Andrea Pfeifer, CEO AC Immune: «Wir haben im Vakzin-Bereich den gleichen Stand wie Cytos»

Von André Schäppi


Moneycab: Frau Pfeifer, können Sie erklären, was Ihr Unternehmen macht?


Andrea Pfeifer: Ziel ist die Entwicklung von Wirkstoffen gegen Alzheimer und Krebs, wovon sich die beiden Buchstaben A für Alzheimer und C für Cancer des Firmennamens AC Immune ableiten. Aktuell entwickeln wir drei verschiedene Therapiemöglichkeiten gegen Alzheimer: Die erste arbeitet mit sogenannte aktiven Vakzinen, also Impfstoffen. Ziel dieser Impfung ist es, das körpereigene Immunsystem zur Bildung spezifischer Antikörper anzuregen und so eine spezifische Immunität gegen Alzheimer zu bewirken. Bei der zweiten Therapievariante mit passiven Vakzinen werden spezifische Antikörper in hoher Konzentration verabreicht. Diese zwei Therapien attackieren die krankheitsauslösenden Proteinverklumpungen im Hirn und sollen Alzheimer stoppen oder gar rückgängig machen.. Die dritte arbeitet mit kleinen chemischen Molekülen, die wiederum spezifisch mit den krankheitsauslösenden Proteinen bei der Alzheimer Krankheit interagieren und sie hemmen. Alle drei Ansätze führen zu Medikamenten, die erstmals die Krankheit an ihren Wurzeln angehen können.


Gibt es dazu bereits erste Erfahrungen mit den beiden Therapieformen von AC Immune?


Erste Versuche mit Mäusen waren erfolgsversprechend. Die Tiere zeigten nach der Behandlung eine messbar bessere Hirnfunktion und einen Abbau der Proteinklumpen.


Und wie sieht der weitere Fahrplan aus?


Die klinischen Studien an Menschen sollten dieses Jahr beginnen und wenn alles optimal läuft, und dafür stehen die Zeichen gut, könnte frühestens 2013 ein Medikament auf den Markt kommen.


Derartige Entwicklungen kosten ja bis zur Markteinführung immens Geld. Wer hat die Entwicklung bisher finanziert?


Bis heute hat AC Immune 24 Millionen Schweizer Franken erhalten, die überwiegend von privaten Investoren stammen, darunter Rudolf Maag, Präsident des Zahnmedizin-Unternehmens Straumann, oder SAP-Gründer Dietmar Hopp stammen. Unsere Investoren zeichnen sich dadurch aus, dass sie selber Unternehmer sind oder waren. Und das passt zu AC Immune. Wichtig ist für uns ein sehr enges Kostenmanagement, das heisst, es wird nur soviel Geld ausgegeben, wie unbedingt nötig.


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Dann hat AC Immune letzten Dezember einen Vertrag von über USD 300 Mio. für die Lizenzierung des von AC Immune entwickelten Anti-Beta-Amyloid-Antikörpers, ein Stoff für die Alzheimer-Behandlung, mit Genentech abgeschlossen. Genentech, die amerikanische Roche-Tochter, muss wohl recht überzeugt sein, damit den richtigen Weg einzuschlagen?


Ich weiss, dass Genentech mehrere Unternehmen angeschaut hat, die einen ähnlichen Ansatz haben wie wir. Aufgrund der Funktionen und Charakteristiken wurde dann unserer Anti-Beta-Amyloid-Antikörper ausgewählt, weil er eine hohe Spezifität gegenüber der veränderten und damit kranken Form des Proteins zeigt. Das heisst, dass er sich bevorzugt an diese Form bindet und dieses Protein wieder in den ursprünglichen gesunden Zustand bringt. Das macht unseren Wirkstoff besonders interessant für Genentech, nicht zuletzt deshalb, weil die zu erwartenden Nebenwirkungen sehr gering sein sollten.


