Börsen jubeln nach US-Zinsschritt – Diskussion um «Krisensignal»

Damit holten die von der US-Hypothekenkrise und ihren Folgen gebeutelten Märkte erstmals seit mehreren Monaten wieder tief Luft. «Alle Ampeln stehen auf grün», sagte ein Frankfurter Händler. Er brachte aber auch Befürchtungen auf den Punkt: «Nach der ersten Euphorie dürften sich einige die Frage stellen, ob der deutliche Schritt als Krisensignal zu interpretieren ist».


An den Börsen liessen sich die Marktteilnehmer zunächst nicht beirren. Der DAX zeigte sich am Mittwoch fest, ebenso die europäischen Börsen . Bankentitel führten europaweit die Indizes an. Der Sektor hatte unter den Turbulenzen an den Finanzmärkten zuletzt mit am stärksten gelitten. Auch besser als erwartet ausgefallene Zahlen von Lehman Brothers beflügelten.


Feierlaune an der Wall Street
In den USA feierte die Wall Street die Zinsentscheidung: Der Leitindex Dow Jones ging mit einem markanten Plus von 2,51 Prozent aus der Sitzung. Ein Volkswirt von Moody’s kommentierte: «Das Ausmass des Zinsschrittes zeigt, dass sich die Fed der allgemeinen Ansicht angeschlossen hat, dass es in den kommenden zwölf Monaten eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Rezession gibt.»


Im asiatischen Raum profitierten die Aktienmärkte noch deutlicher von den Signalen aus den USA. In Hongkong hob die Euphorie den Hang Seng Index um 3,98 Prozent auf ein neues Rekordhoch. In Seoul stieg der Kospi-Index um 3,5 Prozent. Der Nikkei-Index in Tokio gewann 579,74 Punkten, der stärkste Anstieg seit 2002. Der Umfang der Zinssenkung sei eine Überraschung gewesen und habe die Sorgen der Anleger über eine Kreditklemme etwas gedämpft, sagte etwa Aktienstratege Hiroaki Hiwada von Toyo Securities.


Unterschiedliche Reaktionen in Deutschland
Die Reaktionen in Deutschland fielen unterschiedlich aus. Marktstratege Hans-Jürgen Delp von der Commerzbank äusserte sich positiv. «Es ist den Notenbankern gelungen, einen grossen Schritt zu tun, der das Finanzsystem massiv unterstützt, ohne dass sie den Eindruck erweckten, zu überschiessen und die Inflation aus den Augen zu verlieren.» Panik signalisiere die Massnahme keineswegs.


Dagegen zeigte sich Postbank-Aktienhändler Stefan Söllner skeptischer. «Klar wird der Schritt am Markt positiv gesehen und führt zu steilen Kursanstiegen», sagte er. «Auf den zweiten Blick ist es aber ein Eingeständnis der US-Notenbank, dass die Konjunktur nicht so läuft, wie es zu wünschen wäre.» Zudem sei die Fed von ihrem sonst gradlinigen und unbeirrbaren Kurs abgewichen und habe sich vom Markt verleiten lassen, der eine Zinssenkung gefordert hat. Auch befürchtet Söllner, bei den von der Kreditkrise Betroffenen könne sich ein Sicherheitsgefühl à la «Es kommt schon einer und hilft» einstellen.


Starker Euro könnte zum Problem werden
Der starke Euro könnte zum Problem werden, hiess es zudem von Marktteilnehmern. Vor allem mit Blick auf die Exportwerte. Der Kurs der Gemeinschaftswährung hielt sich denn auch am Mittwoch weiter in der Nähe von 1,40 US-Dollar, nachdem er am Vorabend nach der US-Zinsentscheidung deutlich zugelegt hatte und auf einen neuerlichen Rekordstand knapp unter 1,40 Dollar gestiegen war. Auf ein neues Rekordhoch kletterte auch der US-Ölpreis. Der Preis für die US-Sorte WTI zur Auslieferung im Oktober stieg nach der Zinssenkung der Fed erstmalig über 82 Dollar. Die deutschen Anleihen tendierten leichter, nachdem der US-Zinsentscheid am Vorabend für nur geringfügige Bewegung gesorgt hatte. (awp/mc/pg)

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