Jouni Heinonen, CEO der Gurit Holding AG: «Die Marke von CHF 400 Millionen Franken Umsatz sollten wir sicher schaffen»

Von Alexander Saheb

Moneycab: Im Jahr 2006 wollen Sie das bisherige Umsatzziel von 365 Millionen Franken übertreffen. Wird das vor allem wegen höherer Verkaufsvolumen oder wegen höheren Preisen der Fall sein?

Jouni Heinonen: Gurit hat die Volumen im Jahr 2006 deutlich gesteigert. Bereits nach sechs Monaten lagen wir um 21 Prozent über Vorjahr. Nach neun Monaten lagen wir mit CHF 280 Mio. wiederum deutlich über Budget. Die Steigerungen gehen in erster Linie auf höhere Materiallieferungen an die international boomende Windenergie-Industrie zurück. Ebenfalls zum Wachstum beigetragen haben die Lieferungen für Anwendungen im Schiffbau, im Wintersportbereich sowie für das Bauwesen.



«Wir haben 2006 bereits enorme Fortschritte in der Anlageneffizienz erzielt, in dem wir gewisse Produkte und auch ganze Anlagen verlagert haben.»  Jouni Heinonen, CEO der Gurit Holding AG


Mittelfristig wollen Sie eine EBIT-Marge über zehn Prozent ausweisen. Was müssen Sie dafür noch tun?


Auf unserem eingeschlagenen Kurs weiterfahren! Wir haben klar definiert, in welchen Gebieten wir aktiv sein wollen. Wir haben im 2006 bereits enorme Fortschritte in der Anlageneffizienz erzielt, in dem wir gewisse Produkte und auch ganze Anlagen verlagert haben. Unsere Produkte umfassen einen grossen Technologie-Anteil. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die technologische Innovation bei Verbundwerstoffen an vorderster Front mitzugestalten. Erklärtes Ziel ist es, einen Drittel des Umsatzes mit margenstarken Produkten zu erwirtschaften, die jünger als 3 Jahre sind.

Welche Erwartungen haben Sie an das Jahr 2007? Werden Sie mehr als 400 Millionen Franken Umsatz erreichen?


Wir werden bei der Veröffentlichung der Jahresergebnisse sicher auch neue Eckwerte für das kommende Jahr bekannt geben. Die Marke von CHF 400 Mio. sollten wir sicher schaffen.


Sie möchten mit höheren Preisen die gestiegenen Rohstoffkosten an Ihre Kunden weitergeben. Wie reagieren diese bisher darauf?


Natürlich freut sich niemand, wenn die Preise steigen. Wir auch nicht. Und auf unserer Beschaffungsseite sind die Preise bereits derart deutlich gestiegen, dass wir dies an unsere Kunden weitergeben müssen. Das ist den Kunden letztlich auch bewusst.


In Ittigen bei Bern soll ein Kompetenzzentrum für extrudierte Wintersportmaterialen entstehen. Was wird dort konkret passieren und welche Effekte erwarten Sie für das Unternehmen?


Im Bereich Wintersport hatten wir traditionell fünf Produktionsstätten. Das ist für dieses zwar weiterhin attraktive aber kaum wachsende Anwendungsgebiet eindeutig zu viel. Indem wir uns bei den extrudierten Produkten auf die beiden Werke in Bern konzentrieren schaffen wir klare Synergien. Dies hat gleich mehrfache Auswirkungen: Zum einen werden die Anlagen besser genutzt. Eine ganze Produktionslinie wurde durch diesen Entscheid frei und konnte nach Kanada verlagert werden. Heute werden auf dieser Anlage in Übersee Produkte für den boomenden Windenergie-Markt und den Schiffbau hergestellt. Daneben kann der Markt von einem zentralen Ort aus auch besser bearbeitet werden. In Bern wird auch Marketing und Customer Relations angesiedelt.  Die Herstellung gesinterter Laufflächen verbleibt in Deutschland.


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Gut die Hälfte Ihres Umsatzes machen Sie mit Materialien für Windturbinen- Rotorblätter. Wie sichern Sie sich gegen die Konkurrenz ab, gibt es da Patente oder exklusive Liefervereinbarungen mit den grossen Turbinenherstellern?


Die beste Absicherung ist stets der technologische Vorsprung. Mit unseren Materialsystemen – ich spreche bewusst von Systemen, da die einzelnen Materialkomponenten gezielt aufeinander abgestimmt sind – können die Hersteller von Rotorblättern klare Vorteile erzielen: Es lassen sich grössere Flügel herstellen, die Verfahren sind weniger komplex mit unseren Komponenten und am Schluss resultieren klare Konkurrenz- und Preisvorteile für unsere Kunden. Zudem kommen wir unseren weltweit operierenden Kunden mit unserer weltweiten Aufstellung entgegen. Derzeit bauen unsere Kunden in China neue Kapazitäten auf – wir ebenfalls!



«China hat beschlossen, ab dem Jahr 2020 15% der Energie aus erneuerbaren Quellen zu produzieren. Heute liegt der Anteil bei 7%. Für uns ist das ganz klar ein Signal, dass wir unsere Kapazitäten dort aufbauen müssen.» Jouni Heinonen, CEO der Gurit Holding AG


Derzeit bauen Sie in China eine Produktion auf. Welches Potenzial messen Sie dem chinesischen Markt für Windkraftanlagen zu?


