Christoph Erni, CEO Juice Technology AG, im Interview

Christoph Erni, CEO Juice Technology AG, im Interview
Christoph Erni, CEO und Gründer Juice Technology. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Erni, wo liegen die grössten Herausforderungen für Unternehmen beim Aufbau einer eigenen Ladeinfrastruktur für ihre Elektroauto-Flotten?

Christoph Erni: Wir hören oft, dass am Standort einfach zu wenig Strom vorhanden ist, was die Effizienz des Ladevorgangs schmälert. Zudem seien die Installationen zu kompliziert, was zusätzliche Hürden schafft. Spediteure wiederum bemängeln, dass herkömmliche Ladekabel nicht lang genug seien, um Anhängerzüge zu laden. Flottenfahrer – etwa Aussendienstmitarbeiter:innen – müssen oft zu Hause laden. Dabei ist meist nicht klar, wie die Rückerstattung der Ladekosten gehandhabt werden soll. Für all diese Herausforderungen haben wir praxisorientierte, kostengünstige und einfach umzusetzende Lösungen erarbeitet.

Viele Unternehmen benötigen Schnellladestationen. Doch da stellen sich verschiedenste Herausforderungen – von der Standortwahl über die Stromversorgung bis zu den Bewilligungen. Schrecken Unternehmen davor zurück?

Bislang kannte man Schnellladestationen vor allem von Autobahnraststätten und ausgewiesenen Ladeparks. Infolgedessen hat sich die Vorstellung festgesetzt, dass HPC-Ladestationen, also solche, die mehr als 150 kW Leistung bereitstellen können, nichts für KMU sind. Es entstand der Eindruck, diese Technologie sei zu teuer, erfordere einen Netzausbau und sei mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden. Das ist von nun an kein Thema mehr. Erst kürzlich haben wir unseren JUICE ULTRA 2 battery gelauncht – eine DC-Ladestation, die direkt über eine rote Industriesteckdose an die Energieversorgung angeschlossen werden kann. Das ist ein Paradigmenwechsel. Das haben wir natürlich auch selbst ausprobiert. Und dazu ein Gerät direktbei uns am Hauptsitz aufgestellt und quasi über Mittag in Betrieb genommen. Die verblüfften Blicke über die schnelle Installation bleiben unvergesslich.

«Die DC-Ladestation JUICE ULTRA 2 battery, die direkt über eine rote Industriesteckdose an die Energieversorgung angeschlossen werden kann, ist ein Paradigmenwechsel.»
Christoph Erni, CEO Juice Technology AG

Inwieweit ist die DC-Schnellladestation JUICE ULTRA 2 battery die Antwort auf die obgenannten Herausforderungen?

Weil sie ebendiese Herausforderungen auf einen Streich beiseite fegt. Konventionelle DC-Lader erfordern Erdarbeiten und in der Regel einen erhöhten Netzanschluss und sind somit eigenständige Bauprojekte. Beim JUICE ULTRA 2 battery geht es schnell und unkompliziert: Benötigt werden lediglich eine ebene Fläche und eine Industriesteckdose. Mit ein wenig Vorbereitung und routinierten Fachkräften ist das Gerät innert einer Stunde aufgebaut. Damit sind die Hürden auf ein Minimum reduziert.

Beim JUICE ULTRA 2 battery handelt es sich um eine Schnellladestation mit zwei CCS-Ladepunkten. Ihr Geheimnis ist der integrierte Batteriespeicher und das intelligente Energiemanagement, das verschiedene Modi unterstützt: Laden nur ab Batterie oder in Kombination mit dem Stromnetz. Weil er alles in einem Gerät vereint, ist er nicht nur insgesamt günstiger, sondern auch attraktiver als eine aus Einzelkomponenten zusammengestellte Lösung von vergleichbarer Funktionalität. Er bedarf keiner langwierigen und oft kostspieligen Genehmigungsverfahren, benötigt für den Betrieb keine Anschlusserweiterung und zieht keine teuren Netzentgelte für die erhöhte Leistung nach sich.

Wie hoch sind die Speicherkapazitäten?

Der 233 kWh grosse Akku reicht für sechs Standard-Ladevorgänge in Serie und ist danach rasch wieder aufgeladen. Für die doppelte Ladepower ist auch eine 466-kWh-Akku-Variante erhältlich.

Wie schnell sind die Speicher wieder aufgeladen?

Wir haben den JUICE ULTRA 2 battery bei uns am Headquarter in Bachenbülach an eine CEE16-Steckdose angeschlossen – nur um zu demonstrieren, dass eine HPC-Station genauso wenig Strom ziehen kann wie unsere mobile 11-kW-Wallbox JUICE BOOSTER 3 air. Bis der riesige Akku-Speicher von null auf hundert Prozent geladen ist, vergeht rund ein Tag. Selbstverständlich kann der Charger auch an CEE32, CEE63 oder CEE125 angeschlossen werden, was die Ladezeit entsprechend verkürzt und ein noch schnelleres Laden und rund 40 Standard-Ladevorgänge pro Tag ermöglicht, was das Gerät auch für Schnelllade-Hubs an Fernverkehrsstrassen attraktiv macht.

