Ruedi Noser, Verwaltungsratspräsident Esmertec: «Die Überwachung und Planung der Liquidität ist eine der wichtigen Prioritäten»

Herr Noser, im November des letzten Jahres haben Sie das Amt der VRPs der Esmertec übernommen. Würden Sie diesen Schritt auch nach bald einem halben Jahr mit der jetzigen Einsicht in die Aufgabe wieder wagen?


Ruedi Noser : Jetzt erst recht! Es ist eine überaus interessante Aufgabe, die ich mit viel Engagement wahrnehme. Ich glaube, das Unternehmen hat ein grosses Potential, das es zu entwickeln gilt. Esmertec unterscheidet sich von anderen Softwareunternehmen, die während der Boomphase Ende der 90er Jahre an die SWX gegangen sind. Esmertec hat Kunden auf der ganzen Welt, in über 300 Handytypen ist unser Software installiert und unsere Systeme verarbeiten Millionen von USSD-Messages. Esmertec hat hervorragende Ingenieure, eine weltweite Verkaufsorganisation und eine sehr gut funktionierende Entwicklungsabteilung in China. Mit meinem Engagement wollte ich diesen Unterschied klar machen.


In einem Interview zogen Sie seinerzeit die positive Bilanz «Esmertec ist erfolgreich». Die Zahlen für das vergangene Jahr in diesem Februar sprechen allerdings eine andere Sprache: Der Verlust fiel mit USD 49 Mio. dreimal so hoch aus wie im Vorjahr und entspricht dem zweifachen Umsatz. Weshalb damals dieser Zweckoptimismus, wo das Unternehmen doch das Vertrauen wieder aufbauen muss?


Sie müssen sich unsere Ergebnisse etwas genauer anschauen. Der Grossteil des genannten Verlustes fiel im ersten Halbjahr an. Das finanzielle Ergebnis in der zweiten Jahreshälfte zeigt einen deutlichen Aufwärtstrend und lag im Rahmen der beim Amtsantritt kommunizierten Aussichten. Darüber müssen Sie die operative Leistung von Esmertec beurteilen, die sich 2006, trotz der Turbulenzen, kontinuierlich verbessert hat. In zwölf Monaten haben wir unseren Marktanteil im Mobiltelefonmarkt von 3.1% auf 7.6% mehr als verdoppelt, erst vor kurzem haben wir den Meilenstein von 100 Millionen ausgelieferter Mobiltelefone mit Esmertec-Software überschritten und Ende 2006 verwendeten über 70 Millionen Konsumenten unsere interaktive Browsing-Anwendung, mehr als doppelt so viele wie am Anfang des Jahres. Mit Zweckoptimismus haben diese Fakten wenig gemein. Jean-Claude Martinez und sein Team haben ab der zweiten Jahreshälfte die versprochen Ziele erreicht.


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Damals haben Sie die operative Führung der Noser-Gruppe wegen der hohen Arbeitsbelastung abgetreten. Zwei Tage pro Woche waren das. Wie hat sich dieser Zeitaufwand zwischenzeitlich verändert?


Der Zeitaufwand des VRPs normalisiert sich langsam. Dank unserem sehr guten CEO und dem mittlerweile ergänzten Executiv-Management-Team reduziert sich die Belastung im Verwaltungsrat. CEO Jean-Claude Martinez und ich haben seit meinem Amtsantritt eine sehr enge und produktive Zusammenarbeit aufgebaut. Und das ist auch wichtig, letztendlich ist die Motivation jedes Einzelnen entscheidend für den Erfolg der Firma.


Esmertec muss erfolgreich sein, denn mit Ihrer Funktion als VRP steht auch Ihr eigenes Renommee auf dem Spiel. Belastet Sie dieses Damoklesschwert nicht?


Esmertec hat ca. 300 Mitarbeiter und eine Vielzahl von Kunden auf der ganzen Welt, die sich auf unsere Produkte und Dienstleistungen verlassen. Für diese Mitarbeiter und Kunden muss Esmertec erfolgreich sein. Ich sehe diese Ausgangslage als überaus spannende Herausforderung, zumal ich hier in einer Industrie und in einem Umfeld arbeite in denen ich zu Hause bin.


Wie viel Zeit geben Sie dem Unternehmen, um wieder auf den richtigen Kurs zu kommen? Allzu lange dürfte es ja nicht dauern, denn Sie sprachen damals davon, dass die Probleme von Esmertec schnell lösbar seien.


