Kunsthaus Bregenz: Peter Zumthor

Auf vier Ausstellungsebenen werden hierzu Materialien zum Entstehungsprozess, Werkpläne, Modelle und Detailpläne und fast alle in diesen Jahren realisierten Bauten in einer Filminstallation der Künstler Nicole Six und Paul Petritsch gezeigt.








Peter Zumthor
Bauten und Projekte 1986 – 2007
Ausstellungsansicht Erdgeschoss Kunsthaus Bregenz


Auf den gedanklichen Wegen des Architekten wandeln
Den Auftakt der Ausstellung bilden verschiedene Grossmodelle im Erdgeschoss, darunter das zum Kunsthaus Bregenz, zum Kunstmuseum Kolumba und zur Feldkapelle Bruder Klaus. Nach der Filminstallation im 1. und 2. Stockwerk folgen als Abschluss im dritten, in einer Art Arbeits-studio präsentiert, Materialien und Arbeitsmodelle zu Projekten und Bauten auf langen Arbeitstischen und Podesten.


Verantwortlich für die Auswahl und Präsentation im Erdgeschoss und im dritten Obergeschoss sind Peter Zumthor und Thomas Durisch, mit dem eine langjährige enge Zusammenarbeit bestand und der Kurator für diesen Teil der Ausstellung ist. Dieser Teil der Schau bietet damit den »inneren Blick« auf die Denk und Arbeitsweise des Architekten. Die Filminstallation hingegen zeigt als autonome künstlerische Arbeit den externen Blick speziell auf die realisierten Bauten.


Die Kamera als drittes Auge
Diese filmische Form der Zusammenarbeit mit Künstlern als zentrale Idee der Ausstellung war der Wunsch Peter Zumthors. Ihm Nicole Six und Paul Petritsch vorzuschlagen, geschah im Vertrauen auf ihre künstlerische Nähe im Werkansatz zu Grundfragen der Architektur, besonders der Bedeutung von Raum und Zeit. Die Arbeiten, die sie bekannt gemacht haben, bestehen aus einfachen Handlungen und Eingriffen, die sie mittels Film und Video dokumentieren und in Ausstellungen räumlich inszenieren.








Peter Zumthor
Bauten und Projekte 1986 – 2007
Ausstellungsansicht 3. OG
Kunsthaus Bregenz


Inspiration und Quelle
Vorbilder für diese konzeptuelle Verknüpfung eines puristischen Rahmenwerks mit stark emo-tionalen körperlichen Erfahr-ungen finden sich in der Kunst der 60er Jahre etwa bei Bruce Nauman und Chris Burden.

 
Weniger ist hier mehr

Dieses auf wenige Elemente konzentrierte Konzept reduziert die Rolle des technischen Aufwands bis an die unterste Grenze der Wahrnehmbarkeit und macht damit die unmittelbare sinnliche Präsenz von Architektur, das Erleben von Raum und den Umgang mit Zeit umso stärker als physisch psychische Erfahrung des Einzelnen sichtbar. Eine wichtige Arbeit hierfür ist die Filminstallation, die sie 2005 für die Ausstellung »Tu Felix Austria« im Kunsthaus Bregenz vor Ort realisierten.
Paul Petritsch hielt sich dafür sechs Tage lang im leeren dritten Obergeschoss des Kunsthauses auf, von sechs fest installierten Videokameras aus verschiedenen Richtungen in Augenhöhe und in Realzeit gefilmt. Für die Ausstellung wurde das Filmmaterial später auf Grossleinwände projiziert, die in denselben Blickrichtungen wie die Kameras aufgestellt waren. Dieses stringente künstlerische Konzept haben Nicole Six und Paul Petritsch direkt auf die Dokumentation und Projektion aller Zumthor-Bauten angewandt. Wieder sind es sechs Kameras mit festen Blickachsen und stets gleichen Abständen, und wieder sind es sechs Projektionsflächen. Der nüchterne Blick auf sich selbst in der Arbeit von 2005, das Ausgesetztsein des Künstlers im Raum und vor der Kamera, wird nun zum Blick auf die Anwesenheit der Architektur und ihrer Benutzer. Six und Petritsch verzichten bewusst auf jede filmische Künstlichkeit, die üblichen Kamerabewegungen, Schnitte und Montagen. Damit stellt sich jedes Bauwerk auf jeweils sechs Projektionsflächen immer in 40 Minuten Echtzeit im wechselnden Licht des Tages, mit den Geräuschen des Alltags und eingebettet in die Landschaft wie von selbst vor.


