Thomas Schori, CEO und Gründer Tide Ocean, im Interview

Thomas Schori, CEO und Gründer Tide Ocean, im Interview
Tide Ocean-Firmengründer Thomas Schori. (Foto: Nils Fisch)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Schori, Tide Ocean stellt aus Plastikabfall, der Meere und Inseln verschmutzt, wiederverwendbaren Kunststoff her. Wie kam es zur Geschäftsidee, die in die Gründung des Unternehmens im vergangenen Jahr mündete?

Thomas Schori: Wir haben über unsere Mutterfirma, die Braloba Gruppe, einen grossen Bedarf an Polyester zur Herstellung von Uhrenarmbändern für die Uhrenindustrie. Wir streben mit unseren Zulieferketten ein nachhaltiges Beschaffungsverhalten an und suchten eine neue Möglichkeit, bereits bestehende und verarbeitete Rohstoffe wiederzuverwenden. Aus einem solch innovativen Konzept entstand #tide. Es wuchs von einem internen Projekt zu einer eigenständigen Firma und steht heute für ein Gütesiegel in der Kunststoff-Kreislaufwirtschaft.

Was können Sie uns über die Arbeitsprozesse sagen? Wie wird aus einer im Wasser schwimmenden PET-Flasche der Bestandteil eines Uhrengehäuses?

Ich muss hier etwas ausholen. Die Weltmeere sind nicht voller Plastikmüll, weil bestimmte Personen den Abfall einfach so im Meer entsorgen. Der Ursprung der Verschmutzung liegt darin, dass insbesondere Inselstaaten nicht über ein modernes Recyclingsystem verfügen, wie wir es hier in der Schweiz kennen. Der Müll wird immer noch auf offenen Deponien entsorgt, so wie das früher auch in Europa geschehen ist. Weil sich Kunststoffabfälle nicht zersetzen, wachsen die Müllberge immer weiter. Die meisten südostasiatischen Staaten und Inseln haben einen direkten Meerzugang, es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die Deponie aufgrund ihrer Grösse abrutscht oder der Müll durch Wind und Wetter in den Ozean getrieben wird. Die Abfälle strömen ins offene Meer und gefährden die Umwelt und das Leben von Tier und Mensch.

Nun aber zum Arbeitsprozess: Wir bezahlen den lokalen Fischern für den gesammelten Kunststoff einen attraktiven Preis, vergleichbar damit, was sie für ein Kilo Fisch bekommen würden. So geben wir dem Abfall einen Wert und erhalten täglich neue Lieferungen von motivierten Mitarbeitern. Die Kunststoffabfälle werden sortiert, gewaschen und zu Flocken verarbeitet. Diesen Rohstoff importieren wir in die Schweiz, wo wir ihn in Zusammenarbeit mit dem Institut für Werkstoff- und Kunststofftechnik der Hochschule in Rapperswil in einem mechanischen Prozess ohne Zugabe von Chemikalien zu einem hochwertigen Granulat verarbeiten.

Vor Ihrer Lösung konnte der Plastikabfall aus den Weltmeeren nicht wiederverwendet werden. Was ist die Schwierigkeit?

Es ist eigentlich ganz einfach. Bei Plastikabfall handelt es sich wie das Wort sagt um Müll. Die Kunststoffindustrie ist eine moderne, hoch effiziente Industrie, die mit kleinen Margen rechnet. Die Verarbeitung von Müll gilt in dieser, eher konservativen und technisch orientierten Industrie, als zu aufwendig und wirtschaftlich uninteressant. Wir haben mit Tide einen anderen Weg gewählt, den Umweltgedanken in den Vordergrund gestellt, dem Abfall einen Wert gegeben und dies mit einem vollständig transparenten Kommunikations- und Marketingkonzept vereint.

«Die Kunststoffindustrie ist eine moderne, hoch effiziente Industrie, die mit kleinen Margen rechnet. Die Verarbeitung von Müll gilt in dieser, eher konservativen und technisch orientierten Industrie, als zu aufwendig und wirtschaftlich uninteressant.»
Thomas Schori, CEO und Gründer Tide Ocean

Wo lassen Sie den Plastikabfall einsammeln – und wer sammelt?

Wir konzentrieren unsere Aktivitäten auf das Epizentrum Südostasien. In Ranong, an der Westküste Thailands, haben wir eine Niederlassung eröffnet und betreiben in Zusammenarbeit mit der Schweizer Stiftung Jan & Oscar eine Sammel- und Recycling-Station. Die lokale Bevölkerung, wovon bisher ein Grossteil vom Fischfang lebte, binden wir ein und bieten eine Möglichkeit, den schwindenden Ertrag mit unserem Programm auszugleichen.

Anschliessend wird er in die Schweiz transportiert. Wo erfolgt die Verarbeitung zum Granulat?

Wir verarbeiten die Flocken in Zusammenarbeit mit unserem Partner im Kanton Solothurn zu hochwertigem Granulat. Die Verarbeitung erfolgt nach der Methode, die wir zusammen mit der Hochschule in Rapperswil entwickelt haben.

«Die lokale Bevölkerung, wovon bisher ein Grossteil vom Fischfang lebte, binden wir ein und bieten eine Möglichkeit, den schwindenden Ertrag mit unserem Programm auszugleichen.»

Liesse sich das Granulat nicht auch vor Ort, also dort wo das Plastik eingesammelt wird, herstellen?

Rein theoretisch ja. Jedoch ist der Granulierprozess komplex und wir müssen eine hohe Qualität gewährleisten können. Momentan ist dieses Wissen noch in Schweizer Hand, wir haben uns jedoch zum Ziel gesetzt, bis 2025 mindestens die Hälfte vor Ort zu verarbeiten.

Wie viel Plastik konnte bis anhin aufbereitet werden?

Aktuell haben wir rund 150 Tonnen verarbeitet.

Und wieviel soll es gemäss Ihren Plänen dereinst sein?

Das Ziel für 2020 lautet total 200 Tonnen. Bis 2025 werden wir jährlich 500 Tonnen Abfall in Form von hochwertigen Produkten wieder in den Markt einschleusen.

Wer sind die Abnehmer resp. die Produktehersteller, die Ihnen das Granulat als Rohstoff für neue Produkte abnehmen?

Dies sind vor allem Konsumgüter-Marken mit hohem Bekanntheitsgrad. Gerade diese Firmen spüren von ihrer Zielgruppe einen starken Druck bei Nachhaltigkeits- und Umweltthemen. Mit unserem Rohmaterial können sie diesen Bedarf decken und gleichzeitig sicherstellen, dass kein neuer Kunststoff aus Erdöl hergestellt wird.

Und als Käufer eines Produkts weiss ich, wo das Plastik aus dem Meer gefischt wurde?

Ja. Wir bieten einen QR-Code an, der mit dem Produkt mitgeliefert werden kann. Ein Konsument kann so sehen, wo wir Kunststoff einsammeln und verarbeiten. Zudem leben wir auf www.tide.earth eine sehr transparente Informationspolitik. So kann sich jeder Konsument selbst ein Bild unserer Tätigkeiten machen.

Die Coronakrise ist für viele Startups existenzbedrohend. Inwieweit ist Tide Ocean betroffen?

Uns hat die Krise sicherlich auch getroffen, speziell im Bereich Transport und Logistik. Im Bereich Innovation haben wir jedoch feststellen dürfen, dass viele Designer und Einkäufer im Home Office mehr Raum für das Wesentliche haben und sich auch Zeit nehmen, über Nachhaltigkeit nachzudenken. Somit haben sich die Anfragen aktuell eher erhöht. Aber auch wir müssen auf die Kosten schauen und priorisieren. Wir sind überzeugt, dass wir diese Krise erfolgreich meistern werden.

Herr Schori, besten Dank für das Interview.

Tide Ocean

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