Rentenreform: Berset will Umwandlungssatz senken

Rentenreform: Berset will Umwandlungssatz senken

Alain Berset, Bundesrat SP FR, EDI-Vorsteher

Bern – Sozialminister Alain Berset will den Umwandlungssatz für Renten von 6,8 auf 6% senken, das Rentenalter für Frauen von 64 auf 65 anheben und die Mehrwertsteuer um maximal 2 Prozentpunkte erhöhen. Diese Details zu den bereits bekannten Eckwerten der Rentenreform hat der Bundesrat am Freitag verabschiedet.

Der Bundesrat will den Umwandlungssatz für Renten von 6,8 auf 6% senken und die Mehrwertsteuer zugunsten der AHV um maximal 2 Prozentpunkte erhöhen. «Ambitiös und realistisch» nennt Sozialminister Alain Berset die Reform. Sie dürfte nicht zuletzt in seinem eigenen Lager auf Kritik stossen. Nach seinen erfolglos gebliebenen Vorgängern Pascal Couchepin und Didier Burkhalter nimmt der Sozialdemokrat Berset die Reform der Altersvorsorge in Angriff. Die Eckwerte seiner Pläne waren bereits bekannt; der Bundesrat hatte sie im vergangenen November verabschiedet.  Ohne Reform in den nächsten 15 Jahren drohe der Schweiz bis 2030 ein AHV-Loch von 9 Mrd CHF.

Brisantester Punkt ist Umwandlungssatz
Brisantester Punkt seiner Vorschläge ist die Senkung des Umwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge: Dieser soll innerhalb von vier Jahren von 6,8 auf 6% sinken. Der heutige Satz basiere auf Grundlagen von Mitte der 90er-Jahre, sagte der Direktor des Bundesamts für Sozialversicherungen, Jürg Brechbühl. Er müsse den heutigen demografischen und wirtschaftlichen Entwicklungen angepasst werden. 2010 hatte das Stimmvolk eine Senkung des Umwandlungssatzes auf 6,45 mit 72,7% Nein-Stimmen verworfen – nicht zuletzt, weil das Stimmvolk tiefere Renten fürchtete. In diese Falle will Berset nicht geraten. «Wir wollen das Leistungsniveau halten», bekräftigte der Sozialdemokrat. Allerdings dürften etliche Renten mit dem neuen Satz sinken. Ein Arbeitnehmer etwa, der 400’000 CHF in seine Pensionskasse einbezahlt hat, würde pro Jahr 3200 CHF weniger erhalten. Damit die Mindestrenten mit seinen Plänen nicht schrumpfen, sind verschiedene Massnahmen zur Kompensation vorgesehen. So sollen sich Arbeitnehmer künftig nicht mehr mit 58 Jahren frühpensionieren lassen können, sondern erst ab 62 Jahren. Zur Diskussion steht ferner die Möglichkeit, dass Junge früher in die berufliche Vorsorge einzahlen können als wie bisher mit 25 Jahren. Denkbar ist gemäss Brechbühl, dass bereits 18-Jährige mit dem Sparen beginnen können. Bereits bekannt war Bersets Plan, das Rentenalter der Frauen von 64 auf 65 Jahre anzuheben. Dies soll allerdings nicht auf einen Schlag geschehen, sondern nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes jährlich um zwei Monate.

Höhere Beiträge in die Pensionskasse
Neu sollen sowohl Frauen als auch Männer ab 62 eine Teilrente beziehen und daneben Teilzeit arbeiten können – das soll einen gleitenden Übergang in den Ruhestand ermöglichen.  Vor allem Teilzeitarbeitende und Arbeitskräfte mit mehreren Arbeitgebern profitieren von einer neuen Regelung des Koordinationsabzugs, der festlegt, ab welcher Höhe Löhne obligatorisch versichert sind. Künftig soll er 25 Prozent des jährlichen AHV-Lohns betragen, heute sind es sieben Achtel der maximalen AHV-Rente. Zudem führt laut Bersets Bericht «kein Weg an höheren Beiträgen vorbei». Sie sollen gestaffelt und so ausgestaltet sein, dass ältere Arbeitnehmer entlastet und so motiviert werden, möglichst bis zum Rentenalter zu arbeiten.

Mehrwertsteuer erhöhen
Damit auch die Höhe der AHV-Renten nicht angetastet werden muss, schlägt der Bundesrat eine schrittweise Erhöhung der Mehrwertsteuer um maximal 2 Prozentpunkte vor. Er begründet dies damit, dass dadurch die ganze Gesellschaft und nicht nur die beruflich Aktiven einen Beitrag zur Finanzierung leisten. Im Fokus hat Berset überdies die Hinterlassenenrenten. Waisenrenten sollen erhöht und im Gegenzug die Renten von Witwen mit Kindern gekürzt werden. Die Zahlungen an kinderlose Witwen sollen ganz gestrichen werden. Auch die Beteiligung des Bundes an den AHV-Ausgaben soll neu geregelt werden. Heute beträgt sie fix 19,55% der AHV-Ausgaben, künftig soll sich die Hälfte der Ausgaben an der Entwicklung der Mehrwertsteuereinnahmen ausrichten.

