Druck auf Athen wächst – Schäuble: «Graccident» denkbar

Druck auf Athen wächst – Schäuble: «Graccident» denkbar
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (Bild: © Bundesministerium der Finanzen, Ilja C. Hendel)

Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble. (Bild: © Bundesministerium der Finanzen, Ilja C. Hendel)

Brüssel – Die Verzweiflung im Schulden-Drama Griechenlands wächst auf allen Seiten. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble schloss sogar einen versehentlichen, unfallartigen Austritt («Graccident») aus der Euro-Zone nicht mehr aus. Auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zeigte sich am Freitag mit der Entwicklung unzufrieden. Trotz aller Zerwürfnisse warb Griechenlands linker Ministerpräsident Alexis Tsipras bei seinen Krisengesprächen mit EU-Politikern in Brüssel um Hilfe und Solidarität für das pleitebedrohte Euroland.

«Ich denke, dass wir am Ende all diese Missverständnisse ausräumen können», sagte Tsipras am Rande der Gespräche. Griechenland habe bereits begonnen, seine für die Verlängerung des Hilfsprogrammes eingegangen Verpflichtungen zu erfüllen. «Wir erledigen unseren Teil, und wir erwarten, dass unsere Partner ihren Teil beitragen.»

Deutschland: Mehrheit für Grexit
Das Verhalten der griechischen Regierung stösst bei den Deutschen auf massive Kritik, 80 Prozent halten es für unseriös, wie eine Umfrage ergab. 52 Prozent der Bundesbürger sind mittlerweile gegen einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone aus, im Februar waren es zuletzt 41 Prozent, geht aus dem «ZDF-Politbarometer» hervor.

Juncker wies darauf hin, dass der Ausweg aus der Krise noch weit entfernt ist. «Ich bin nicht zufrieden mit den Entwicklungen in den vergangenen Wochen. Ich denke nicht, dass wir ausreichend Fortschritte gemacht haben», sagte der Luxemburger. Er bezeichnete es aber erneut als ausgeschlossen, dass Griechenland wegen seiner Schuldenprobleme aus dem Euro aussteigen muss.

Schäuble schliesst griechischen Austritt nicht aus
Am Vorabend hatte Schäuble wie sein österreichischer Amtskollege Hans Jörg Schelling in Wien einen ungeplanten Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone nicht ausgeschlossen. In einem Fernsehinterview des ORF sagte Schäuble: «Im Augenblick, da ja die Verantwortung, die Möglichkeit es zu entscheiden, was passiert, nur in Griechenland liegt, und da wir nicht so genau wissen, was die Verantwortlichen in Griechenland tun, können wir es ja auch nicht ausschliessen.» Seine Sprecherin ergänzte in Berlin, Schäuble halte das Schuldenproblem für überwindbar und sehe Griechenland nicht als hoffnungslosen Fall.

Es sei das Bestreben der Bundesregierung, Athen in der Euro-Zone zu halten: «Aber es ist auch wichtig jetzt zu betonen, dass Griechenland jetzt am Zug ist, seine Reformverpflichtungen so zu erfüllen, wie es vereinbart wurde.» Es gebe keinen Blankoscheck, sagte die Sprecherin. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, es bleibe politisches Ziel, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibe. Es gebe kein bilaterales Problem zischen Berlin und Athen und keine Fehde zwischen Schäuble und dessen griechischem Amtskollegen Gianis Varoufakis.

Kassensturz nötig
Juncker betonte, die EU-Kommission könne nur Vorschläge machen und als Vermittler dienen. Entscheidungen seien Sache der Eurogruppe, in der Vertreter der nationalen Regierungen sitzen. Sie hatten Ende Februar vereinbart, das mittlerweile bereits zweite grosse Hilfsprogramm für Griechenland bis Ende Juni zu verlängern. Frisches Geld soll es aber nur dann geben, wenn die Regierung in Athen Reform- und Sparauflagen einhält. Gespräche von Experten auf beiden Seiten laufen dazu seit dieser Woche. Sie sollen auch Klarheit über die akuten Finanznöte bringen.

Der Kassensturz ist dringend nötig, denn Athen hat im März noch Milliarden-Verpflichtungen zu erfüllen. Wie das griechische Staatsfernsehen berichtet, zahlte Athen fristgemäss am Freitag 348 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF). Bis zum 20. März sind in zwei Raten weitere 842 Millionen Euro an den IWF fällig. Um diese und weitere Verpflichtungen zu erfüllen und eine Pleite abzuwenden, sollen die Kassen von Sozialversicherungen und anderer staatlicher Unternehmen und Behörden angezapft werden.

«Europäisches Problem»
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bot Tsipras an, dessen Regierung bei der Entwicklung einer Strategie für mehr Wachstum und Beschäftigung zu unterstützen. «Das Europäische Parlament ist bereit, so schnell wie möglich mit der griechischen Regierung und mit der EU-Kommission zu sprechen, um Geld (…) für den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland zu mobilisieren», sagte der Deutsche. Aus dem Sechs-Milliarden-Euro-Topf des sogenannten Jugendgarantie-Programms der EU sei noch viele Mittel verfügbar.

Der griechische Ministerpräsident kritisierte, in den Diskussionen der vergangenen Wochen sei es immer nur um «Auflagen, Auflagen, Auflagen» und «umsetzen, umsetzen, umsetzen» gegangen. «Jetzt ist es an der Zeit, über die Zukunft zu sprechen», sagte Tsipras. «Ich glaube, dass es kein griechisches, sondern ein europäisches Problem gibt.» (awp/mc/pg)

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