Mögliche Stromlücke führt zu neuer AKW-Initiative und Spar-Appellen

Mögliche Stromlücke führt zu neuer AKW-Initiative und Spar-Appellen
(Bild: © Gina Sanders / AdobeStock)

Bern – Die im Winter allenfalls drohende Stromlücke hat über das Wochenende kreative Energie freigesetzt: Bürgerliche Kreise lancieren eine neue Initiative, um das AKW-Bauverbot in der Schweiz aufzuheben. Und der Städteverband legt seinen Mitglieder nahe, in der Adventszeit auf leuchtende Sterne zu verzichten.

Die Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)» wird am Dienstag im Bundesblatt publiziert. Danach startet das Komitee, in dem SVP, FDP, Mitte sowie verschiedenen Organisationen vertreten sind, mit dem Sammeln der Unterschriften. Ohne Strom stünden Gesellschaft und Wirtschaft still, heisst es auf der Internetseite der Initiantinnen und Initianten. «Die Schweiz muss jetzt dringend für eine sichere, eigenständige und umwelt- und klimaschonende Stromversorgung sorgen.»

Dazu soll unter anderem in der Verfassung festgeschrieben werden, dass «alle klimaschonenden Arten der Stromerzeugung zulässig» seien. Damit wäre der Bau von neuen AKW in der Schweiz wieder möglich. Dass dies derzeit verboten ist, kritisiert das Komitee als «unsinniges Technologie-Verbot». Die umwelt- und klimafreundliche Kombination von Wasserkraft und Kernkraft gebe man ohne Not auf.

AKW-Kritiker sprechen von «Zwängerei»
Die in der «SonntagsZeitung» angekündigte Initiative sorgte bereits am Sonntag für heftige Reaktionen bei AKW-Gegnern. Eine überparteiliche Allianz von Parlamentarierinnen und Parlamentariern, in der FDP, Mitte, GLP, SP und Grüne vertreten sind, sprach von einer «unnötigen Zwängerei».

Die vom Stimmvolk angenommene Energiestrategie 2050 werde mit der Initiative fundamental in Frage gestellt, kritisierte die Allianz in einer Mitteilung. Angesichts des Potenzials der erneuerbaren Energien und der Verbesserung der Energieeffizienz «braucht es keine neuen, nicht finanzierbaren Atomkraftwerke, die niemand bauen will».

Auch diverse Verbände und Organisationen lehnen die Blackout-Initiative ab. Von einer «schädlichen Nebelpetarde der Atomlobby» schrieb etwa Aeesuisse, die Dachorganisation der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.

Innert nützlicher Frist könnte gar kein AKW gebaut werden, wenn es sich denn überhaupt finanzieren liesse. Demgegenüber würden täglich erneuerbare Kraftwerke ans Stromnetz angeschlossen, welche Energie liefern und damit einen konkreten Beitrag an die Versorgungssicherheit leisten würden.

Der Bau von neuen AKW fände aktuell gemäss einer am Sonntag publizierten Umfrage von Tamedia und «20 Minuten» keine Mehrheit. Nur jede dritte Frau spricht sich demnach dafür aus, dass die Schweiz Atomenergie auch in Zukunft nutzen und neue AKW bauen soll. Bei den Männern stimmten 45 Prozent dieser Aussage zu.

Städte senken Temperaturen
Der Schweizerische Städteverband hat derweil eine Liste von Massnahmen erarbeitet, mit denen die öffentliche Hand freiwillig Strom sparen kann. Die Empfehlungen werden in der kommenden Woche definitiv verabschiedet und im Detail kommuniziert, bestätigte Reto Nause, Berner Sicherheitsdirektor und Präsident der Energie- und klimapolitischen Kommission im Verband, gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Sonntag mehrere Zeitungsberichte.

Das Sparpotenzial sei enorm, hielt Nause gegenüber der «SonntagsZeitung» fest. Städte könnten beispielsweise die Raumtemperatur in ihren Liegenschaften um ein bis zwei Grad senken oder an gewissen Orten das Warmwasser ganz abstellen.

Denkbar ist gemäss Nause auch eine Reduktion oder gar ein Verzicht auf die Weihnachtsbeleuchtung. Angesichts der öffentlichen Stromspar-Appelle würden lichtergeschmückte Strassen eine falsche Botschaft aussenden, wurde Nause in der «NZZ am Sonntag» zitiert.

Nicht nur die öffentliche Hand, sondern alle müssten Strom sparen – und dies umgehend, forderte Michael Frank, Direktor des Stromdachverbands. «Der Bundesrat darf nicht weiter damit zuwarten, konkrete Sparziele zu setzen», sagte er in einem Interview in der «NZZ am Sonntag». Denn das Risiko einer Mangellage sei gross und real. «Wir müssen es sehr ernst nehmen.»

Krise ist kaum abwendbar
Die Energiekrise sei kaum mehr abwendbar, sagte Werner Luginbühl in der «Samstagsrundschau» von Schweizer Radio SRF. Der Präsident der Elektrizitätskommission (Elcom) verwies dabei auf den «exorbitanten Anstieg der Strompreise», welche gewisse Unternehmen in existenzielle Nöte bringe.

Ob es im Winter aber an Strom mangeln werde, lasse sich angesichts vieler Ungewissheiten nicht voraussagen. Einfluss haben werde auch, ob es Frankreich nicht doch gelinge, im Herbst mehr ausser Betrieb stehende AKW wieder ans Stromnetz zu bringen als gedacht.

Auch für Wirtschaftsminister Guy Parmelin sind noch verschiedene Szenarien denkbar. Im besten Fall werde es gar nicht zu einem Energiemangel kommen, sagte er in einem Interview mit der «SonntagsZeitung». Derzeit sei die Schweiz noch weit davon weg, irgendwem den Gashahn zuzudrehen.

Dies wolle die Landesregierung auch verhindern. Grundsätzlich gelte aber, dass sich das Land auf eine Krise vorbereiten könne – die Krise selbst lasse sich jedoch nicht planen. (awp/mc/pg)

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