Das Management hat seit Mai 2006 gezielte Massnahmen getroffen, um Esmertec auf Kurs zu bringen. Der operative Turnaround konnte Ende 2006 abgeschlossen werden und die Kostenkontrolle behält weiterhin hohe Priorität. Im laufenden Jahr soll sich das auch im finanziellen Ergebnis zeigen. 2007 erwarten wir eine Umsatzsteigerung von 35% auf über USD 34 Millionen und einen positiven operativen Cashflow. Ebenfalls haben wir angekündigt, dass wir mit den Investoren der Wandelanleihe neue Konditionen ausgehandelt haben, die uns langfristig die nötige Handlungsfreiheit geben.


Wird es Anpassungen in der strategischen Ausrichtung bei Esmertec geben und wenn ja welche?


Wir sind ein spezialisiertes Software- und Dienstleistungsunternehmen für Hersteller von Kommunikationsgeräten und für Mobilfunkanbieter, und das bleiben wir auch. Wir arbeiten darauf hin, in unseren Märkten unseren Marktanteil weiter zu steigern. Das wollen wir erreichen, indem wir unsere Marktpräsenz und Marktdurchdringung verstärken und unser Serviceangebot ausbauen und weiterentwickeln. Es geht also nicht um eine neue Strategie sondern darum, die bestehende effizient umzusetzen.


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Esmertec verfügt zweifelsohne über eine gute Software. Aber das allein wird wohl keine Garantie dafür sein, dass die Zukunft langfristig gesichert ist. Die Bargeldsituation erfordert eine baldige Besserung. Im vergangenen Jahr verbrauchte Esmertec mit dem operativen Geschäft USD 20 Mio. Bargeld. Das hat tiefe Furchen hinterlassen: Die liquiden Mittel aus dem Börsengang im Herbst 2005, sind von USD 55 auf USD 13 Mio. geschmolzen. Der Eigenfinanzierungsgrad ist von 55 auf 30% gesunken. Weshalb sind Sie trotzdem sicher, dass Esmertec mit diesen Hypotheken den Turnaround schafft?


Unsere liquiden Mittel sind 2006 tatsächlich stark zurückgegangen. Die Überwachung und Planung der Liquidität ist denn auch eine der wichtigen Prioritäten des Verwaltungsrats und des Executiv-Management-Teams. Unsere Planung zeigt, dass wir 2007 einen positiven operativen Cashflow erreichen können. Zudem erlaubt uns die gerade abgeschlossene Verlängerung unserer Wandelanleihe, unsere Liquidität auch mittelfristig besser zu planen. Damit verfügen wir aus heutiger Sicht über genügend finanzielle Flexibilität, um unsere Strategie weiter zu verfolgen.


Und ab wann sollen wieder schwarze Zahlen geschrieben werden?


Mit den eingeleiteten Massnahmen haben wir die Grundlagen gelegt, um nach dem operativen Turnaround auch den finanziellen Turnaround zu schaffen. Das rasche Erreichen der Profitabilität hat für mich hohe Priorität.




Zur Person
Ruedi Noser wurde 1961 geboren und ist Schweizer.


2006 Wahl zum Verwaltungsratspräsidenten der ESMERTEC
seit 1997 VR-Präsident der Noser-Gruppe
seit 1996 Alleininhaber der Noser-Gruppe
ab 1988 Mitinhaber Noser AG, Winterthur
1985-1987 Tätigkeit als Entwicklungsingenieur, Weiterbildungen an den Universitäten St. Gallen und Zürich
1982-1985 Fachhochschule Rapperswil, Abschluss als dipl. El. Ing. HTL

Ruedi Noser ist politisch aktiv und Schweizer Nationalrat. Er dient im Aufsichtsrat der ICT Schweiz.


Über Esmertec
Esmertec ist ein Anbieter von Softwarelösungen und Dienstleistungen in den Bereichen Telekommunikation, interaktive Multimediaprodukte und Unterhaltungselektronik. Die auf geringe Grösse und Massenmarkttauglichkeit ausgerichteten Produkte von Esmertec (drahtlose Java ME-Lösungen und mobile Anwendungen) sind darauf ausgelegt, innerhalb der jeweiligen Hardwareumgebung maximale Performance zu erzielen. Die hochwertigen Lösungen, Anwendungen und Dienstleistungen für mobiles Browsing von Esmertec Cellicium erlauben Mobilfunkbetreibern die Bereitstellung interaktiver mobiler Dienstleistungen. Esmertec wurde 1999 gegründet und ist seit 2005 an der Schweizer Börse kotiert. Als globales Unternehmen mit Hauptsitz in Zürich (Schweiz) verfügt es über Niederlassungen in China, Frankreich, Japan, Südkorea, und den USA sowie einer Repräsentanz in Taiwan, Südkorea und den Grossbritannien.

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