Welche Rolle spielt im ganzen Prozess das Energiemanagementsystem des JUICE ULTRA 2 battery – zum Beispiel bei den Lastspitzen?

Der Batteriespeicher kann kontinuierlich mit Strom versorgt werden, was die Belastung des Netzes durch den JUICE ULTRA 2 battery auf ein Minimum reduziert. Das macht sich wiederum in deutlich geringeren Gebühren beim Netzbetreiber bemerkbar. Einsparungen von rund 80’000 Franken pro Jahr sind so möglich. Das Energiemanagementsystem lässt sich aber auch so einstellen, dass es den Batteriespeicher zu Zeiten mit tiefen Tarifen aufladen kann. Hierdurch werden Lastspitzen umgangen und gleichzeitig Stromkosten gespart. Denn zu Zeiten hoher Energienachfrage sind die Stromtarife zumeist teurer. Insgesamt ergibt sich so ein deutlich kosteneffizienterer Betrieb als bei konventionellen DC-Schnellladestationen.

«Der Batteriespeicher kann kontinuierlich mit Strom versorgt werden, was die Belastung des Netzes durch den JUICE ULTRA 2 battery auf ein Minimum reduziert. (…) Einsparungen von rund 80’000 Franken pro Jahr sind so möglich.»

Lassen sich auch Photovoltaikanlagen integrieren?

Ja, natürlich; der JUICE ULTRA 2 battery kann problemlos in Kombination mit einer PV-Anlage verwendet werden. Dafür sind keine zusätzlichen Installationen erforderlich. Mit dieser Konfiguration – Solaranlage plus Batteriespeicher mit DC-Schnelllader – schlägt man sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe. Ist eine grössere PV-Anlage vorhanden, muss der überschüssige Strom nicht mehr zu unrentablen Vergütungssätzen ins Netz eingespeist werden, sondern kann stattdessen direkt lokal genutzt werden. Das Laden der Autos ist dann im Prinzip gratis. Wer die Ladestation dann noch mit unserem Kreditkarten-Zahlungsmodul ausrüstet, kann die Ladepunkte öffentlich anbieten und sogar Geld damit verdienen.

Lassen Sie uns noch über die Entwicklung der Elektromobilität und die Ladeinfrastruktur sprechen. Trotz der gestiegenen Akzeptanz von Elektroautos bleiben hartnäckige Vorurteile bezüglich Kosten, Reichweite und Lademöglichkeiten. Wie lassen sich diese entkräften?

Hier hilft es, mit sachlichen Informationen dagegenzuhalten – Zahlen und Fakten gegen Falschinformationen und Mythen. Tatsache ist, dass ein Elektroauto einem Verbrenner allein bei den Betriebskosten und in der Gesamtkostenrechnung, aber auch bei den CO2-Emissionen und selbstverständlich in Sachen Fahrspass meilenweit überlegen ist.

Die Reichweite steigt von Jahr zu Jahr. Reichte eine Batterieladung im Jahr 2017 im Schnitt für eine Strecke von 241 Kilometern, waren es 2019 bereits 324 km und dürften heute irgendwo zwischen 370 und 470 km liegen. Für den normalen Fahralltag, bei dem selten mehr als 30 – 40 km zurückgelegt werden, ist das mehr als genug. Mit den zu erwartenden Batterietechnologien werden Elektroautos in wenigen Jahren in Sachen Reichweite mit Verbrennern gleichziehen oder diese sogar übertreffen, so dass sie auch auf Langstrecken konkurrenzlos sind.

«Mit den zu erwartenden Batterietechnologien werden Elektroautos in wenigen Jahren in Sachen Reichweite mit Verbrennern gleichziehen oder diese sogar übertreffen.»

Mit knapp 18’000 öffentlich zugänglichen Ladepunkten ist die Ladeinfrastrukturdichte in der Schweiz eine der höchsten der Welt. Davon sind 16 Prozent Schnellladepunkte. Zwar gibt es hierzulande noch keinen rechtlichen Anspruch auf eine Wallbox in Mehrfamilienhäusern, gleichwohl gelten Ladestationen als nützliche bauliche Massnahme. Ladeinfrastruktur ist schliesslich dort am sinnvollsten, wo Autos am längsten stehen, also auf Parkflächen und in gemeinschaftlich genutzten Einstellhallen.

Wie beurteilen Sie die privatwirtschaftlichen Efforts in die Ladeinfrastruktur? Und wo könnte der Staat unterstützend eingreifen?

