Coronavirus: Wie ein unspektakuläres Virus eine tief gehende Medienkrankheit offenbart

Coronavirus: Wie ein unspektakuläres Virus eine tief gehende Medienkrankheit offenbart

Eine Viruserkrankung ist eine unangenehme Sache und je nach Heftigkeit vor allem für ältere oder geschwächte Personen eine ernsthafte Bedrohung. Gute Informationen helfen, dass Risikogruppen sich schützen und die anderen sich adäquat verhalten können, um eine Ausbreitung so gut wie möglich zu verhindern. So weit, so normal. Nicht normal verläuft aber beim aktuellen SARS-CoV-2-Virus die fieberhafte Erregungskurve der Medien.

Kommentar von Helmuth Fuchs

Die mediale Dramatisierung und hechelnde Berichterstattung, welche den an sich undramatischen Verlauf der Erkrankung begleiten, sagen viel über den Gesundheitszustand der Schweizer Medien aus.

In der Schweiz sterben pro Jahr zwischen 400 – 1’000 Menschen an der Folge der saisonalen Grippe (Influenza, Virusgrippe), wobei diese Zahl sehr stark von der Wirkkraft und dem Ansteckungsgrad des Virusstammes abhängig ist. Tendenziell nehmen die Fälle in der Schweiz zu, da auch der Anteil der alten Menschen an der Gesamtbevölkerung zunimmt.

Ist das Coronavirus besonders gefährlich?
SARS-CoV-2 hat sehr schnell die mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen, China hat das vermutete Ursprungsgebiet isoliert, das Ausland hat mit vehementen Isolationsmassnahmen gegenüber China reagiert (Einstellung von Flügen und Frachtverkehr, Reiseverbote für Staatsangestellte, Quarantänen von Reisenden…).

Man muss also annehmen, dass das Coronavirus besonders gefährlich ist, wenn man das mediale Blitzgewitter und die heftigen Massnahmen dazu anschaut. Dem ist aber nicht so, wie staatliche Behörden, Gesundheitsorganisationen und Experten feststellen. Das Bundesamt für Gesundheit informiert zum Beispiel sachlich zum Thema.

Am 19. Februar schrieben chinesische Forscher im «New England Journal of Medicine», dass das Coronavirus sich eher wie der Auslöser von Influenza verhalte und nicht wie das SARS-Virus.

«Gegenwärtig gibt es jedoch keinen Anhalt für eine anhaltende Viruszirkulation in Deutschland, so dass die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland aktuell von den Experten des Robert Koch-Instituts weiterhin als gering eingeschätzt wird. Diese Einschätzung wird auch vom Europäischen Zentrum für Krankheitsprävention und -kontrolle (ECDC) geteilt.» Bundesgesundheitsministerium Deutschland

«Es gibt keinen Grund zur Panik, wir haben es mit einem Grippevirus mit einer tiefen Sterberate zu tun. Leider ist er vor allem für ältere Patienten gefährlich, die schon eine Vorerkrankung haben.» Luca Zaia, Präsident der Region Venezien, Italien

Der Virus ist also weder besonders ansteckend, noch führt er zu einer gegenüber anderen Grippeviren höheren Sterberate. In Deutschland schätzt man diese auf etwa 0.2 Prozent, während sie in China bei ca. 2 Prozent liegt, was aber zum Teil an der schlechten Datenlage liegen kann, welche wahrscheinlich nicht alle vom Virus Befallenen umfasst.

Zudem ist der Virus weder für Säuglinge noch für Schwangere besonders gefährlich, sondern führt vor allem bei älteren Menschen und solchen mit Vorerkrankungen und einem allgemein geschwächten Gesundheitszustand zum Tod. Wer die Infektion überstanden hat, ist danach immun gegen den Virus.

In der Schweiz sind bisher keine Ansteckungsfälle bekannt, wobei anzunehmen ist, dass sich der Virus nach den ersten Fällen in Europa auch hier weiter ausbreiten wird. Auch das ist nichts Aussergewöhnliches, sondern entspricht dem normalen Verlauf einer Virusinfektion.

Business as usual, ausser in den Medien, hier herrscht höchste Alarm- und Erregungsstufe
Eigentlich könnte man die ganze Geschichte um das Coronavirus mit einer unaufgeregten Aufklärung medial begleiten und so die Bevölkerung auf dem Laufenden halten, allfällige Massnahmen der zuständigen Behörden weiter leiten. Vor den Zeiten der schwindenden Einnahmen, sinkenden Abonnenten und ausbleibenden Inseraten, der zunehmenden Abhängigkeiten von Klicks, und Online-Kampagnen (die wiederum nur Klicks bezahlen) wäre das wahrscheinlich genau so abgelaufen.

Heute werden Inhalte jedoch klick- und lesergesteuert, was am meisten Aufmerksamkeit generiert wird weiter verfolgt (kaum qualitativ vertieft, sondern einfach quantitativ weiter bearbeitet), was, man ahnt es, natürlich zu wiederum mehr Aufmerksamkeit führt, was dann von den Medien als Anlass dafür genommen wird, hier «weiter am Ball zu bleiben».

Und schon ist das Coronavirus das alles dominierende Thema, das uns alle scheinbar so wahnsinnig beschäftigt, in Atem hält und unser Leben prägen soll. Die Menge der Medienmitteilungen ist für die Leser generell ein Masstab für die Wichtigkeit und Dringlichkeit eines Themas. Das Schweizer Fernsehen SRF ist sich dessen sehr wohl bewusst und lässt den Chefredaktor auch ausführlich erklären, weshalb er dann trotzdem beim medialen Erregungs-Karussell mittut.

Spirale in die Leere oder Ausstieg
Die Gefährlichkeit dieser Aufmerksamkeits-Spirale liegt darin, dass sie nicht lange anhält. Die wankelmütigen Leser und Klicker warten schon auf die nächste Sensation, die natürlich noch eine Spur krasser ausfallen muss, um eine noch höhere Klickrate zu erzielen. Und die Medien werden liefern, ausser, sie entscheiden sich, aus dem sinnentleerten Rennen um Dramatisierung und Skandalisierung auszusteigen, ihre primäre Informationsaufgabe wieder wahr zu nehmen und somit einen echten gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Das Coronavirus wird den Weg alles Medialen gehen und in Kürze vergessen sein. Nicht vergessen sein wird die Rolle der Medien beim Umgang mit dem Thema.

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