Stefan Loacker, CEO Helvetia

Stefan Loacker, CEO Helvetia

Stefan Loacker, CEO Helvetia. (Foto: Helvetia)

von Bob Buchheit
 
Moneycab: Herr Loacker, Sie setzen in der beruflichen Vorsorge mit «Helvetia BVG Invest» stark auf Realwerte. Glauben Sie an ein Aufflackern der Inflation?

Stefan Loacker: Gegenwärtig kann von einem Aufflackern der Inflation keine Rede sein, ganz im Gegenteil. Ob wir mittelfristig wieder eine gewisse Teuerung sehen werden, kann heute schlicht nicht abgeschätzt werden. Das Produkt «Helvetia BVG Invest» hat aber nichts mit einer allfälligen Inflationserwartung zu tun. Vielmehr wollten wir finanzaffinen Kunden eine Lösung mit einer teilautonomen Sammelstiftung ermöglichen. Die meisten KMU entscheiden sich heute für die Vollversicherung mit ihren Garantien und Sicherheiten. Kunden, denen diese Sicherheiten weniger wichtig sind und die vielmehr eine höhere Renditemöglichkeit suchen, können wir mit «Helvetia BVG Invest» nun eine attraktive Lösung anbieten.

Die Helvetia Gruppe bietet auch Hypotheken an. Wie restriktiv sind Sie bei der Kreditvergabe?

Wir verlangen 20 Prozent Eigenmittel für selbstbewohnte Eigenheime und 20 Prozent für Mehrfamilienhäuser mit einem Wohnanteil zwischen 70 und 100 Prozent. Bei anderen Renditeobjekten muss der Anteil an Eigenmitteln mindestens 35 Prozent betragen.

In Ihrem Heimatland Österreich stieg die Schaden/Kosten-Quote im 1. Halbjahr auf über 100%. Wie sieht da die Gegensteuer aus?

In der ersten Jahreshälfte wurde Österreich stark von Naturereignissen getroffen. Die massiven Unwetterschäden und einige grosse Feuerschäden führten zu einem erhöhten Schadenaufkommen, was sich auf den Schadensatz auswirkte. Gleichzeitig arbeiten wir daran, die Effizienz unserer Prozesse weiter zu verbessern, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und weiter zu wachsen.

«Wir setzen gemäss unserer strategischen Ausrichtung weiterhin auf ein gesundes und kontrollierbares Wachstum.»
Stefan Loacker, CEO Helvetia

Das Geschäftsvolumen blieb im ersten Halbjahr nahezu unverändert. Ihre komfortable Solvabilität liesse sicherlich weitere Akquisitionen zu, zumal das jüngst übernommene Transportversicherungsportfolio in Frankreich und das Einzelleben-Portfolio in der Schweiz 2012 voll integriert sein werden, oder?

Wir setzen gemäss unserer strategischen Ausrichtung weiterhin auf ein gesundes und kontrollierbares Wachstum. Wir stützen uns dabei primär auf organisches Wachstum. Bei entsprechenden Opportunitäten sind wir auch weiterhin bereit, geeignete Akquisitionen und Portfoliozukäufe ins Auge zu fassen, um unsere Positionen in ausgewählten Märkten zu verstärken. Die beiden erwähnten Akquisitionen werden – die Zustimmung der Aufsichtsorgane vorausgesetzt – noch 2012 abgeschlossen. Damit beginnt jedoch erst die eigentliche Integrationsphase. 

In Frankreich hat die Helvetia wie erwähnt das französische Transportversicherungsportfolio der Gan Eurocourtage übernommen. Das kostet Sie etwa ein halbes Jahresprämienvolumen. In wie vielen Jahren wird sich diese Investition denn ausbezahlt haben?

Die Akquisition ist für uns strategisch wichtig, wir verstärken dadurch unsere Marktposition im französischen Transportversicherungsmarkt und werden neu die starke Nummer zwei. Das von uns übernommene Portfolio ist solide und profitabel, so dass bereits ab dem ersten Jahr ein positiver Gewinnbeitrag erwartet werden kann.

Die Kosten-/Schadensatz lag bei der Helvetia per 30. Juni 2012 bei 93.1 Prozent. Wie weit lässt sie sich senken?

Die Senkung des Kostensatzes erreichen wir durch eine konsequente Kostendisziplin einerseits und durch die Nutzung von Skaleneffekten durch unser Prämienwachstum andererseits. So konnten wir den Kostensatz von 2006 bis 2011 von 32.6 auf 28.4 Prozent reduzieren. Der Schadensatz ist das Resultat einer disziplinierten Zeichnungspolitik – wir setzen dabei auf ein qualitativ hochwertiges Portefeuille – und der jeweiligen effektiven Schadenentwicklung.

«Der Schadensatz ist das Resultat einer disziplinierten Zeichnungspolitik – wir setzen dabei auf ein qualitativ hochwertiges Portefeuille – und der jeweiligen effektiven Schadenentwicklung.»

Mit 8,9 Prozent ist die annualisierte Eigenkapitalrendite mittelprächtig. Wo soll Sie 2015 liegen?