Schuldenbremse vorgeschlagen
Der Bundesrat schlägt ferner eine Schuldenbremse vor: Wenn die AHV in finanzielle Schieflage gerät, sollen ab einer gewissen Schwelle die Beiträge automatisch steigen, und die Renten würden nicht mehr der Lohnentwicklung angepasst. Dieser Automatismus soll die Politik dazu zwingen, rechtzeitig Massnahmen zu ergreifen.

Bis Ende Jahr wird der Bundesrat einen Entwurf der Reform in die Vernehmlassung schicken. Sie dürfte nicht zuletzt bei Linken und Gewerkschaften auf Ablehnung stossen. Der Gewerkschaftsbund sprach bereits am Freitagnachmittag von einem «Rentenklau». Gesundheitsminister Berset geht davon aus, dass das Volk frühestens in den Jahren 2018 bis 2020 über die Reform abstimmen kann.

Starker Widerstand bei Gewerkschaften
Stark ist der Widerstand bei den Gewerkschaften. Die Kritik an den Reformvorschlägen kommt vor allem aus jenen Kreisen, die 2010 erfolgreich die Senkung des Umwandlungssatzes in der 2. Säule bekämpft haben. Die nun geplante Reduktion von 6,8 auf 6% sei ein noch grösserer «Rentenklau» als 2010 geplant gewesen sei, hält der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) fest. Damals ging es um eine Senkung auf 6,4%. Nicht genügend ist aus Sicht des SGB die Abfederung der Senkung durch die Einzahlung in die Pensionskasse in jüngerem Alter. Keine Chance hat auf linker Seite auch die Angleichung des Rentenalters für Frauen und Männer auf 65 Jahre. Die SP wehrt sich gegen jeglichen Abbau bei den Renten: «Tiefere Renten haben vor dem Volk keine Chance», lässt sich SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr (ZH) in einem Communiqué zitieren. Die Partei findet allerdings auch positive Aspekte bei der Vorlage ihres Bundesrates Alain Berset. Dass AHV und Berufliche Vorsorge (BVG) gemeinsam reformiert werden, begrüsst sie wie die Gewerkschaften. Zudem verweist die Linke weist auch auf ihre Volksinitiativen zu Gunsten der AHV hin: Eine Erbschaftssteuer soll der AHV 2 Mrd CHF pro Jahr einbringen, mit «AHVplus» sollen die Renten um 10% steigen.

Bei den Rechten partielle Zustimmung
Bei der Rechten stösst der Bundesrat wenigstens mit einzelnen Teilen seines Vorschlag auf Zustimmung. Die SVP befürwortet zum Beispiel die Angleichung des Frauenrentenalters, die Schuldenbremse und die Senkung des Umwandlungssatzes. Allerdings möchte sie diese Reformen vorziehen. Für ein forscheres Tempo spricht sich auch die CVP aus. Es brauche rasch Lösungen für die Finanzierung. «Der Ball liegt nun bei Bundesrat Alain Berset. Er muss sein Lager überzeugen», sagte CVP-Generalsekretärin Béatrice Wertli. Aus ihrer Sicht dürfte das schwierig sein. Bei SVP und dem Schweizerischen Gewerbeverband (sgv) stösst zudem die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2%. Der sgv kritisiert zudem, der Bundesrat die Finanzierungslücke bei der AHV mehrheitlich auf der Einnahmenseite decken. Flexibilisierung und Angleichung des Rentenalters kommen auch beim Schweizerischen Arbeitgeberverband gut an – die geplante Mehrwertsteuer-Erhöhung dagegen ebenfalls weniger. Das käme nur «im äussersten Notfall in Frage», hält die Organisation fest. Für sie ist der Schritt nur dann akzeptabel, wenn gleichzeitig das Rentenalter auf 67 Jahre erhöht wird. Der Gewerbeverband hält generelle Erhöhung des Rentenalters ebenfalls für notwendig. Die Arbeitgeber befürchten zudem, dass der Bundesrat «das Fuder» überlädt mit seiner Reform und damit einen «Scherbenhaufen» riskiert.

Eine durchwegs positive Rückmeldung erhält der Bundesrat vom Schweizerische Pensionskassenverband (ASIP). Es handle sich um ein ganzheitliches Reformpaket, bei dem niemandem etwas weggenommen und die Altersvorsorge langfristig gesichert werde, hält der ASIP fest.  (awp/mc/cs)

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