Biennale Venedig: Der Kunstsommer ist eröffnet

von Tanja Hess

Wie sind die Impulse der Kunstszene? Schnell und immer intensiver beginnt sich das Karusell der Kunstsammler zu drehen. Neue Trends sind das Wichtigste für den Sammler. Einige Trends zeichnen sich deutlich ab. Der deutlichste Trendist der Boom des Sammelns von Kunst an sich.


 







Globale Dynamik und verschüttete Identitäten
In der Polarität von Ruhe und überreizten Sinnen spielt sich so manchen Ausstellungen ab. Die Länderpavillons in den Giardinis, damit beginnt jeder Kunstliebhaber seine Tour in Venedig, bewegen sich in diesem Spannungsfeld. Während sich der französische Pavillon in einer berührenden Ruhe präsentiert, so ist die Reizüberflutung des russischen Pavillon so absolut wie schrill.




Verlorener Anschluss
Andrey Bartenevs (Russischer Pavillon) «Lost connection» lässt Wörter in Hochgeschwindigkeit rotieren, so dass sie nicht mehr lesbar sind. Erst das Foto zeigt die Buxhstaben, das Auge ist zu langsam. Damit Thematisiert er den nicht mehr fassbaren Informationsfluss im beginnenden Jahrtausend. Der Künstler inszeniert sich gleich selbst mit als schriller Tourist im verpiegelt endlosen Universum des Glitzens.

Die 52. Biennale bringt manche Überraschung
Vom 10 Juni bis zum 21. November ist in der Lagunenstadt in Kirchen und in Palästen, in den Giardinis und im Arsenale viel zu entdecken.
Unter dem Motto: «Think with the Senses – Feel with the Mind. Art in the Present Tense.» Der amerikanische Kurator Robert Storr hat sich mit dem Thema der Hauptausstellung intensiv auseinander gesetzt. Das Resultat ist mehr als spannend.


 


In Briefen gibt es oft eine zweite Wahrheit
Von einer besonderen Anmut und beinahe still zu stehenden Zeit zeugt die Installation von Sophie Calle im französischen Pavillon. Die Künstlerin hat 104 Frauen einen Abschiedsbrief vorgelegt. Die unterschiedlichen Antworten auf diesen Brief bilden die Ausstellung. Mit den Portraits der lesenden Frauen und deren Antworten hat sie ein intensives Dickicht der Gefühle gewoben.









Die Besucher stehen bar jedes Zeitgefühls vor den Bildern, tauchen ein in die Texte, nehmen Anteil und verlassen den Raum durchaus mit mehr Fragen zum eigenen Leben, als sie ihn betreten haben. Das Erlebnis des Abtauchens in die eigene Welt wurde kaum schon schöner, poetischer und differenzierter angegangen.
Der Französiche Pavillon zeigt intensive Worte in feinen Bildern.


 


Grossbritanniens Körperkult
Tracy Emin setzt den Körper und die Sexualität ins Zentrum der Arbeit, intensive Bilder und sich auflösende Bildgründe setzen dem überreizten Thema einen klaren Hintergrund. Was bleibt ist ein intensiver Nachdruck des Überreizten in einer bildpoetischen Sprache.


 



Masao Okabe: Mit Graphit auf den Spurensicherung der Geschichte.

Japans Geschichtssuche: Is there a futere for oure past?
Japans Pavillon in den Giardinis ist ein formales Erlebnis. Dicht an dicht drängen sich die Rahmen der Frottagen von Bahnsteigen, durchbrochen wird die tapezierende Hängung durch einige wenige Bildschirme, die das Thema digital angehen. Poetisch sind in einigen Rahmen Fundstücke wie Gräser zu sehen. Masao Okabe trifft mit der poetischen Ausstellung den Nerv der Zeit. In der Zeit der Globalisierung sind die Wurzeln verloren gegangen. Oftmals weiss man den Hintergrund für Handlungen und Werte nicht mehr. Andererseits geht mit der Globalisierung die Wertschätzung für Historisches. Dieses Paradox ist Zentrum der Auseinandersetzung des Werks.



Masao Okabe: Installation mit Granitstein, Videos und Zeichnungen.


Atopia oder der Zustand des Notfalls
Atopia heisst der Begriff mit dem Taipei an die Biennale drängt. Atopia ist ein Nicht-Ort. Keine Grenzen, keine Identität, keine spezifische Kultur – dies verbindet die beiden Begriffe Atopia und Globalisierung. Das Spiel mit der Ausnahme ist


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Cao Fei, Kan Xuan, Shen Yuan und Yin Xiuzhen, vier Chinesinnen inszenieren das moderne Inferno. Die Rolle der Frau in China wird immer zentraler.

ein Spiel der Grenzenlosigkeit. So mischt sich Witz mit Wahnsinn, Spielerei mit Brutalität und Poesie mit Nüchternheit. Was bleibt nach einem berauschenden Fest der Sinne; es ist der Zustand des Notfalls.
So ist auch der Ort der Ausstellung gut gewählt. Im Kerker des Dogenpalastes ist die Dunkelheit tief, die Wände sind dick und kontrastieren die filigranen Inszenierungen von Licht, Led und Plastik. 


 


Dänemarks Liebe zur Malerei
Und auch die Malerei wird von einigen Ländern ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt. So zeigen Österreich und Dänemark ihre Liebe kompromisslos. Troels Wörsels Bildern sind stillos und lassen sich von den Bildern des Alltags inspirieren. Karten, Pläne und Alltagsgrafik sind die Ausgangspunkte seiner Arbeiten. Das Auge mag die grossen Flächen, auf denen ein Pinselstrich zum Weltgeschehen wird.



Titellose Bilder von Troels Wörsel mit viel Inhalt und Anspielungen im dänischen Pavillon.

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