Die analoge räumliche Anordnung der Kameras und der Projektionsflächen ermöglicht dem Betrachter im Ausstellungsraum dieselben Blickachsen und ähnliche Bewegungen wie in der realen Architektur. Sein Sehen ist an seine eigene Bewegung im Raum gekoppelt. Anders als bei einer fotografischen Dokumentation, in der das statische Bild dominiert, werden die Faktoren Zeit und Raum als konstituierende Bestandteile für das Erleben von Architektur nun auch zu prägenden Elementen der Ausstellung. Pro Stockwerk um jeweils 20 Minuten zeitversetzt kann der Besucher in vier Stunden Realzeit alle Bauten erleben. Unter den insgesamt 12 gezeigten Bauten befindet sich auch die neueste Arbeit Peter Zumthors, das erst im September dieses Jahres fertig gestellte Museum Kolumba in Köln.


In der Filminstallation von Nicole Six und Paul Petritsch werden folgende Bauten gezeigt:
1. Schutzbauten für Ausgrabung mit römischen Funden, Chur, Graubünden (1986)
2. Atelier Zumthor, Haldenstein, Graubünden (1986)
3. Kapelle Sogn Benedetg, Sumvitg, Graubünden (1988)
4. Wohnungen für Betagte, Chur, Masans, Graubünden (1993)
5. Wohnhaus Truog, Gugalun, Versam, Graubünden (1994)
6. Wohnsiedlung Spittelhof, Biel-Benken, Baselland (1996)
7. Therme Vals, Graubünden (1996)
8. Kunsthaus Bregenz (1997)
9. Wohnhaus Luzi, Jenaz, Graubünden (2002)
10. Haus Zumthor, Haldenstein, Graubünden (2005)
11. Feldkapelle Bruder Klaus, Wachendorf, Eifel (2007)
12. Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln (2007)







Vorträge von Peter Zumthor
»Lavori di primavera« und »Autumn Works«

Lavori di primavera: Mittwoch, 24. Oktober 2007, 19 Uhr


Autumn Works: Freitag, 18. Januar 2008, 19 Uhr


Beide Vorträge finden direkt neben dem Kunsthaus im Theater am Kornmarkt in Bregenz statt.


»Im Wesentlichen besteht meine Arbeit darin, zu Hause zu bleiben, die Welt um mich herum zu vergessen und mich völlig in die Aufgaben, denen ich mich widmen muss, zu vertiefen, die Orte, für die ich arbeiten muss, die Atmosphären, die ich schaffen möchte. Die Forschung, die Freude an der Arbeit und daran, eine Form für ein alltägliches Ritual zu finden, für einen besonderen, noch unbekannten Moment im zukünftigen Leben eines Gebäudes, das Vergnügen, mit meinen Projektmitarbeitern, jungen Architekten, auf konzentrierte Art und Weise zusammenzuarbeiten, in einem besonderen Umfeld, in das Sonnenlicht aus einem Garten mit Blumen und Ahornbäumen dringt, Essen und Trinken und hin und wieder mein Enkelsohn, der mich von gegenüber der Strasse besuchen kommt. Lavori di primavera, Herbstarbeiten. Eine grossartige Konzentration. In meinen Vorträgen werde ich von dem Ergebnis berichten.«
Peter Zumthor

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert