Die Aufrüstung Europas könnte die Verteidigungstechnologie stärken

Inmitten zunehmender geopolitischer Spannungen befindet sich Europa an einem kritischen Punkt seiner Sicherheitsstrategie. Die Staaten der EU, die lange Zeit auf amerikanische militärische Unterstützung angewiesen waren, stehen nun vor der dringenden Notwendigkeit, mehr Verantwortung für ihre eigene Verteidigung zu übernehmen, da die neue US-Regierung einen strategischen Wandel in der Verteidigungspolitik signalisiert. Diese Verschiebung könnte die EU-Staaten dazu zwingen, ihre Militärhaushalte deutlich zu erhöhen.
von Andrew Ye, Investment Strategist at Global X ETFs
In den ersten Monaten des Jahres 2025 haben einige grosse europäische Nationen und die Europäische Kommission umfangreiche Verteidigungsausgabenprogramme in Höhe von Hunderten von Milliarden Dollar angekündigt, die darauf abzielen, die militärischen Fähigkeiten bis 2030 zu stärken. Die EU-Mitgliedstaaten, die im Jahr 2024 schätzungsweise mehr als 326 Mrd. EUR für Verteidigung ausgegeben haben, werden die Ausgaben bis 2027 voraussichtlich um weitere 100 Mrd. EUR erhöhen.
Auf dem Weg Europas zu einer grösseren militärischen Autarkie könnten die weltweiten Verteidigungsausgaben weiter steigen, wobei in den nächsten fünf Jahren möglicherweise ein besonderer Schwerpunkt auf fortschrittlichen Verteidigungstechnologien liegen wird. Da sich die Ausgaben durch die Wertschöpfungskette arbeiten, könnten internationale Verteidigungsaktien, insbesondere in Europa, davon profitieren.
Wichtige Erkenntnisse
- Die neue US-Regierung signalisiert einen strategischen Wandel in ihrer Verteidigungspolitik, bei der Effizienz und Technologieführerschaft im Vordergrund stehen.
- Viele europäische Nationen sind gezwungen, mehr Verantwortung für ihre eigene Sicherheit zu übernehmen. Die europäische Aufrüstung scheint eine kurzfristige Reaktion zu sein, aber auch ein struktureller Wandel in der Verteidigungspolitik.
- Die digitale Transformation der Verteidigung steckt möglicherweise noch in den Kinderschuhen, und es gibt vor allem in Europa noch viel zu tun. Die Kriegsführung stützt sich zunehmend auf KI, Cybersicherheit und Echtzeitdaten.
Eine wandelnde globale Landschaft
Nach Angaben des Council on Foreign Relations ist die globale Verteidigungslandschaft nach wie vor sehr volatil, da weltweit fast 30 grosse Konflikte andauern. Vor diesem Hintergrund zwingt die «America-first»-Haltung der neuen US-Regierung in Verbindung mit direkten Verhandlungen mit Russland über den Ukraine-Krieg Europa zu einem Neudenken seiner Verteidigungsstrategie. Viele europäische Länder räumen nun ein, dass jahrzehntelang zu wenig in die Verteidigung investiert wurde, und einige haben sich bereits zu höheren Ausgaben verpflichtet.
In der Zwischenzeit verfolgt die neue Trump-Regierung innenpolitisch eine mutige Verteidigungsstrategie, die darauf abzielt, die Verschwendung zu reduzieren und gleichzeitig ihre militärischen Fähigkeiten mit KI, autonomen Waffen, Drohnen und Robotik zu modernisieren. Es wird erwartet, dass die von Altlasten freigesetzten Budgets die Modernisierungsbemühungen im Verteidigungsbereich weiter beschleunigen werden, was wichtigen Anbietern von Verteidigungstechnologie zugutekommen könnte.
Diese Fortschritte finden nicht isoliert statt. Während die USA ihre militärischen Fähigkeiten modernisieren, könnten sich andere Nationen durchaus gezwungen fühlen, ihre eigenen Arsenale an Verteidigungstechnologie zu stärken. Diese Dynamik, die durch die europäischen Verpflichtungen noch verstärkt wird, könnte die weltweiten Verteidigungsausgaben bis 2030 in die Höhe treiben.
Europas Verteidigungshaushalte könnten langfristig ausgeweitet werden
Vor der Verteidigungsbotschaft der neuen US-Regierung befand sich Europa bereits in einer historischen Aufrüstungsphase, in der die Verteidigungshaushalte in einem Tempo stiegen, wie es seit dem Kalten Krieg nicht mehr der Fall war. So stiegen die europäischen Militärhaushalte im Jahr 2023 um 10 % auf 279 Milliarden Euro, das neunte Jahr in Folge mit Wachstum.
Darüber hinaus wird erwartet, dass die europäischen Mitglieder der Nationalen Atlantikpakt-Organisation (NATO) zwischen 2022 und 2024 neue Verteidigungsausgaben in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar aufstocken werden. Bis Ende 2024 werden voraussichtlich mindestens 20 NATO-Mitglieder das Ziel für Verteidigungsausgaben von 2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen oder übertreffen, gegenüber nur 9 Mitgliedern im Jahr 2021. Deutschland, Frankreich und Polen führen den Ausgabenschub an: Der deutsche Militärhaushalt wird allein im Jahr 2024 um 25 % auf rund 86 Milliarden Euro aufgebläht und ist damit nach den USA und China der drittgrösste Verteidigungshaushalt der Welt.
Trotz der Dringlichkeit liegen einige europäische Nationen bei den Verteidigungsausgaben im Verhältnis zum BIP immer noch hinter anderen Militärmächten zurück. Die Verteidigungsausgaben der Region nehmen zu, bleiben aber weit unter den neuen Ambitionen, die sich die NATO-Führung und wichtige Mitglieder gesetzt haben, was bedeutet, dass ein weiteres Ausgabenwachstum bevorstehen könnte. Die jüngsten Ausgabeninitiativen könnten eine Dynamik in diese Richtung signalisieren.
Der Anteil der EU-Verteidigungsausgaben am BIP liegt hinter Ländern mit den grössten Ausgaben zurück

Quellen: Stockholm International Peace Research Institute über die Weltbankgruppe. Militärausgaben (in % des BIP). Abgerufen am 18. Februar 2025. Hinweis: Stand der Daten 2023
Weitere mögliche Entwicklungen im Jahr 2025 zur Stärkung der europäischen Verteidigung:
- Die britische Verteidigungsreform: Das Vereinigte Königreich hat eine neue Verteidigungseinheit ins Leben gerufen, die die Militärausgaben in Höhe von 20 Milliarden Pfund überwachen soll. Premierminister Keir Starmer hat die grösste nachhaltige Erhöhung der Verteidigungsausgaben seit dem Kalten Krieg angekündigt und einen Anstieg auf 2,5 Prozent des BIP vorgeschlagen.
- Initiative «Rearm Europe»: Die Europäische Union hat eine Verteidigungsinitiative von 800 Milliarden Euro mit dem Namen «Rearm Europe» vorgestellt, um ihre militärischen Fähigkeiten zu stärken. Der Plan umfasst Kredite in Höhe von 150 Milliarden Euro an die Mitgliedstaaten und zielt darauf ab, private Investitionen in Verteidigungstechnologie zu mobilisieren. Dies folgt auf die Bemerkungen von NATO-Generalsekretär Mark Rutte, dass das Ausgabenziel des Bündnisses «deutlich mehr als 3 Prozent» des BIP betragen würde, gegenüber dem derzeitigen Ziel von 2 Prozent.
- Deutsche Verteidigungsausgaben: Deutschland wird die Militärausgaben von seinen strengen Haushaltsregeln ausnehmen und einen ausserbudgetären Fonds von 500 Milliarden Euro zur Finanzierung von Infrastrukturausgaben einrichten, um den Grundstein für eine kräftige Aufstockung des Verteidigungshaushalts des Landes zu legen.
- Pariser Notfallgipfel: Als Reaktion auf die Besorgnis über die Kürzung der US-Militärhilfe für die Ukraine haben die europäischen Staats- und Regierungschefs einen Notfallgipfel einberufen und sich verpflichtet, Milliarden von Euro für die Verteidigung bereitzustellen. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk betonte, dass Verteidigungsausgaben nicht länger als überhöhte Ausgaben behandelt werden.
- Anstieg der privaten Verteidigungsinvestitionen: Die Investitionen des europäischen Privatsektors in Verteidigung, Sicherheit und Resilienz stiegen im Jahresvergleich um 24 %, was das wachsende Interesse an der militärischen Modernisierung widerspiegelt.
Darüber hinaus ist die Beschaffung und Entwicklung neuer Ausrüstung nach wie vor von zentraler Bedeutung für das Wachstum der europäischen Verteidigungsausgaben. Im Jahr 2024 dürften die Ausgaben für die Beschaffung neuer Ausrüstung 90 Mrd. EUR überschritten haben, was einem Anstieg von fast 50 % gegenüber 2023 und fast 27 % des Gesamtbudgets entspricht. In ähnlicher Weise stiegen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 18 % auf 13 Milliarden Euro. Dieser Ausbau könnte sich in den nächsten Jahren fortsetzen und signalisiert eine breit angelegte Anstrengung zur Modernisierung der Verteidigungsfähigkeiten.
Verteidigungsausgaben der EU-Mitgliedstaaten steigen nach 2020 stark an

Quelle: Rat der Europäischen Union. (o.D.). EU-Verteidigung in Zahlen, abgerufen am 7. März 2025. (*Prognose)
Die digitale Transformation im Verteidigungsbereich hat noch Potenzial
Trotz Rekordausgaben für das Militär ist die Verteidigung in den USA nach wie vor eine der am wenigsten digitalisierten Branchen, da weniger als 1 % des Militärbudgets für Software und digitale Fähigkeiten aufgewendet wird. Die USA und ihre Verbündeten erkennen diese Lücke, was zu einem beschleunigten Vorstoss in Richtung KI, Cybersicherheit und digitaler Kriegsführung führt.
Die jüngsten Konflikte, wie die in der Ukraine und im Nahen Osten, haben die entscheidenden Vorteile der Technologie deutlich gemacht – insbesondere die datengesteuerte Entscheidungsfindung in Echtzeit, die zu einer Aufrüstung der Infrastruktur für Verteidigungssoftware führen könnte. Neben der operativen Überlegenheit könnte die Technologie auch Kostenvorteile auf dem Schlachtfeld bringen und die strategische Bedeutung von verteidigungstechnischen Lösungen verstärken. Weltweit und in Europa könnten Unternehmen, die sich auf fortschrittliche Verteidigungssysteme und verteidigungstechnische Infrastrukturen spezialisiert haben, potenziell von nachhaltigen Investitionen profitieren.
Im Folgenden stellen wir drei europäische Unternehmen vor, die diesen Wandel vorantreiben wollen:
- Die Rheinmetall AG, Deutschlands grösster Munitionshersteller, ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen und profitiert dabei von gestiegenen europäischen Verteidigungsausgaben. Das Unternehmen hat kürzlich seinen bisher grössten Rahmenvertrag mit der Bundeswehr für die Digitalisierung von Infanterie-Soldaten-Systemen unterzeichnet. Die Vereinbarung mit einem Volumen von bis zu 3,1 Milliarden Euro läuft bis Ende 2030.
- Thales SA, ein französischer Gigant für Verteidigungselektronik, betreibt ein Verteidigungsgeschäft, das über 50 % seines Umsatzes und fast 60 % des Gewinns ausmacht. Das Unternehmen hat kürzlich einen Vertrag über 250 Mio. £ für die Flottenkommunikation der Royal Navy abgeschlossen und seine Cybersicherheitsabteilung mit der Übernahme von Imperva erweitert.
- BAE Systems, Grossbritanniens führendes Verteidigungs- und Luft- und Raumfahrtunternehmen, scheint von dem Anstieg der Verteidigungsausgaben in den EU-Ländern seit Beginn des Russland-Ukraine-Krieges profitiert zu haben, wobei die Bestellungen für Kampfjets, U-Boote und Fregatten sehr gefragt sind. Das Unternehmen meldete einen Rekordumsatz von 28,33 Mrd. £ im Jahr 2024, was einem Anstieg von 14% gegenüber 2023 entspricht. Das Unternehmen erhielt im vergangenen Jahr neue Aufträge im Wert von 33,7 Mrd. £, während der bestehende Auftragsbestand des Unternehmens um 8 Mrd. £ auf 77,8 Mrd. £ stieg.
Fazit: Eine lange Wachstumsbahn für Verteidigungstechnologie?
Angesichts der zunehmenden globalen geopolitischen Unsicherheit könnten die Verteidigungsausgaben in diesem Jahrzehnt langfristig ausgeweitet werden. Die Neuausrichtung der strategischen Prioritäten der USA könnte Europa zu mehr militärischer Eigenständigkeit bewegen, was zu einer verstärkten Beschaffung führen und einigen der größten Rüstungsunternehmen der Region zugute kommt. Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette der Verteidigungstechnologie – einschliesslich Software, Komponenten, Hardware, Drohnen, Autonomie und Sensoren – scheinen potenziell für nachhaltiges Wachstum positioniert zu sein. Für Anleger, die von diesem Generationswechsel der globalen Verteidigungsordnung profitieren wollen, kann ein diversifizierter globaler Ansatz mit einem starken Fokus auf Verteidigungstechnologie von entscheidender Bedeutung sein. (Global X ETFs/mc/pg)