Sturz der Götter in Weiss


Eines der besten und teuersten Gesundheitssysteme der Welt verliert langsam etwas von seinem Glanz. Und mit ihm die fast allmächtigen Götter in Weiss. Eine Chance für grundlegende Reformen des Schweizer Spitalsystems.

Von Helmuth Fuchs

Kann Öffentlichkeit tödlich sein?
Bis vor kurzem waren Fehler in der Spitzenchirurgie praktisch nicht existent. Es gibt keine offiziellen Statistiken über «Kunst»- und andere Fehler. Operationen finden unter Auschluss jeglicher Öffentlichkeit in einem streng hierarchieorientierten, geschlossenen System statt. Dass Ärzte weniger Fehler machen als Spezialisten anderer Berufsgruppen ist etwa so naiv wie der Glaube, Radrennfahrer könnten ohne leistungssteigernde Mittel die Strapazen einer Tour de France in den vorderen Rängen überstehen. Und siehe da, kaum wird Öffentlichkeit geschaffen, häufen sich die Fehler. Und die Fehler sind unglaublich simpler Natur. Falsch herum angeschlossene Schläuche, ein Spenderorgan mit einer falschen Blutgruppe. Selbstverständlich wird als erstes diskutiert, ob der Druck durch die Öffentlichkeit zuviel für die Beteiligten war und deshalb die Fehler mit verursacht hat.
Wahrscheinlicher ist, dass im Lichte der Öffentlichkeit die Arbeit der Ärzte einen gesunden Realitätsbezug bekommt. Ärzte machen Fehler und Patienten können daran sterben. Als wenn wir das nicht gewusst hätten.

Übung macht den Meister, keine Übung macht nichtsGerade in der Spitzenchirurgie ist es so, dass nur eingeübte Teams auch in kritischen Situationen schnell und richtig handeln können. Es ist daher also mehr als fahrlässig, wenn jedes Spital krampfhaft versucht, in allen Disziplinen tätig zu sein. Fünf Herztransplantationen pro Jahr reichen eben nicht, um einem Team genügend Routine zu verschaffen.
Die schwerwiegenden Fehler der letzten Wochen, so tragisch sie für die Opfer sind, geben uns die Chance, die auf persönlichem Wahn und politischen Schachereien gewachsene Spitalstruktur neu zu definieren. Es war schon sehr seltsam: Kaum wurde der Fehler bei der Herztransplantation am Uni Spital in Zürich veröffentlicht, wurde auch gleich bekannt gegeben, dass nach dem anstehenden altershalben Rücktritt von Prof. Marko Turina keine Herztransplantationen mehr vorgenommen würden.
Der Verdacht liegt nahe, dass für einen einzelnen Spezialisten eine Struktur an allen wirtschaftlichen Grundsätzen vorbei aufrecht erhalten wurde.

Kompetenzzentren mit transparenten RatingsFür komplexe Themenbereiche wie den der Herzchirurgie genügt wahrscheinlich ein Zentrum in der Schweiz. Das würde die Kräfte bündeln und den Spezialisten das Mass an Erfahrung bescheren, das nötig ist, um auch im internationalen Wettbewerb zu bestehen.
Hier könnte die Schweiz den Gedanken von «Swiss Quality» neu interpretieren und ein auf Transparenz basierendes Ratingsystem einführen. Welches Spital bietet die grösste Sicherheit, eine komplexe Operation auch geheilt zu überstehen?
Bei der Planung des Urlaubs suchen wir das Hotel nach transparenten Leistungsratings (Zimmer, Küche, Wellness Bereich) aus. Und bei der Gesundheit sollen wir uns einfach blindlings in den nächst besten Operationssaal schieben lassen?
Die Ansprüche an das wahrscheinlich teuerste Gesundheitssystem der Welt müssen und dürfen höher sein.

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