Nicht zuletzt machen Initiativen privater Ladeinfrastrukturbetreiber ein weiteres Wachstum bei den elektrischen Antrieben überhaupt erst möglich. Dass der Aufbau einer leistungsfähigen Ladeinfrastruktur eine zentrale Voraussetzung dafür ist, damit sich die Elektromobilität weiter durchsetzen kann, haben mittlerweile auch Politiker unterschiedlicher Couleur erkannt und erachten die Förderung einer Grundinfrastruktur für Ladestationen in Wohngebäuden als unterstützenswert.

Auf nationaler Ebene ist swiss-eMobility-Präsident Jürg Grossen dabei, mit parlamentarischen Vorstössen eine gesetzliche Grundlage für einen Anspruch von Mietern und Stockwerkeigentümern auf den Zugang zu einer Ladestation für Elektroautos zu erwirken. Dabei weiss er eine breite Unterstützung des Parlaments auf seiner Seite. Ich bin grundsätzlich gegen staatliche Eingriffe, aber im Bereich der Mehrfamilienhäuser hat sich bisher zu wenig getan. Die Variante mit der Förderung der Grundinstallation erscheint mir sinnvoller als eine direkte Subventionierung von Ladestationen für Privatpersonen.

Wer die Schlagzeilen der letzten Wochen und Monate liest, bekommt den Eindruck, als würde der Transformationsmotor stottern. Stimmt der Eindruck?

Zumindest was die Schweiz betrifft, täuscht der Eindruck. Tatsächlich wurden im Dezember 2023 im Verhältnis zum Gesamtmarkt mehr Elektroautos verkauft als je zuvor. Das Wachstum der Elektromobilität setzt sich fort, auch wenn vielleicht nicht so explosiv wie erwartet. Im vergangenen Jahr machten Elektroautos bereits mehr als ein Fünftel des Gesamtmarktes aus, und das Model Y von Tesla war das dritte Jahr in Folge das meistverkaufte Fahrzeug in der Schweiz.

Auch der Absatz von elektrischen Liefer- und Lastwagen legt weiterhin kräftig zu. Wir befinden uns aktuell in einer Phase, in der die Elektromobilität dank spezialisierter Fahrzeuge für unterschiedliche Anwendungsbereiche zunehmend die breite Masse und diverse Wirtschaftssektoren erreicht.

«Das Wachstum der Elektromobilität setzt sich fort, auch wenn vielleicht nicht so explosiv wie erwartet.»

Natürlich gibt es nach wie vor Debatten über die sogenannte „Technologieoffenheit“, die von bestimmten Lobbygruppen angeheizt werden. Der Diskurs aus Deutschland, der sich an den dortigen Energiepreissteigerungen entzündet, schwappt zu uns herüber. Aber gerade in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen ist es wichtig, sich nicht davon verunsichern zu lassen. Letztlich wird der Elektroantrieb langfristig die Oberhand gewinnen.

Viel wird über die Preise der Fahrzeuge gesprochen, oder dass viele Hersteller es verpasst haben, kleine und kostengünstige Modelle auf den Markt zu bringen. Die chinesischen Hersteller nutzen das aus und wollen – unterstützt von staatlichen Förderprogrammen – den westlichen Markt erobern. Wird ihnen das gelingen?

Die europäische Automobilindustrie leidet unter einer nach wie vor relativ hohen Inflation und einem verhaltenen Wirtschaftswachstum, was die Produkte verteuert und die Attraktivität des ohnehin nicht besonders lukrativen Kompakt- und Mittelklassesegments mindert. Das chinesische Konjunkturprogramm, das stark auf die Förderung der Exportwirtschaft setzt, verstärkt den Druck auf die traditionellen Automobilhersteller zusätzlich.

Einige Länder wie die USA, Brasilien oder die Türkei ergreifen bereits Massnahmen, um ihre Märkte vor der chinesischen Konkurrenz zu schützen. Dagegen will die EU zuerst einen Nachweis für mögliche Marktverzerrungen durch staatliche Subventionen Chinas erbringen, bevor sie zu weiteren Massnahmen greift. Allerdings könnten die in Aussicht gestellten Strafzölle zu Gegenmassnahmen führen und sich als Bumerang für die europäischen Autobauer in China erweisen. Schliesslich verkauft beispielsweise Deutschland derzeit immer noch rund zehnmal mehr Autos in China als umgekehrt. Jedoch deutet sich eine Veränderung dieser Dynamik an, und dieser Trend wird früher oder später zu einer Neuordnung der Automobilindustrie führen.

Jedenfalls wird die preisliche Attraktivität von Mittelklassewagen weiterhin die Entwicklung der Elektromobilität vorantreiben und neue Absatzmärkte erschliessen, die bisher zurückhaltend waren. Das wiederum birgt viel Potenzial für Hersteller von Ladelösungen wie Juice, da die Nachfrage nach smarten Ladetechnologien kontinuierlich steigen wird.

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