Conradin Stiffler, Projektleiter Sihlcity Zürich: «Heute definieren sich viele Leute über das Shoppen»

Von Ruth Hafen, emagazine

Welche Idee steht hinter Sihlcity?


Wir haben das Ganze als Stadtteil konzipiert. Sihlcity vereint mehrere Elemente: Neben dem Einkaufszenter gibt es ein Hotel, ein Kino und diverse Restaurants. Unser Ansatz geht in Richtung eines Urban Entertainment Center, Sihlcity ist aber nicht überdacht. Wir haben eine europäische Variante gesucht, die einen Aussenplatz beinhaltet, den man je nach Witterung benutzen kann. In Amerika und Asien sind solche Zentren jeweils total überdacht.


Haben Sie Vorbilder in Amerika und Asien?


Was die Mall betrifft, haben wir uns natürlich im Ausland umgeschaut. In den USA gibt es einige sehr schöne Beispiele, allen voran die Mall at Millenia in Orlando, Florida. Natürlich haben wir uns auch die Mall of America angeschaut, rein wegen deren imposanter Grösse. In Europa hat uns besonders die Bluewater Mall östlich von London beeindruckt. Die Zentren, die uns im asiatischen Raum gefallen haben, waren eher westlich orientiert. Manche haben vom Kinderspielplatz bis hin zum kompletten Freizeitpark alles integriert. Wir waren der Meinung, dass das unserem europäischen Publikum eher nicht entspricht. Auch in Dubai gibt es traumhaft schöne Anlagen für das oberste Segment, doch von der Art her auch wieder eher zurückhaltend europäisch. Auf meinen Asienreisen ist mir aufgefallen, dass viele Leute in die grossen Malls zum Bummeln gehen, sie kaufen aber nicht viel, auch weil manchen dafür noch das nötige Geld fehlt. Dort hat es dann logischerweise auch mehr Unterhaltungsangebote.


Sihlcity hat relativ wenig Parkplätze. Ist das kein Problem?


Im Vergleich mit Einkaufszentren vergleichbarer Grösse haben wir sogar extrem wenig Parkplätze. In den Sechziger- und Siebzigerjahren lautete die Devise für Einkaufszentren, alles müsse mit dem Auto erreichbar sein, und daher wurden diese auf die grüne Wiese gebaut. Sihlcity liegt am Zürcher Stadtrand und ist so perfekt an den öffentlichen Verkehr angebunden. Das ist unser Vorteil. Ein Projekt mit einer so geringen Anzahl Parkplätze wäre anderswo überhaupt nicht möglich. Aber auch in Zentren mit mehr Parkplätzen ist irgendwann das Besetztschild draussen und nichts geht mehr. Wir haben zwar wenig Parkplätze, dafür bieten wir den Kunden einen Hauslieferservice mit fairen Preisen an. So kann sich der eine oder andere sicher entschliessen, aufs Auto zu verzichten.


Spielt der Trend, dass Shopping heute vermehrt als Freizeitaktivität angesehen wird, in Ihre Überlegungen hinein?


Wir glauben, dass sich heute viele Leute zumindest teilweise über das Shopping definieren. Meistens hat man nach dem Einkauf etwas, das einem persönlich etwas bringt, mit dem man etwas erreichen oder womit man etwas repräsentieren kann. Meine Eltern machten noch den Unterschied zwischen «Kommissionen machen» und «einkaufen», den Begriff «Shopping» gabs noch gar nicht. Wenn man einkaufen ging, waren das Anzüge für den Vater oder grössere Anschaffungen. Man fuhr extra dafür in die Stadt. Kommissionen hingegen machte man, wenn man den Lebensmitteleinkauf erledigte.


Und heute?


