Migrosmuseum: Robert Kusmirowski

Mittels einfacher Materialien erschafft der Künstler durch minuziöse Nachbildung augenscheinlich perfekte Replike von Objekten und Orten. Seine Installationen scheinen durch ihren Anachronismus das Prinzip der irreversiblen Zeit zu durchbrechen, wenn Räume der Vergangenheit in solche der Gegenwart transferiert und miteinander vermischt werden. Seine Installationen sind durchweht von einer Nostalgie, die jedoch nicht einem wehmütigen Romantizismus anheim fallen. Eher wird mit einem reflexiven Nostalgiebegriff, wie ihn die Sprachwissenschaftlerin Svetlana Boym verwendet, gehandelt. Es wird nicht versucht, etwas Vergangenes zu reetablieren, sondern über individuelle und kollektive Beziehungen zur Zeit und zur Geschichte nachzudenken. Für die Einzelausstellung im migros museum für gegenwartskunst wird Robert Kusmirowski in einer raumübergreifenden Installation ein geheimnisvolles altes Trainingslager produzieren ? erinnernd an den sowjetischen Technologietraum während des Kalten Krieges.


Das Fürchterliche und das Unheimliche
Robert Kusmirowskis Rauminszenierungen, immer Stätten der Verlassenheit und des Verfalls, sind umgeben von einer Aura des Unheimlichen ? entfacht durch die Präsenz und Patina einer in die Gegenwart transferierten Vergangenheit und der menschlichen Absenz, deren Existenz durch Zeichen ersetzt wird. Die kulissenhaften Inszenierungen verlieren sich dabei nie in blosser ästhetisch-illusionistischer Repräsentation von Oberflächen. Die Arbeiten faszinieren vielmehr durch ihr erzählerisches Potenzial, das individuelle und kollektive Geschichten kolportiert, die Fiktion, Realität und die eigene Imagination miteinander vernetzen.


Die andere Sicht auf den Friedhof
Für die Arbeit «D.O.M.» hat Robert Kusmirowski einen Teil eines Friedhofs nachgebaut und in den Ausstellungsraum transferiert. Der Eindruck der Schauseite zeigt perfekte Illusion und verbirgt die für die Grabsteine verwendeten Materialien Karton, Holz und Styropor. «D.O.M.» steht für ein Erinnerungsbild polnischer Friedhöfe aus dem 18. und 19. Jahrhundert, wie sie heute noch anzutreffen sind. Die Inszenierung einer Totenstätte als Memento mori per se vergegenwärtigt eine durch gesellschaftliche Tabuisierung immer mehr in Vergessenheit geratene Kultur des Sterbens und der Trauer. Die Vanitas-Thematik setzt sich dem sauberen und um Neutralität bemühten White Cube entgegen, wenn der Friedhof als Ort, der diesen Topos schlechthin verkörpert, in verwittertem Zustand dargestellt wird. Wie viele der Arbeiten von Kusmirowski ist auch der Friedhof nicht begehbar, nur von einer Schauseite zu betrachten, und wird so zu einem Hybrid, das zwischen illusionistischer Bildhaftigkeit und realer Dreidimensionalität pendelt.


Düster und bedrohlich
Im Hamburger Kunstverein hat Kusmirowski 2005 die Rauminstallation «The Ornaments of Anatomy» erschaffen. Das düstere Studierzimmer der fiktiven Figur Dr. Vernier, eines manischen Mediziners, lässt Grausames erahnen. Seltsame wissenschaftliche Versuchsanordnungen und anatomische Zeichnungen deuten an, dass hier rätselhafte und unheimliche medizinische Studien betrieben wurden. Wie schon «D.O.M.» und andere Installationen des Künstlers bietet auch dieser Ort Reflexionsraum ? im Studierzimmer im buchstäblichen Sinn ? und ist zugleich vollständig materialisiert. Kusmirowski (re)produziert nicht nur Objekte und Orte, sondern verräumlicht und konkretisiert Atmosphären, Assoziationen und Psychologien. Das Labor der Kunstfigur Dr. Vernier wurde 2006 mit der Installation durch weitere Räume wie Operationssaal und Bibliothek zu einem alptraumhaften Ganzen zwischen Wahnsinn und Wissenschaft erweitert.


Nur für depressionsresistente Besucher
Die für das migros museum für gegenwartskunst produzierte Installation inszeniert ein fingiertes altes Trainingslager, das mit geheimnisvollen Einrichtungen versehen ist. Die Arbeit setzt sich aus verschiedenen Zonen zusammen ? ganz so, wie sie an solch einem Ort vorkommen könnten. Die Installation lässt an Allmachtsfantasien und Technologieutopien während der Zeit des Kalten Krieges denken. Zugleich verheissen die Räume Rätselhaftes und Bedrohliches.


Öffentliche Führungen: Sonntag, 17. Dezember, 21. Januar, 11. Februar, um 15 Uhr sowie Donnerstag, 30. November und 1. Februar, um 18.30 Uhr.


Öffnungszeiten: Di / Mi / Fr 12?18, Do 12?20, Sa / So 11?17 Uhr.


Feiertage: 24. und 25. Dezember geschlossen. 26. Dezember von 11?17 Uhr geöffnet. 31. Dezember und 1. Januar geschlossen. 2. Januar von 11?17 Uhr geöffnet.

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