EZB signalisiert trotz schwacher Konjunkturaussichten keine Zinssenkung

EZB signalisiert trotz schwacher Konjunkturaussichten keine Zinssenkung
EZB-Präsident Mario Draghi. (Bild: EZB)

EZB-Präsident Mario Draghi. (Bild: EZB)

Frankfurt am Main – Die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt ihrer derzeitigen Geldpolitik treu: Trotz einer weiterhin verhaltenen Konjunktur- und Inflationsprognose senkte sie den Leitzins nicht noch weiter. Dieser verharrt damit auf dem Rekordtiefstand von 0,75 Prozent. Die Tür für eine weitere Lockerung hielt sich Präsident Mario Draghi laut Experten aber offen.

Man habe über eine Senkung des Leitzinses diskutiert, sagte Draghi am Donnerstag nach der Sitzung des EZB-Rats in Frankfurt. Letztlich habe die «vorherrschende Meinung» im Rat aber gegen einen derartigen Schritt gesprochen. Auf der letzten Sitzung im Februar war die Entscheidung für unveränderte Zinsen noch einstimmig gefallen. Vor der jüngsten Ratssitzung hatte es Spekulationen über eine baldige Zinssenkung gegeben.

Stabilisierung der Konjunktur erwartet
Die Notenbank geht wie bisher von einer baldigen Stabilisierung der Wirtschaftsentwicklung im Euroraum aus, wenn auch auf niedrigem Niveau. Darauf deuteten jüngste Daten hin, sagte Draghi. Wie bislang erwartet die Notenbank eine moderate konjunkturelle Erholung erst ab dem zweiten Halbjahr 2013. Zugleich sieht sie immer noch Wachstumsrisiken. Ihre Wachstumsprognosen senkte die EZB leicht. Grund hierfür war laut Draghi das schwache vierte Quartal 2012.

Volkswirte zeigten sich überrascht, dass die EZB ihre Wachstumsprognosen trotz zuletzt besserer Frühindikatoren nicht anhob. «Die jüngst veröffentlichten Frühindikatoren hätten eigentlich für eine optimistischere Projektion gesprochen», sagte Michael Schubert, EZB-Experte bei der Commerzbank. Die anstehenden «harten» Konjunkturdaten dürften die Notenbank positiv überraschen. Weil die EZB die Zinsen trotzt ihrer pessimistischen Projektionen nicht gesenkt habe, dürfte sie dies auch künftig nicht tun, erklärte Schubert.

Tür für Zinssenkung belibt offen
Allerdings bleibt die Tür für eine weitere Zinssenkung nach Einschätzung vieler Ökonomen offen. «Rückläufige Inflationsraten auf der einen Seite in Verbindung mit schwachen Konjunkturdaten auf der anderen Seite lassen Raum für eine weitere Zinssenkung», schreibt die NordLB in einem Kommentar. Allerdings mehrten sich die Anzeichen für eine konjunkturelle Erholung – wenn auch erst in der zweiten Jahreshälfte. Die EZB spiele daher auf Zeit.

Laut Europa-Chefvolkswirt Holger Sandte von der skandinavischen Bank Nordea wird die EZB im Falle schlechterer Frühindikatoren die Zinsen mindestens einmal, vielleicht sogar zweimal senken. Sollten «harte Konjunkturzahlen» enttäuschen, rechnet er mit einer Zinssenkung schon im zweiten Quartal.

Inflationsrisiken bleiben ausgewogen
Die Inflationsrisiken bewertet die Notenbank nach wie vor als ausgewogen. Die Inflationserwartungen, die für den mittelfristigen geldpolitischen Kurs entscheidend sind, seien fest verankert. Ihre Projektionen beliess sie unverändert.

Draghi vermied es im Gegensatz zur letzten Zinssitzung, den starken Euro als Risiko für die Preisentwicklung im Währungsraum zu erwähnen. Nach der letzten Ratssitzung Anfang Februar hatte der EZB-Chef der Aufwertung des Euro damit einen Dämpfer verliehen. Seither und nach den Wahlen in Italien hat der Euro zu vielen Währungen deutlich nachgegeben. Derzeit entspreche der Wechselkurs dem langfristigen historischen Niveau, sagte Draghi am Donnerstag. Er bekräftigte, dass die EZB kein Wechselkursziel habe. Der Eurokurs sei jedoch «sehr wichtig» für die Wirtschaftsentwicklung.

Der Euro reagierte auf die Pressekonferenz mit Kursgewinnen und stieg über die Marke von 1,31 US-Dollar. Die Aktienmärkte reagierten kaum auf die Aussagen. Der für den deutschen Anleihemarkt richtungsweisende Euro-Bund-Future geriet unter Druck.

Draghi: Italien-Wahl ohne nachhaltigen Effekt
Der unklare Wahlausgang in Italien hatte laut Draghi keine nachhaltigen Effekte auf die Finanzmärkte. Das Anleihekaufprogramm (OMT) habe seine positive Wirkung gezeigt. Die bisherigen Reformen würden trotz der politischen Unsicherheit weiter wirken. Draghi forderte Italien auf, den Reformkurs fortzusetzen. Nur so könne langfristig wirtschaftliches Wachstum geschaffen werden.

Unterdessen wies Draghi Spekulationen zurück, wonach die Notenbank die sogenannte «Troika» bestehend aus EZB, Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission verlassen könnte. «Die Troika funktioniert sehr gut», sagte er. Die Notenbank müsse auch künftig der Troika angehören, so Draghi.

Zuletzt hatte es Presseberichte gegeben, wonach sich EZB-Vertreter zusehends unwohl in ihrer Rolle als Mitglied der Troika fühlen. Es war insbesondere von politischem Druck die Rede, der ausgeübt werde. Das Dreigespann ist für die Kontrolle von Auflagen verantwortlich, die zwischen hilfsbedürftigen Euroländern und seinen Euro-Partnern vereinbart wurden. Die Troika ist auch beratend tätig. (awp/mc/upd/ps)

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