Kunstmuseum Solothurn: Werke im Dialog

Während das Buch die Meisterwerke der Sammlung chronolgisch aufführt, sind die Exponate der Ausstellung thematisch gehängt. Dies führt zu unerwarteten Nachbarschaften und Zusammenhängen. Jeder Saal ist einem spezifischen Grundgedanken gewidmet. Um die Bedeutung der Interpretation als eine aktive Auseinandersetzung zu unterstreichen, wurden die fünf Kunstschaffenden H.R. Fricker, Annatina Graf, San Keller und Zeljka Marusic/Andreas Helbling eingeladen, sich anhand von Interventionen mit der Sammlung und der Architektur des Kunstmuseums Solothurn auseinanderzusetzen.







Die ganz grossen Themen im Fokus
In 14 Sälen werden Malerei, Zeichnungen, Skulpturen, Objekte, Installationen und Videos präsentiert. Der Bogen reicht vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Den 14 Sälen entsprechen 14 Schwerpunkte, zu denen u.a. die Bereiche Heimat und Fremde, Illusion und Wirklichkeit, Porträt, Landschaft und Spiritualität, Körper und Körperlichkeit, Farbe, Licht, Vergänglichkeit und Tod, Individuum und Gesellschaft gehören. Die bisherige Hängung wurde fast gänzlich aufgegeben. Den beiden berühmten Marien-Darstellungen von Holbein und dem Meister des Paradiesgärtleins begegnen nun weitgehend weltliche Motive. Das Sujet des (Paradies-)Gartens und die Thematik von Kindheit und Mutterschaft werden als Bezugspunkte aufgegriffen und mit Entsprechungen bis hin zu Peter Wüthrichs Installation Von der Kunst Sträusse zu binden (2000) gezeigt.
Cuno Amiet

Cuno Amiet, der gelbe Hügel.


Die Landschaft als geistiger Raum
Während die Thematik von Heimat und Fremde weitgehend anhand von Frank Buchsers Schaffen erörtert werden kann, erlauben die in reicher Zahl vorhandenen Werke des Schweizer Jugendstils die Thematisierung der Landschaft als geistiger Raum. Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist die Zusammenführung von vier symbolistischen Monumentalwerken von Hodler und Amiet im grossen Oberlichtsaal.


Die Beschäftigung mit Sterben und Tod ist ein universales Thema
Der betreffende Saal schliesst den Rundgang des Ersten Stockes ab. Die frühesten Exponate sind Passionsbilder der Spätgotik, die Höhepunkte Hodlers Darstellungen seiner sterbenden Freundin Valentine Godé-Darel. Vanitas-Darstellungen, zumeist Stillleben, finden sich sowohl bei Frans Snyders als auch ? Jahrhunderte später und in ganz neuer Form ? bei Daniel Spoerris Fallenbildern. Dass das Thema der Vergänglichkeit auch die jüngste Künstlergeneration beschäftigt, zeigt sich in eindrucksvoller Weise in der Videoarbeit Totentanz (2004) der Genfer Künstlerin Alexia Walther. In einer Abfolge von drei Sälen im Parterre werden Farbe und Licht aufeinander bezogen. Im Zentrum steht die grosse Video-Installation Bruits de surface (1995) von Silvie Defraoui, in der sich Schönheit und Melancholie, Licht und Farbe begegnen. Im davorliegenden Saal wird mit den reinen Farben von Amiets Meisterwerk Der gelbe Hügel (1903) und Sigismund Righinis Roten Kirschen auf rotem Grund (1909) gleichsam «eingeleuchtet». Über die Generationen und Medien hinaus wirkt eine vergleichbare Intensität, die die Säle als Einheit erscheinen lässt.


Nicht dem Gänsemarsch der Kunstgeschichte verpflichtet
Die grössten Säle des Parterre sind v.a. Skulpturen gewidmet, die mit Werken von Robert Müller, Oscar Wiggli, Bernhard Luginbühl, Jean Tinguely, René Zäch und Roman Signer zu den Sammlungs-Schwerpunkten gehören. Dabei werden Ensembles geschaffen, die sich aufgrund ihrer statischen rsp. dynamischen Prinzipien unterscheiden oder sich auf den menschlichen Körper beziehen. Eine Sammlungs-Hängung, die dem üblichen «Gänsemarsch der Kunstgeschichte» widerspricht, ist für Museum wie Publikum eine Herausforderung, die zu einem aktiven und kreativen Umgang mit Kunstwerken motiviert. Dabei wird eine (postmoderne) «Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen» postuliert – mit der Hoffnung, dass sich die Zusammenhänge am Zusammenhängen (der «richtigen» Bilder) zeigen. (Christoph Vögele/mc/th)


Der Katalog kann online  bestellt werden.


Kunstmuseum Solothurn. Reihe Museen der Schweiz, Hrsg. Stiftung BNP Paribas Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, mit Texten von Christoph Vögele, Katharina Ammann und Christian Müller, Zürich/Genf, 2005, 128 S., 190 Farbabb.
gebunden Fr. 74.?
brochiert Fr. 38.?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert