Ancillo Canepa, Präsident FC Zürich

Von Helmuth Fuchs


Moneycab: Herr Canepa, nach Ihrer langen Karriere bei Ernst & Young, wo Sie zuletzt als Mitglied der Geschäftsleitung für den Bereich Wirtschaftsprüfung verantwortlich waren, kam vor fünf Jahren der Wechsel in den Verwaltungsrat des FCZ, dem Sie seit 2006 als Präsident vorstehen. Was hat Sie damals bewogen von der hoch seriösen Wirtschaftsprüfung in den hoch emotionalen Unterhaltungsbereich Fussball zu wechseln?


Ancillo Canepa: Ich war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort? Nein, im Ernst: Ich lernte 2004 Sven  Hotz, meinen legendären Vorgänger kennen. Er suchte Investoren. Ich sagte zu und gleichzeitig wollte er mich aber in den Verwaltungsrat holen. Bereits nach wenigen Wochen fragte er mich, ob ich seine Nachfolge antreten würde. Zum selben Zeitpunkt hätte ich bei Ernst & Young eine interessante Führungsaufgabe auf internationaler Ebene mit Verantwortung für mehrere Tausend MitarbeiterInnen und für einen Umsatz von mehreren Milliarden Franken übernehmen sollen. Wenn man aber sein Hobby, seine Leidenschaft, zum Beruf machen kann, überlegt man nicht lange. Also habe ich in Absprache mit meinem Bauch zugesagt und einen Berufswechsel vorgenommen. Ich wollte dieses Amt aber nur im Vollamt ausüben, eine Teilzeit- oder Nebenbeschäftigung wäre für mich nicht in Frage gekommen. Das alles selbstverständlich in Absprache mit meiner Frau, die mich von Beginn weg in jeder Beziehung sehr unterstützt hat. Per 31. Dezember 2006 bin ich dann offiziell bei Ernst & Young ausgetreten. Emotional war es ein Austritt mit einem weinenden, aber auch mit einem lachenden Auge.



«Die nächste Saison ist extrem wichtig: der Schweizer Meister qualifiziert sich erstmals direkt für die Gruppenphase der Champions League. Dar waren wir dabei, da wollen wir wieder hin.» Ancillo Canepa, Präsident des Fussball Clubs Zürich (FCZ)


Zürich sieht sich gerne als kleine Weltstadt. Wenn man das Gezerre um den Bau und danach um die Benutzung des  neuen Fussballstadions, die doch überschaubaren Zuschauerzahlen und die bescheidene politische Unterstützung berücksichtigt, muss man sich fragen, ob sich Zürich überhaupt eine Mannschaft von europäischem Spitzenformat leisten will. Wie sehen Sie die Zukunft des FCZ, Provinz oder Champions League?


Als ich dem Vizepräsidenten von AC Milan schilderte, unter welchen Rahmenbedingungen wir Profi-Fussball in der Schweiz und speziell in Zürich betreiben müssen, schüttelte er nur ungläubig den Kopf. «Ma Zurigo e una grande e importante città in Europa» meinte er. Tatsche ist: Zürich ist ein sehr hartes Pflaster. Grosse Sport- und Unterhaltungskonkurrenz, höchst anspruchsvolles Zuschauerpublikum (cherry picking), schwierige gesetzliche Rahmenbedingungen, wenig aktive Unterstützung durch die öffentliche Hand, ständig wachsende Auferlegung von Kosten (Miete, Sicherheitskosten, Polizeikosten, jetzt kommt auch noch die SBB mit Forderungen), suboptimale Infrastruktur, kein Fussballstadion, geringe Fernsehgelder und so weiter. In Basel oder Bern wird erfolgreicher Fussball in vielerlei Hinsicht bedeutend mehr honoriert.


Sie haben am 20. April die Entlassung von Bernard Challandes bekannt gegeben. Er hatte den FCZ in der letzten Saison zum Meistertitel und erstmals in der Vereinsgeschichte in die Champions League geführt. Weshalb kam es nach diesen Erfolgen und einer dreijährigen Zusammenarbeit zur Entlassung?


Wir wollten die Zusammenarbeit bis Ende Saison weiterführen. Leider haben sich Trainer und Mannschaft schneller als befürchtet auseinander gelebt. Die unselige Niederlage gegen den späteren Absteiger Aarau war für uns das Signal, bereits vorzeitig eine Änderung vorzunehmen, dies im Hinblick auf die Vorbereitung und die Planung der nächsten Saison. Da wir mit Bernard Challandes eine ausgesprochen kollegiale Beziehung pflegten, war diese Trennung auch für uns emotional nicht einfach umzusetzen.



«Für mich ist gegenseitiges Vertrauen eine Grundvoraussetzung, um mit den verschiedenen Exponenten im Fussballgeschäft zusammenarbeiten zu wollen. Das heisst aber auch, dass ich Gegenseitigkeit erwarte und entsprechend reagiere und handle, wenn diese nicht gegeben ist.»


Nach dem Meistertitel 2009 haben Sie den Vertrag mit Bernard Challandes frühzeitig  bis 2012 verlängert. Was sind die finanziellen Konsequenzen aus diesem bestehenden Vertrag nach seiner Entlassung?


Wir haben bereits damals schriftlich ein Exit-Szenario definiert. Und genau so haben wir in finanzieller Hinsicht diese Trennung ohne Aufheben vornehmen können.


In der aktuellen Wirtschaftskrise wird viel vom Vertrauen geredet, das die Basis jeder anhaltenden Geschäftsbeziehung sei. Nach dem Lucien Favre im Juni 2007 den FCZ trotz anderslautenden Beteuerungen schlagartig in Richtung Berlin verliess, entliessen Sie jetzt den Trainer trotz laufenden Vertrags. Wie kann sich in einer solchen Konstellation Vertrauen bilden und wie wichtig ist Vertrauen im Fussballgeschäft überhaupt?


Ob Sie es glauben oder nicht: Für mich ist gegenseitiges Vertrauen eine Grundvoraussetzung, um mit den verschiedenen Exponenten im Fussballgeschäft zusammenarbeiten zu wollen. Das heisst aber auch, dass ich Gegenseitigkeit erwarte und entsprechend reagiere und handle, wenn diese nicht gegeben ist. Mit Challandes waren wir betreffend seiner Position bereits seit einigen Monaten im ständigen und offenen Dialog. Die mögliche Trennung per Ende Saison war in gegenseitigem Einvernehmen praktisch schon vor einigen Wochen vereinbart gewesen.



«Externe Kommunikation, besonders wenn es sich um «unangenehme» Themen handelt, ist Chef-Sache. Das vermisse ich gelegentlich bei Grossunternehmen. Da wird ein uninformierter Pressesprecher vorgeschoben, der dann mehr Schaden verursacht, als Vertrauen zu schaffen.»


Als Präsident des FCZ sind Sie zumindest in Zürich eine Person von hohem öffentlichem Interesse. Zudem mischen sich Fussballfans gerne und lautstark in alle Debatten rund um ihren Klub ein. Wie stark werden Ihre Entscheide von der öffentlichen Meinung mitgeprägt, wo ziehen Sie die Grenzen des Öffentlichkeits-Anspruchs?


Als Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater oder dann als Chef war ich mich gewohnt, in geordnetem, Vertraulichkeit respektierendem Umfeld mich primär mit erfahrenen und top-ausgebildeten Personen zu beschäftigen. Mit dieser von Ihnen angesprochenen Öffentlichkeits-Relevanz war für mich sicherlich die grösste Umstellung verbunden. Ich wurde und werde beinahe täglich mit zahlreichen Medienanfragen von Zeitungen, Radio oder Fernsehen konfrontiert. Wenn immer möglich erfülle ich solche Anfragen, auch wenn dadurch mein persönlicher Tagesplan völlig über den Haufen geworfen wird. Besonders dann, wenn ein Thema aus dem sportlichen oder operativen Umfeld unerwartet und ohne Vorankündigung die Medien beschäftigt. Externe Kommunikation, besonders wenn es sich um «unangenehme» Themen handelt, ist Chef-Sache. Das vermisse ich gelegentlich bei Grossunternehmen. Da wird ein uninformierter Pressesprecher vorgeschoben, der dann mehr Schaden verursacht, als Vertrauen zu schaffen. Klar, es ist selten angenehm, wenn man als Nichtverursacher für Alles und Jedes trotzdem den Kopf hinhalten muss. Aber das gehört zu meinem Job.


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Während in der Wirtschaft in einer Krise meist zuerst die Mitarbeiter entlassen werden und die Führungsspitze oft bleibt, scheint es im Fussball genau umgekehrt zu sein. Die Mannschaft bleibt, der Trainer wird entlassen, auch wenn,  wie im Falle Challandes, wohl eher die Mannschaft als der Trainer versagt hat. Welches Modell ist für Sie das bessere?


Ich denke auch, dass in der «normalen» Wirtschaft unfähige, selbstverliebte und/oder nicht integre Manager zulange ihr Unwesen t reiben dürfen. Ich habe in den vielen Jahren bei Ernst & Young in die Interna zahlreicher Firmen Einblick nehmen können. Je höher in der Hierarchie, je grösser die Firma, desto fester sind die obersten Manager im internen und externen Netzwerk verklebt. Weshalb? Es finden sich selten Personen, auch im VR, die den Mut haben, auf eigenes, persönliches Risiko hin ein offenes und transparentes Change-Management zu initiieren. Und die betroffenen Manager verstehen es oft meisterlich, ihre persönliche Agenda auf allen Ebenen durchzudrücken. Deshalb ist der vorgängige Rekrutierungsprozess so wichtig. Hier werden immer noch unverzeihliche Fehler begangen. Besonders unfähige VR-Präsidenten werden sie fast nicht mehr los.  Und: «Prominenz» ist nicht immer gleichzusetzen mit «Kompetenz». Also: «System Fussball» ist so schlecht nicht.


Wie klar ist die Trennung zwischen dem operativen Belangen des FCZ, die der Trainer zu verantworten hat und der strategischen Führung, die Sie im Wesentlichen mit Fredy Bickel wahrnehmen und in welchem Bereich orten Sie das grösste Verbesserungspotenzial?


Wir sind ein KMU. Unsere strategische und operative Philosophie will einem  vernünftig geführten Familienunternehmen ähneln, will sagen, dass wir intensiv im Team arbeiten, kurze Entscheidungswege haben und einen kontinuierlichen internen Dialog quer durch alle Hierarchien pflegen wollen. Klar, der Chef eines solchen Unternehmens hat Einfluss und muss diesen je nach Situation auch ausüben. Wir können uns noch in allen Bereichen weiterentwickeln.



«Ich würde keine Aufgabe übernehmen, bei der vor allem viel gereist, viel gegessen, viel getrunken und wenig bewegt wird.»


Der FCZ hat in dieser Saison den angestrebten vierten Platz verpasst. Was ist für Sie als Präsident jetzt die wichtigste Aufgabe im Hinblick auf die kommende Saison, welche Ziele setzen Sie sich und welchen finanziellen Spielraum haben Sie ohne eine Teilnahme an den lukrativen internationalen Serien?


Wie in einem «normalen» Unternehmen: Physisches und mentales Change Management auf allen Stufen. Personell neue sportliche Leitung, Kaderanpassung bei den Spielern, neue Abläufe in Training und Spielvorbereitung, Anpassung des Salärierungssystems (Prämienreglement noch erfolgsorientierter), Verbesserung der infrastrukturellen Rahmenbedingungen und vor allem Einimpfung ambitionierter Ziele. Das alles ist mit Führung, aber auch mit gewissen finanziellen Investitionen verbunden. Die nächste Saison ist extrem wichtig: der Schweizer Meister qualifiziert sich erstmals direkt für die Gruppenphase der Champions League. Dar waren wir dabei, da wollen wir wieder hin.


Fünf Jahre sind markieren bei Führungspositionen oft den Zeitpunkt, neue Herausforderungen zu suchen. Könnten Sie sich eine andere Aufgabe vorstellen, die Sie noch reizen würde?


Ich habe mir darüber konkret noch keine Gedanken gemacht. Aber wenn Sie schon fragen: Klar, ich kann mir verschiedene neue Aufgaben vorstellen. Aber ich würde keine Aufgabe übernehmen, bei der vor allem viel gereist, viel gegessen, viel getrunken und wenig bewegt wird. Ausserdem müsste es sich auch in Zukunft um das Thema Fussball im engeren oder weiteren Sinn handeln. Spasseshalber und nur für den internen Gebrauch bestimmt habe ich auch schon gesagt: Ich orientiere mich erst dann neu, wenn wir beim FCZ den zweiten Stern geholt haben. Der Fussball-Experte kann sich jetzt selber ausrechnen, wie lange ich noch gedenke zu bleiben?


Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen diese aus?


Nur zwei? Meistertitel 2010/2011 und bald ein neues Fussball-Stadion in Zürich.





Der Gesprächspartner:
Ancillo Canepa, Präsident FCZ, Jahrgang 1953, verheiratet mit Heliane Canepa

Ausbildung:
–  Dipl. Betriebsökonom (1973-76)
– Dipl. Wirtschaftsprüfer (1980-82)


Berufliche Tätigkeit:
Ernst & Young 1976-2006:
Prüfer und Berater von nationalen und internationalen Unternehmen und Konzernen;
Leiter Mergers & Acquisitions; Leiter Wirtschaftsprüfung;
Mitglied der Geschäftsleitung; Member of Global Audit Executive Committee

Tätigkeit FC Zürich
– Mitglied Verwaltungsrat seit 15. Dezember 2005
– Vollamtlicher VR-Präsident seit 3. Dezember 2006

Tätigkeit SFL
– Mitglied des Komitees seit 15. November 2008

Ancillo Canepa ist 1976 in die Prüfungs- und Beratungsfirma Ernst & Young eingetreten. Zwischen 1976 und 1992 war er als Wirtschaftsprüfer und -berater im In- und Ausland tätig, u. a. bei Ernst & Young in Boston (USA).
Von 1987-1993 fungierte er ausserdem als Fachsekretär der «Fachkommission für Empfehlungen der Rechnungslegung» und war Mitglied verschiedener bundesrätlicher Experten-Kommissionen («Neues Aktienrecht» oder «Rechnungslegung für Banken»).
Von 1993-1997 führte Ancillo Canepa die Mergers & Acquisitions-Niederlassung in Zürich. In dieser Zeit leitete er verschiedene grössere Projekte in den Bereichen Unternehmenskauf/-verkauf, Going Public, Due Diligence und Unternehmensbewertung.
Von 1998-2006 leitete Ancillo Canepa als Mitglied der Geschäftsleitung die Sparte Wirtschaftsprüfung der Ernst & Young, war während mehrerer Jahren auch für das Marketing zuständig und auf internationaler Ebene Mitglied des globalen «Audit Executive Committee» von Ernst & Young. Er leitete u. a. das Projekt «Untersuchung Swissair», diverse Projekte im professionellen Fussball und war daneben als Autor und Referent tätig.

Nach der Wahl zum Präsidenten des FC Zürich im Jahr 2006 verliess Ancillo Canepa Ernst & Young. Er ist seither als vollamtlicher Präsident und Vorsitzender der Geschäftsleitung ausschliesslich für den FC Zürich tätig. Seit 2008 ist er zudem Komitee-Mitglied der Swiss Football League und seit 2009 Vizepräsident der Vereinigung Pro Sport Zürich.


Das Unternehmen:
Der FC Zürich (abgekürzt FCZ) ist ein Fussballverein aus der Stadt Zürich (in Abgrenzung vom Lokalrivalen Grasshopper-Club Zürich auch «Der Stadtclub» genannt). Die Vereinsfarben sind blau und weiss. Er wurde am 1. August 1896 von ehemaligen Mitgliedern der drei Lokalvereine FC Turicum, FC Excelsior und FC Viktoria gegründet und ist einer der ältesten und traditionsreichsten Sportvereine der Schweiz.


Die erste Mannschaft spielt in der Axpo Super League und gewann bisher zwölf Mal die Meisterschaft und sieben Mal den Schweizer Cup. International konnte man 1964 und 1977 Erfolge feiern, als man bis ins Halbfinale des Europapokal der Landesmeister kam. Die Heimspiele trägt die erste Fussballmannschaft des FC Zürich seit 2007 im umgebauten Letzigrund aus. Der FCZ besitzt eine grosse Juniorenabteilung. Die U21-Mannschaft spielt in der 1. Liga (dritthöchste Spielklasse) und somit in der für sie höchstmöglichen Liga.
(Quelle: Wikipedia)

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