Wie sieht denn der Deal mit Genentech genau aus?


Genentech zahlt für die Lizenzierung über USD 300 Millionen, wenn klinische und regulatorische Meilensteine für die Alzheimer-Behandlung und andere Indikationen erreicht werden. Ausserdem stellt Genentech Mittel für ein mehrjähriges, gemeinsames Forschungsprogramm bereit und wird sämtliche Kosten für die Entwicklung und klinischen Studien des ausgewählten Hauptantikörpers sowie nachfolgender potenzieller Antikörper tragen. Darüber hinaus wird Genentech bei einer späteren Vermarktung des Produktes Lizenzgebühren auf Grundlage seines Umsatzes bezahlen.


Wenn AC Immune erfolgreich ist, wird das wohl das «Aus» für das Unternehmen bedeuten und dieses wird vermutlich an ein Pharmaunternehmen verkauft. Oder gibt es andere Szenarien?


Nicht unbedingt. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wäre das eine Möglichkeit. Aber wir wollen uns heute nicht festlegen und halten uns auch andere Optionen offen. Weil die Wirkstoffpalette der AC Immune wesentlich breiter ist und zudem weitere Stoffe in der Pipeline sind, könnten wir die Lizenzierung mit Genentech problemlos weiterlaufen lassen, ohne uns dadurch einzuschränken.


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Früher hat man auch einen Börsengang zur Finanzierung in Betracht gezogen und diesen für etwa 2009/2010 angepeilt. Steht ein derartiger Schritt eigentlich überhaupt noch zur Diskussion?


Absolut. Der Börsengang ist weiterhin eine interessante Möglichkeit für die Zukunftssicherung unseres Unternehmens. Deshalb verfolgen wir diesen Schritt nach wie vor mit der notwendigen Sorgfalt. Mit unseren drei Standbeinen (aktive und passive Vakzine sowie kleine Moleküle) mit unterschiedlichen Technologien hätten wir auch eine genügend breite Produktpipeline, sodass wir sicherer abgestützt und dadurch auch risikoärmer wären.


Wie präsentiert sich eigentlich die Konkurrenzsituation für Alzheimer-Medikamente?


Auf dem Markt gibt es weltweit eigentlich nur zwei Firmen im Vakzin-Bereich, die einen vergleichbaren Stand haben, sowohl vom Zeitrahmen für die Markt-Lancierung eines möglichen Medikaments als auch forschungsseitig. Das ist die bereits börsenkotierte Cytos und AC Immune. Im Antikörperbereich gibt es natürlich sehr viel mehr Unternehmen. Aber wir sind sicher, dass unser Wirkstoff wesentliche Vorteile bietet.



Zur Person
Andrea Pfeifer ist gebürtige Bayerin. Die heute 49jährige hat in Würzburg Pharmazie studiert und in Toxikologie/Pharmakologie promoviert. Dann folgten mehrere Jahre in der Krebsforschung in den USA, bevor sie 1998 nach Europa zurückkam, beim Nahrungs-Multi Nestlé einstieg und dort 2001 die Funktion der globalen Forschungschefin mit mehr als 800 Mitarbeitenden bekleidete. Sie ist Mitbegründerin und aktuell Beraterin des Nestlé-Forschungsfonds, den der Konzern mit 100 Mio. Euro äufnete. Heute ist Andrea Pfeifer CEO der AC Immune und Professorin an der ETH Lausanne.


Zum Unternehmen
Das noch kleine, heute 17köpfige Unternehmen wurde 2003 von Andrea Pfeifer gegründet, unter anderem zusammen mit dem Harvard-Zellbiologen Claude Nicolau, dem französischen Nobelpreisträger Jean-Marie Lehn und dem belgischen Alzheimer-Experten Fred van Leuven. AC Immune hat seinen Sitz auf dem Campus der Eidgenössisch Technischen Hochschule Lausanne.

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