Wir streben eine Eigenkapitalrendite von 10 bis 12 Prozent an. Dieses Ziel beurteilen wir durchaus als ambitiös, aber als mittelfristig realistisch.

Trotz einer mehr als üppigen Dividende von über 5 Prozent, die zudem noch teilweise steuerfrei ist, kann man die Helvetia-Aktien deutlich unter Buchwert haben. Sollte man den Käufern von Lebensversicherungen nicht gleich auch Helvetia-Aktien empfehlen?

Die Dividende ist das Abbild unseres soliden Geschäftsverlaufes. Die Helvetia hat ja wiederholt Werthaltigkeit bewiesen – trotz Schuldenkrise in Europa und volatiler Aktienmärkte. So sind wir selbstredend der Ansicht, dass wir an der Börse derzeit unterbewertet sind.

Wo akquiriert die Helvetia eigentlich Ihre Führungstalente?

Aktuell vorwiegend intern. Zur Förderung des Nachwuchses betreiben wir eine systematische Nachwuchs- und Laufbahnplanung sowie ein Talentmanagement. Um innovative Impulse und Erneuerung von aussen sicherzustellen, setzen wir aber in einem gesunden Verhältnis durchaus auch auf externe Anstellungen.

Sind Sie mit dem bestehenden Angebot zufrieden?

Grundsätzlich ja, aber wir befinden uns in einem Wandel. Das Verhalten der Arbeitssuchenden ändert sich und die Welt der elektronischen Möglichkeiten bietet neue Informationsquellen. Es genügt aus Unternehmenssicht nicht mehr, auf Bewerbungen nur zu warten, sondern das Unternehmen muss selbst aktiver werden. Wir werden deshalb inskünftig im Arbeitsmarkt unsere Marktpräsenz verstärken.  
 
Sind manchmal auch Headhunter im Spiel?

Ja, in wenigen Einzelfällen.

Im Lebengeschäft in der Schweiz profitieren Sie sehr stark von der Zusammenarbeit mit der Raiffeisengruppe. In wieweit werden Sie dieses Erfolgsmodell auch im Ausland anwenden können?

Der Ausbau des Multi-Channeling-Ansatzes in allen Ländermärkten ist Teil unserer Strategie. Wir wollen insbesondere über den Ausbau der vertrieblichen Reichweite wachsen. Daher kommt der Interaktion mit den Kunden über verschiedenste Kanäle, auch über den Bankenkanal, eine grosse Bedeutung zu. Insbesondere in Italien arbeiten wir bereits seit 2008 mit der Banco di Desio zusammen.

Vor einem halben Jahr hielt Helvetia rund eine Milliarde Franken in italienischen und spanischen Staatsanleihen. Wurden diese Position weiter zurückgeführt oder gilt die Devise «hold until maturity?»

Die Exposures in Italien und Spanien dienen zur Abdeckung unserer versicherungstechnischen Verbindlichkeiten im Rahmen unserer Geschäftstätigkeiten in diesen Ländern. Ein Abbau ist nicht geplant. Grundsätzlich streben wir in den Bond-Beständen unserer italienischen und spanischen Einheiten künftig jedoch eine noch höhere Diversifikation an. Der hohe Diversifikationsgrad gewährleistet, dass der Ausfall einzelner Gegenparteien verkraftbar wäre. Wir überwachen laufend die Risiken, die sich aus der aktuellen Eurokrise ergeben, analysieren Handlungsoptionen und sind in der Lage, bei einer markanten Veränderung der Situation zusätzliche Massnahmen umzusetzen. Für uns steht im Moment ein Strategiewechsel in Spanien oder Italien nicht im Vordergrund.

Zur Person:
Stefan Loacker kam 1997 von der Rentenanstalt/Swiss Life zur damaligen Helvetia Patria nach St. Gallen. Zuerst arbeitete er als Leiter  des Ressorts Unternehmensentwicklung intensiv an der Entwicklung der Gruppenstrategie und leitete verschiedene M&A-Projekte im In- und  Ausland. 2002 wurde Loacker zum CFO und Mitglied des Vorstandes der Helvetia Österreich berufen, wo er massgeblich zum Turnaround des Unternehmens beitrug. Anfang 2005 wurde er zum CEO Österreich gewählt. Sein Studium absolvierte der gebürtige Vorarlberger an der Universität St.Gallen, mit der Spezialisierung auf Risikomanagement und Versicherung. Seit 1.9. 2007 ist er CEO.

Zum Unternehmen:
Die Helvetia ist in den vergangenen 154 Jahren aus verschiedenen schweizerischen und ausländischen Versicherungsunternehmen zu einer erfolgreichen, europaweit präsenten Versicherungsgruppe gewachsen. Heute verfügt sie über Niederlassungen in der Schweiz, in Deutschland, Österreich, Spanien, Italien und Frankreich. Der Hauptsitz der Gruppe befindet sich in St.Gallen. Die Helvetia ist im Leben-, Schaden- und Rückversicherungsgeschäft aktiv und erbringt mit rund 4 500 Mitarbeitenden Dienstleistungen für mehr als zwei Millionen Kunden, bei einem Bruttoprämienvolumen von über 4 Milliarden Franken.

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