Marcel Imhof, COO Schmolz + Bickenbach Gruppe

von Radovan Milanovic


Moneycab: Bis zum August meldete Schmolz + Bickenbach einen ausgezeichneten Geschäftsgang. Im vergangenen Oktober sprachen sie von einer Reduzierung der Produktion und von einem Druck auf die Jahresziele. Schliesslich gaben Sie Anfang Dezember eine Gewinnwarnung bekannt, da sich die Nachfrage der Automobilindustrie erheblich abgeschwächt hat. Zuletzt schien sich das Blatt zu wenden, denn mit dem Hilfspaket für die US-Automobilindustrie dürfte auch Schmolz + Bickenbach profitieren. Inwieweit begründen sich Ihre Erwartungen? Welchen Einfluss dürften die erwartete Nachfrage auf die weitere Ertragsentwicklung haben?nbsp;


Marcel Imhof: In der europäischen Automobilindustrie treten wir vor allem als Zulieferer für die Teilehersteller auf. Wenn weniger Autos gebaut werden, braucht es entsprechend weniger Teile aus Stahl. In den USA liefern wir vor allem Formen aus Werkzeugstahl in die Automobilindustrie. Die amerikanische Automobilindustrie muss ihre Modellpalette auf kleinere, energieeffizientere Wagen umrüsten. Dies bedeutet, dass vermehrt Werkzeugstahl nachgefragt wird.


Das Anspringen des US-Geschäfts dürfte auch der Schlüssel auch für das Europa Geschäft bilden. So haben Sie auch vor, das Werk in Chicago fertig zu bauen. Sind die Kapazitäten dieses Werks in Anbetracht der Rezession in den USA nicht zu hoch angesetzt?


Wir werden wie gesagt das Neubauprojekt von A. Finkl & Sons in Chicago bis Ende 2009 umsetzen. Anschliessend können wir die Kapazitäten schrittweise hochfahren. Wir sehen diverse neue Potenziale sowohl in den USA wie auch in anderen Märkten. Wir rechnen selbstverständlich auch damit, dass sich die Konjunktur zukünftig wieder erholen wird.


Es hat sich in den vergangenen Monaten gezeigt, dass Ihr Geschäft sehr zyklisch verläuft. Wie sehen Ihre Wirtschaftsprognosen aus? Glauben Sie, dass das US-Wirtschaftspaket mithilft, die USA aus der Rezession zu führen? Wann dürfte Ihrer Meinung nach die Talsohle erreicht sein?


Weil auch unsere Kunden derzeit mit Prognosen äusserst vorsichtig sind, ist es für uns schwierig, verbindliche Aussagen über die in absehbarer Zeit zu erwartende Entwicklung zu machen. Wir glauben, dass der Markt zur Zeit etwas übertrieben reagiert, indem zusätzlich der Nachfrageabschwächung auch noch ein massiver Lagerabbau stattfindet. Irgendeinmal wird sich dieser Trend kehren, wann ist aber derzeit kaum abzuschätzen.


«Bei einem sinkenden Preistrend tragen wir ein gewisses Risiko, weil wir Ware in Arbeit haben und weil die Kunden die Abnahme von bestellten Positionen in Erwartung tieferer Preise verzögern können.»


Aufgrund der volatilen Preise für Rohstoffe und Legierungsmittel gehen Sie davon aus, dass Ende Jahr ein Wertberichtigungsbedarf erforderlich sein sollte. Hedgen Sie Ihre Lagervorräte  und mutmasslichen Rohstoffbedürfnisse? Falls ja, in welchem Rahmen und weshalb hat die Kursabsicherung im Falle des Nickellagers nicht gegriffen?


Die Preisentwicklung für Schrott und Legierungsstoffe war dieses Jahr extrem volatil. Beim Schrott sind keine Absicherungsmassnahmen möglich, weil der Preis monatlich festgelegt wird. Bei den Legierungsmitteln decken wir uns nur im Ausmass des mutmasslichen Bedarfs ein. Bei einem sinkenden Preistrend tragen wir ein gewisses Risiko, weil wir Ware in Arbeit haben und weil die Kunden die Abnahme von bestellten Positionen in Erwartung tieferer Preise verzögern können.


Teile Ihrer Produktpalette werden bei der Erdölexploration und -förderung verwendet. In Anbetracht der eingebrochenen Ölpreise wurde verschiedentlich gemeldet, dass sowohl die Ölgesellschaften, als auch erdölproduzierende Länder ihre Ersatz- und Erneuerungsinvestitionen auf die lange Bank geschoben haben. Können Sie uns dies bestätigen? Falls ja, in welchem Umfang sistieren die betreffenden Auftraggeber ihre Aufträge?


Bisher sind unsere Lieferungen in die Erdöl- und Erdgasexploration auf einem erfreulichen Niveau. Wir können nicht ausschliessen, dass gewisse Projekt bei sinkenden Energiepreisen verzögert oder annulliert werden.


Wie sieht es im zukunftsträchtigen Markt der Windkraft aus, den Sie ebenfalls im Bereich Turbinen- und Generatorenbau beliefern? Ist das Kerngeschäft von Schmolz + Bickenbach allenfalls weniger konjunkturanfällig als Aussenstehende vermuten?


Wir sind in diversen Bereichen der Energieerzeugung tätig. Da es sich hier um längerfristige Projekte handelt, sind Auftragsverschiebungen selten.

Von welchem langfristigem Wachstum gehen Sie in Ihrem China Geschäft mit Schmolz + Bickenbach China Holdings Ltd. aus? Können Sie oder konnten Sie als weltweit führender Produzent von rostfreiem Langprodukten und Werkzeugstahl bereits Aufträge für den Aufbau des vom Erbeben zerstörten Gebietes in Szechuan sichern?