Heute ist alles sehr durchmischt und die Leute halten sich gerne in Einkaufszentren auf, wenn diese gut gemacht sind. Darum haben wir insgesamt auch 13 Gastrobetriebe, weil die Kunden, die nach Sihlcity kommen, nach dem Einkauf eine Pause machen wollen. Die Leute wollen ihre Pause nicht unbedingt an einer Würstchenbude machen, wo sie nach fünf Minuten schon wieder weiter müssen, sondern sie erwarten eine Auswahlmöglichkeit. Dann kann es schon sein, dass man den Einkauf noch mit einem Kinobesuch kombiniert. Ich glaube wirklich, dass Shopping in der heutigen Zeit für viele Leute ein fester Bestandteil der Freizeitgestaltung ist. Shopping ist schliesslich auch eine Form sozialer Interaktion, weil man meistens in einer Gruppe an solche Orte geht oder sich dort verabredet. Lange shoppen geht man nicht alleine.


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Sihlcity unterscheidet sich also von einem herkömmlichen Einkaufszenter durch den Faktor der sozialen Interaktion? Man konsumiert zwar, aber Produkte verschiedener Herkunft, zum Beispiel auch kultureller Art?


Genau. Darum haben wir auch ein Kulturhaus. Geplant ist zudem, dass eine öffentliche Bibliothek hier einzieht, so kommt das städtische Element zum Zug. Auch die Kirche hat ihren Platz. Es wird einen Raum der Stille geben, zu dem jedermann Zutritt hat. Dazu gehören auch Seelsorgeräume mit entsprechendem Angebot. Wir bieten einiges mehr als eine gewöhnliche Mall.


Welches Alters- und Geschlechtssegment peilen Sie an?


Wir gehen davon aus, dass Sihlcity für viele ältere Leute interessant sein wird. Gerade, weil alles an einem Ort zu finden ist. Sihlcity soll Treffpunkt sein: Einer geht einkaufen, die andere nutzt ein Wellnessangebot; die Kinder gehen ins Kino, die Eltern treffen sich mit Freunden im Café. Ich glaube, Sihlcity wird auch die Generation 50+ ansprechen können. Die Jungen zwischen 15 und 25 können wir vor allem über die Mode ansprechen. Diese Altersgruppe will sehr viel sehr schnell haben. In diesem Segment finden sich die eigentlichen Hardcoreshopper mit einer unglaublichen Ausdauer. Die Altersgruppe dazwischen zeichnet sich aus durch ein knappes Zeitbudget. Diese Leute haben zwar einiges Geld zur Verfügung, aber nicht viel Zeit, es auszugeben. Sie sind es gewohnt, das Gewünschte an einem Standort schnell zu finden. Da liegen wir mit unseren Läden voll im Trend. Vor allem Männer, die nicht gerne einkaufen und wenig Zeit dafür aufwenden möchten, werden hier gut aufgehoben sein.


Die Konsumbedürfnisse polarisieren sich immer mehr. Der Trend geht in Richtung Aldisierung oder Luxusshopping. Extreme lassen sich auch im Freizeitverhalten vieler Leute feststellen: Extremsportarten und der Opernabend gehen Hand in Hand. Kann und will Sihlcity diesem Trend folgen?


Die Leute machen das sowieso. Man muss sie nicht mehr dazu erziehen. Heute sind Dinge salonfähig, die früher ein Skandal gewesen wären, etwa der Besuch am Bratwurststand vor dem Opernbesuch. Die Bandbreite ist enorm. Beim Einkaufen zeigt sich das mittlerweile sehr deutlich, wenn wir schauen, welche Taschen die Leute nach Hause tragen. Da gesellt sich der Luxusbrand zum Billigstanbieter. Aber dank der Bandbreite, die wir mit dem Mietermix anpeilen, kann man im Restaurant eine sehr teure Flasche Wein konsumieren und nach dem Kinobesuch noch im Hamburgerladen seinen kleinen Hunger stillen. Das wollen wir erreichen, nicht nur in der Gastronomie.







Das Interview wurde uns freundlicherweise vom EMAGAZINE der Credit Suisse zu Verfügung gestellt

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