Standard & Poor’s entzieht den USA die Bestnote

Standard & Poor’s entzieht den USA die Bestnote

US-Präsident Barack Obama.

Washington – Die USA haben erstmals in der Geschichte die Bestnote als zuverlässiger Schuldner verloren. Nun wartet die Welt gebannt darauf, wie stark und lange die Talfahrt an den Aktienmärkten weitergeht und sich der Schritt auf die Devisenkurse sowie Rohstoffpreise auswirkt. Nach den drastischen Kursverlusten an den internationalen Börsen in der vergangenen Woche besteht die Sorge, dass es noch weiter nach unten geht, die flaue US-Konjunktur weiter leidet und all dies die Weltwirtschaft in einen neuen Abwärtsstrudel reissen könnte. Die ersten Reaktionen an den Finanzmärkten waren eindeutig negativ. Die Kurse von Aktien fielen weiter, Gold wurde teurer und der Dollar gab weiter nach.

Für zusätzlichen Zündstoff sorgt die europäische Schuldenkrise, über deren Bewältigung nur knapp drei Wochen nach dem jüngsten Euro-Krisengipfel schon wieder heftig gestritten wird. Dort signalisierte jedoch die Europäische Zentralbank am Sonntagabend den Ankauf von spanischen und italienischen Staatsanleihen. Die EZB wolle ihr Anleihenkaufprogramm «aktiv umsetzten», teilte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet nach einer Telefonkonferenz des Rats der Notenbank am Sonntag in Frankfurt mit.

Gold auf Rekordhoch – Franken erneut als Fluchtwährung gesucht
Die ersten Reaktionen in Asien deuten auf weitere Verluste in Europa und den Vereinigten Staaten hin. An den asiatischen Aktienmärkten ging es teils deutlich nach unten – da halfen auch die Beteuerungen der G7-Staaten, die Aktienmärkte stabil halten zu wollen nichts. Der Goldpreis stieg unterdessen auf ein neues Rekordhoch. Und auch der Schweizer Franken war erneut als Fluchtwährung gesucht. Der Dollar gab aber auch gegenüber dem Euro und dem japanischen Yen nach. Die Kurse US-amerikanischer Staatsanleihen büssten zum an Wert ein und auch die Futures auf die amerikanischen Aktien sackten weiter ab.

Mit S&P-Abstufung wankt ein Eckpfeiler des Finanzsystems
Mit der Abstufung der US-Bonität durch die Rating-Agentur Standard & Poor’s wankt ein Eckpfeiler des weltweiten Finanzsystems – Experten rätseln darüber, wie sich dies auf die Märkte auswirken wird. Der Schritt war zwar erwartet worden, kommt aber nach einer Woche mit den schwersten Verlusten an den Weltbörsen seit dem Herbst 2008, als die Finanzmärkte infolge der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers kollabiert waren. Zuletzt hatte sich die EZB nach Medienberichten geweigert, italienische Anlaihen zu kaufen, da die Bank unzufrieden mit den italienischen Sparbemühungen war. Am Freitagabend gab Ministerpräsident Silvio Berlusconi jedoch bekannt, dass Italien das bisherige Sparprogramm vorziehen wolle und bereits im Jahr 2013 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen will.

G7-Staaten bekennen sich zu gemeinsamer Verantwortung
Trotz Schuldenkrise und schwacher Wirtschaftsentwicklung will US- Finanzminister Timothy Geithner weiter im Amt bleiben. Das teilte er nach Angaben einer Ministeriumssprecherin vom Sonntag Präsident Barack Obama mit. Zuvor hatte es Spekulationen gegeben, dass Geithner sich zurückziehen könnte. Obama habe Geithner gebeten zu bleiben, «und er begrüsst seine Entscheidung», zitierte die Wirtschaftsagentur Bloomberg den Sprecher des Weissen Hauses, Jay Carney. Geithner hatte selbst vor Wochen angedeutet, dass er sich nach der Erhöhung der Schuldengrenze zurückziehen könnte.

Märkte und Politiker in höchster Alarmstimmung
Märkte und Politiker sind angesichts dieser bedrohlichen Lage in höchster Alarmstimmung. Die Finanzminister und Notenbankchefs der wichtigsten Industrienationen (G7) berieten in einer Telefonkonferenz die Entwicklung an den internationalen Finanzmärkten und bekannten sich nach Angaben der japanischen Agentur Kyodo zur gemeinsamen Verantwortung für die weitere Stabilität der globalen Märkte. Bei Bedarf wollten sie zur Stabilisierung der Märkte koordiniert eingreifen, heisst es in einer am Morgen in Tokio verbreiteten Mitteilung der G7.

S&P begründet Abstufung mit Unberechenbarkeit der Politik
Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) hatte am Freitagabend den USA die Bestnote «AAA» entzogen und die Bonität auf «AA+» abgestuft. Die Agentur begründete dies mit dem jüngsten Schuldenabkommen. Die angepeilten Einsparungen reichten zur Finanzkonsolidierung nicht aus. Ausserdem wurde die Berechenbarkeit der US-Politik in Frage gestellt. Die beiden anderen wichtigen US-Ratingagenturen Moody’s und Fitch hielten an der Bestnote fest. Konsequenz eines schlechteren Ratings können höhere Zinsen für die Aufnahme frischen Geldes sein: Die USA müssten dann neben der Tilgung ihrer riesigen Schulden zusätzlich eine wachsende Zinslast schultern.

EU streitet weiter um Euro-Rettungsschirm
Im Windschatten des US-Schuldendebakels streitet die EU schon wieder heftig über die Instrumente zum Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise. Heftigen Gegenwind spürt vor allem EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, der am Donnerstag eine Überprüfung aller Elemente des Rettungsschirms EFSF einschliesslich dessen finanzieller Ausstattung verlangt hatte. Der Vorstoss des Portugiesen provoziert weiter heftige Kritik.

Deutsche-Bank-Chefvolkswirt: Es wird Verluste geben
Als erstes öffneten am Montag (Ortszeit) die Finanzmärkte im Pazifik und Fernost, dann folgen die europäischen Börsen – anschliessend beendet die Wall Street in New York den Reigen. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, rechnet mit weiteren Kurseinbrüchen an den Börsen. «Schlechte Nachrichten sind immer unangenehm für Märkte», sagte Mayer im Gespräch mit «Bild am Sonntag». Er rechne zwar nicht mit einem weltweiten Börsencrash, aber: «Es könnte Verluste geben.» Der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» sagte er: «Ob sich solche Entwicklungen zu einem Sommergewitter oder einem Tornado zusammenbrauen ist schwer vorherzusehen.» (awp/mc/upd/ps)

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