Unsere bisherige Aktivität konzentrierte sich vor allem auf das Werkzeugstahlgeschäft. Wir werden uns hier noch vermehrt auf das hochwertige Segment ausrichten. Entsprechende Investitionen sind bewilligt und werden derzeit umgesetzt. Zusätzlich bauen wir das Geschäft für rostfreie Stähle aus.


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Mit Ihrer neuen Strategie des Anbietens der vollständigen Wertschöpfungskette, beginnend mit der Stahlschmelzung über die Schmiede bis zur Härterei und den weiteren Servicedienstleistungen wie Sägen, Bearbeiten und Härten, konnten Sie die Auswirkungen von Konjunkturzyklen in der Vergangenheit glätten. Ist die neue zukunftsweisende Strategie die Konsequenz der Konsolidierung Ihrer bisherigen Investitionen?


Wir haben und in den letzten Jahren mit den drei Divisionen Produktion, Verarbeitung und Distribution erfolgreich in den Märkten aufgestellt. Bedeutende Investitionen unterstützen unsere Strategie. Ein Vorteil liegt derzeit darin, dass wir vermehrt unsere Verarbeitungs- und Distributionseinheiten mit Erzeugnissen aus eigener Produktion versorgen können.


Was für Auswirkungen dürfte die Rechnungslegung von Schmolz + Bickenbach auf IFRS per 2008 haben?


Aufgrund der nicht so bedeutenden Differenzen zwischen den überarbeiteten Rechnungslegungsstandards Swiss GAAP FER und IFRS ergeben sich materiell nicht wesentliche Veränderungen, die zu einem deutlich andern Bild führen würden.


In den vergangenen 10 bis 15 Jahren hat im globalen Stahlmarkt eine Konzentration auf wenige Mega-Konzerne stattgefunden. Glauben Sie, dass der Konzentationsprozess abgeschlossen ist? Haben kleinere Unternehmen dieser Branche eine Überlebenschance?


Wir gehen davon aus, dass der Konzentrationsprozesss auch zukünftig weitergehen wird. Wir beurteilen diese Entwicklung positiv für die Branche. Neben den grossen Anbietern wird es auch Zukunft genügend Platz für Nischenanbieter wie uns geben.


«Wir können nicht ausschliessen, dass gewisse Projekt bei sinkenden Energiepreisen verzögert oder annulliert werden.»


Die wichtigsten Finanzratios von Schmolz + Bickenbach haben sich in den vergangenen drei Jahren erheblich verbessert und haben bis in den Spätsommer eine Konstanz aufgewiesen. Werden auch Sie einige Investitionen aufschieben oder werden Sie Ihre Vorhaben wie geplant durchziehen? Um was für Vorhaben/Investitionen handelt es sich?


Aufgrund der veränderten Marktsituation werden auch wir einige Investitionsprojekte auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Bereits gestartete Projekte und solche mit einer kurzen Payback-Periode werden wir aber umsetzen.


Bereits im Oktober wurde ihre Aktie mit einem erwarteten P/E für 2008 von 8.2 tiefer bewertet als vergleichbare Werte der Branche. Der Markt antizipierte also von schrumpfenden Margen und einem tieferen Gewinnwachstum. In den vergangenen Monaten hat sich der Kurs nochmals halbiert. Wo würden Sie den fairen Wert Ihrer Aktie sehen und weshalb?


Der Wert einer Aktie wird letztlich vom Markt bestimmt. Wir haben den Eindruck, dass unsere Aktie doch etwa zu stark unter die Räder gekommen ist. Immerhin betrug das Konzernergebnis pro Aktie im 1. Halbjahr 2008 CHF 5.69.


Herr Imhof, besten Dank für das Interview und viel Erfolg in diesem stürmischen Umfeld.






Der Gesprächspartner
Marcel Imhof erlangte 1972 das Lizentiat und 1976 die Doktorwürde für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Hochschule St. Gallen für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Zwischen 1973 und 1977 arbeitete er als Projektleiter im Konzernstab für Marketing bei BBC Brown Boveri + Cie. AG, Baden (heute ABB). 1997 wechselte er zu Moos Stahl AG, Luzern (heute Swiss Steel AG). Zuerst als amtete er als Assistent des Verkaufsdirektors, dann als Verkaufsleiter Blankstahl und schliesslich als Verkaufsleiter Walzstahl. Ab 1992 wurde er zum Leiter der Sparte Stahl und zum Mitglied der Geschäftsleitung bei von Moos Holding ernannt. 1996 – 2006 war er Vorsitzender der Konzernleitung bei Swiss Steel AG und seit 2006 Chief Operating Officer bei Schmolz + Bickenbach AG. Herr Dr. Imhof ist im Vorstand  bei Swissmem (Verband Schweiz. Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie), Präsident der Wirtschaftsförderung Luzern, Vorstand der Zentralschweiz. Handelskammer, im Vorstand Luzerner Industrievereinigung. Daneben hält er VR Mandate Ultra Brag AG, in Basel: Reederei Imbach AG, Basel, sowie Schmiede, Nebikon.


Das Unternehmen
Die Schmolz + Bickenbach Gruppe ist heute der grösste Hersteller, Verarbeiter und Distributor von Edelstahl-Langprodukten weltweit. Über 11.000 Mitarbeiter erwirtschaften einen Umsatz von rund vier Milliarden Euro. Als Produzent ist die Gruppe die Nummer 1 sowohl bei rostfreien Langstählen als auch bei den Werkzeugstählen im globalen Markt. Im Rahmen der legierten und hochlegierten Qualitäts- und Edelbaustähle belegt Schmolz + Bickenbach einen Rang unter den Top Ten.

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