmen erhalten Hardware zur alleinigen Nutzung, Green als Schweizer Vertragspartner und einen Green-Datenstandort in der Schweiz. Das ebnet den Weg, um selbst sensible Daten in der Cloud unterzubringen.

«Im Gegensatz zur intern betriebenen IT-Lösung wird mit dem Swiss Cube ein Service geboten, der auch die Verwaltung, die Konfiguration und den Ersatz der Hardware umfasst, also auch personelle Ressourcen abdeckt.»

Um das Einsparungspotenzial einer solchen Cloud beziffern zu können, bedarf es einer Vollkostenrechnung. Denn im Gegensatz zur intern betriebenen IT-Lösung wird mit dem Swiss Cube ein Service geboten, der auch die Verwaltung, die Konfiguration und den Ersatz der Hardware umfasst, also auch personelle Ressourcen abdeckt. Geht man von Modellrechnungen der Marktforscher von ISG aus, so resultiert bei Volllast in der Cloud ein Kostenvorteil von etwa 30 Prozent für den Kunden gegenüber einem internen Eigenbetrieb. Es kommt hinzu, dass bei unserer Lösung eine Verlagerung der Kosten stattfindet, und das sehr dynamisch von CAPEX zu OPEX.

Die Diskussionen um den CO2-Ausstoss dürften auch Anbieter von Rechenzentrumsleistungen mit ihrem enormen Stromverbrauch nicht unberührt lassen. Was tut Green, um hier ihrem Namen gerecht zu werden?

Effizienz war schon immer entscheidend für einen Datacenter-Anbieter. Denn je effizienter unsere Anlagen arbeiten, desto preiswerter können Unternehmen ihre IT bei uns betreiben. Wir beschäftigen uns seit 2008 intensiv mit dem Thema Green IT. Zu diesem Zeitpunkt haben wir begonnen, eigene Rechenzentren zu konzipieren und zu bauen. Und wir haben gesehen, wie viel wir mit einem durchdachten Design und Betriebskonzept erreichen können. Heute erzielen wir bei Höchstlast (High-Density-Cloud-Anwendungen) einen hervorragenden PUE-Wert von 1,19. Da müssen wir den internationalen Vergleich nicht scheuen.

«Wir decken den Strombedarf unserer Services für das Rechenzentrum zu 100 Prozent aus Windkraft, Solaranlagen und Wasserkraft. «

Gleichzeitig ist das für Unternehmen mit ein Grund das eigene Rechenzentrum aufzugeben und zu uns zu kommen, denn die meisten privaten Rechenzentren liegen weit über diesen Werten und verursachen hohe Energiekosten im laufenden Betrieb. Neben der Investition in effiziente Datacenter-Technologien investieren wir aber auch ganz direkt in erneuerbare Energien, indem wir den Strombedarf unserer Services für das Rechenzentrum zu 100 Prozent aus Windkraft, Solaranlagen und Wasserkraft decken.

Die Bewegung in die Cloud gleicht einem Massenexodus aus der hauseigenen IT, zusätzlich beschleunigt durch einen erheblichen IT-Fachkräftemangel in der Schweiz. Gerade bei selbst entwickelten oder hoch spezialisierten Lösungen dürften sich die finanziellen Einsparungen durch die Cloud im Rahmen halten. Was sind die notwendigen Voraussetzungen, damit sich der Einsatz einer Cloud-Lösung auch ausbezahlt?

Wenn wir von der Cloud sprechen, so sind damit sehr unterschiedliche Modelle gemeint, denen auch verschiedene Preismodelle zugrunde liegen. Eine Private Cloud, wie wir sie mit dem Swiss Cube bieten, eignet sich sehr gut, um konstant Anwendungen zu betreiben. Der Datenverkehr ist dabei inkludiert, was attraktiv ist.

Die Public Clouds der grossen internationalen Anbieter dagegen decken sehr gut Lastspitzen ab und eignen sich als Entwicklungsplattform, u. a. auch für die Einführung neuer Technologien. Grundsätzlich werden Unternehmen künftig verschiedene Modelle miteinander kombinieren und auch Clouds von verschiedenen Anbietern nutzen, was dann jeweils als Hybrid und als Multi-Cloud bezeichnet wird.

Da sich Green dem ganzen Weg in die Cloud verschrieben hat, kann man natürlich bei uns auch eigene Legacy-Applikationen oder Grossrechner platzieren, denn speziell da wird es in der Public Cloud schwieriger. So manche Applikation kann nicht einfach transformiert werden oder nur mit erheblichen Aufwendungen. Und wo man bereits transformiert hat oder dies geplant hat, steht die Public Cloud ebenfalls via Green zur Verfügung.

Bei den Anbietern von Rechenzentrumsleistungen dürfte dasselbe Skalengesetz wie bei den Cloud-Anbietern zum Tragen kommen und zu einer Konzentration auf wenige Unternehmen führen. Was heisst das für kleinere Anbieter in der Schweiz und für die Wachstumsmöglichkeiten von Green innerhalb der Schweiz?

Im Datacenter-Geschäft sehe ich aktuell drei Trends. Erstens: Die Vernetzung der IT-Infrastruktur wird immer entscheidender, weil die IT fragmentiert ist. Diejenigen Rechenzentren, die sich als Hauptbahnhöfe des Datenverkehrs herauskristallisieren, sind für Partner, Unternehmen und Cloud-Provider vorteilhafter, weil sie Anbindungen zu allen Beteiligten und in alle Richtungen anbieten.

«Grosse Infrastrukturen sind effizienter zu betreiben als kleinere.»

Zweitens: Der Markt spaltet sich auf. Es gibt nur ganz wenige Anbieter, die sowohl die Bedürfnisse der Hyperscaler als auch die der Unternehmenskunden in der Schweiz abdecken können. Doch genau das scheint mir attraktiv für beide Kundengruppen. Sie ziehen aus einem umfassenden Ökosystem einen entscheidenden Nutzen.

Und drittens: Size matters. Das gilt auch für Datacenter-Betreiber. Grosse Infrastrukturen sind effizienter zu betreiben als kleinere. Und grosse Anbieter können in ganz anderem Mass in Anlagen, Energieeffizienz, Sicherheit und auch Fachkräfte investieren. 

Die Konzentration auf wenige grosse Rechenzentren erhöht auch das Risiko, dass bei einem Hackerangriff oder einem Ausfall viele Kunden betroffen sind. Welche Massnahmen unternimmt Green, um das Risiko so gering wie möglich zu halten? Welche Entschädigungen erhalten Kunden, wenn es trotzdem zu einem Ausfall oder Angriff kommt?

Wir schützen uns vor Cyberangriffen, wie wir dies auch unseren Kunden empfehlen: sowohl mit entsprechenden technischen als auch mit organisatorischen Massnahmen. Und natürlich auch durch die Schulung unserer Mitarbeitenden sowie durch die Zertifizierung unserer Betriebsprozesse nach ISO-Standards.

Allen unseren Dienstleistungen liegt ein Service Level Agreement (SLA) zugrunde, das die Verfügbarkeit unserer Dienstleistungen spezifiziert und finanzielle Kompensationen regelt. Da unsere Datacenter mehrfach abgesichert sind und wir Redundanzen vorhalten, ist die Verfügbarkeit durchwegs sehr hoch. Zudem bieten wir mehrere geo-redundante Standorte an, welche die Kunden nutzen können – ein Designkonzept, das sämtliche grossen Cloud-Anbieter heute nutzen. 

Die Digitalisierung verändert die Gesellschaft gerade nachhaltig. Welche Änderungen bringt das in Ihrem Bereich? Wo setzen Sie auf Roboter und künstliche Intelligenz (KI)? Wo wird es auch in Zukunft noch vermehrt Menschen brauchen?

Innovation spielt bei uns auf verschiedenen Ebenen eine wichtige Rolle. So sehen wir eine Zukunft für Roboter bei der Überwachung der Rechenzentren und bei gewissen Wartungsarbeiten. Potenzial ist sicher auch bei Abläufen in unserer Geschäftstätigkeit als Internet Service Provider für Private vorhanden. Da wird KI uns künftig noch mehr unterstützen, etwa um Kundenbedürfnisse besser zu verstehen.

«KI wird uns künftig noch mehr unterstützen, etwa um Kundenbedürfnisse besser zu verstehen.»

Im Datacenter-Betrieb aber bleibt der Einsatz limitiert, da zu viel Komplexität nicht erwünscht ist. Ich bin aber sicher, dass wir bald noch weitere Anwendungen im Unternehmen mithilfe von KI verbessern können. Dank unseres Wachstums und der Innovationkraft unserer Kunden sind aber noch lange Menschen gefragt.

Welche technologischen Entwicklungen werden in den kommenden Jahren Ihr Geschäft am nachhaltigsten beeinflussen?

Auf der Wachstumsseite wird die Nutzung von Cloud und Cloud Services weiter zunehmen. Zudem stehen wir erst am Anfang des Internet of Things (IoT), sprich intelligente Städte, autonomes Fahren und vieles mehr. All diese Technologien kombinieren lokale Entscheidungen und Intelligenz mit zentralem Wissen und Mustern. Für Letzteres wird es wieder gut vernetzte Rechenzentren brauchen. Neben diesen Wachstumsentwicklungen werden wir uns auch grossen Fragen zur Energieversorgung und zur -effizienz stellen müssen. Als Green sind wir seit jeher engagiert, hier eine Vorreiterrolle zu übernehmen.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei: Wie sehen die aus?

Weltfrieden und glückliche Mitarbeitende.

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