China hat beschlossen, ab dem Jahr 2020 15% der Energie aus erneuerbaren Quellen zu produzieren. Heute liegt der Anteil bei 7%. Wir sprechen nun nicht etwa nur von einer Verdoppelung, Sie müssen den wachsenden Energiehunger Chinas mit einbeziehen: In China soll die Windkraft-Kapazität von derzeit 1’260 MW auf über 30’000 MW wachsen. Gleichzeitig verlangt China, dass rund 70% der verwendeten Produkte aus lokaler Fertigung vor Ort stammt. Für uns ist das ganz klar ein Signal, dass wir unsere Kapazitäten dort aufbauen müssen. 
 
Mit der Zoltec Corporation läuft derzeit ein Rechtsstreit weil diese Ihnen zu wenig Karbonfasern geliefert habe. Mussten Sie die fehlenden Mengen anderweitig einkaufen und wo steht das Verfahren heute?


Die Chancen stehen gut, dass wir nächstes Jahr die eigentlich vertraglich vereinbarten Mengen von Zoltek werden beziehen können. Ein entsprechendes Gerichtsverfahren ist in den USA zu unseren Gunsten entschieden worden. Wir hatten in den vergangenen Jahren tatsächlich zu wenig Karbonfasern bekommen. Gerade für die Anwendungen im Windkraft- und Schiffbaubereich. Dies hat unser Fortkommen sicherlich beeinträchtigt. Entsprechend hat das Geschworenengericht in den USA Gurit auch Schadenersatz von USD 36 Mio. zugesprochen. Natürlich haben wir uns in den vergangenen Jahren bemüht, die Karbonfaserbeschaffung breiter aufzustellen.

Beim Bogenschiessen wurden in England mit Bögen aus Gurit-Karbonfasern Weltrekorde aufgestellt. An welchen Produktneuheiten arbeiten Sie derzeit?


Führende Olympic Recurve Bows werden tatsächlich mit unseren Materialien hergestellt. Wir arbeiten jedoch nicht selber an solchen Produkten; das sind unsere Kunden. Wir sind aber immer daran interessiert, unsere Materialien derart hohen Anforderungstest auszusetzen. Wir arbeiten in unseren eigenen Entwicklungsabteilungen stets an der nächsten Generation von Materialien und Technologien. Im Vordergrund steht dabei derzeit der forcierte Einstieg ins Automotive-Geschäft mit gewissen Fertigteilen aus Karbonfaserprepregs. Wir können heute Karosserie-Teile mit einer so genannten Klasse-A-Oberfläche herstellen, die wie Blech lackiert werden kann. Gegenüber herkömmlichen Metallbauteilen zeigen Karbonteile gerade bei kleineren Modellserien nicht nur überlegene Leistungsmerkmale, sie zeichnen sich auch durch eine attraktivere Kostenstruktur aus. Bei Gurit (UK) laufen derzeit sehr vielversprechende Arbeiten. 


Der Airbus A 380 kommt immer später. Hat das Auswirkungen auf ihre Absatzplanungen?


Wir haben hier gewisse Umatzteile weiter in die Zukunft hinaus schieben müssen. Sie müssen jedoch sehen, dass alle grossen Flugzeughersteller auf die nächsten fünf Jahre oder so voll ausgelastet sind. Wir werden also so oder so sicher Materialien für die bisherigen Airbus-Modelle liefern. Der A380 wird jedoch zu jährlich steigenden Materiallieferungen führen, weil dieses Flugzeug deutlich mehr Composite Materialien umfasst als die früheren Modelle.


Ihr Aktienkurs hat sich binnen Jahresfrist fast verdoppelt. Glauben Sie dass die Anleger ihre klare Fokussierung auf Technologie mit noch höheren Kursen honorieren werden, zumal ihre Dividende in den vergangenen Jahren konstant war?


Wir sind nicht der Markt. Wir können nur unsere Arbeit so gut wie möglich machen, das Geschäft transparent darstellen und das Potenzial aufzeigen. Die Dividendenpolitik ist Sache des Verwaltungsrates.





Der Gesprächspartner
Jouni Heinonen ist CEO der Gurit Gruppe. Der 46-jährige Finne ist studierter Maschineningenieur. Er war unter anderem als Product Manager bei der finnischen Falcon Chemicals und anschliessend in der Produktentwicklung bei der Power Cable Machinery der Nokia-Maillefer OY tätig. Von 1999 bis 2005 war er CEO der Nextrom.


Das Unternehmen
Die Unternehmen der Gurit Holding AG, Wattwil/Schweiz, sind auf die Entwicklung und Herstellung von Hochleistungskunststoffen ausgerichtet, die sich durch massgeschneiderte physikalisch-chemische Materialeigenschaften auszeichnen. Das umfassende Materialsortiment besteht neben faserverstärkten Kunststoffen (Prepregs) aus Strukturschäumen, Gel Coats, Klebstoffen, Harzen, Verbrauchsmaterialien und gewissen Bauteilen. Gurit beliefert Wachstumsmärkte in den Anwendungsbereichen Wind Energy, Transporta-tion (Aerospace, Automotive, Rail) und Marine/Sport/Civil Engineering. Die weltweit tätige Unternehmensgruppe verfügt über Produktionsstätten und Niederlassungen in der Schweiz, Deutschland, Grossbritannien, Kanada, Spanien, Österreich, Frankreich sowie Australien, Neuseeland, China und den USA.

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