USA und Iran steuern wegen Irak-Krise auf Annäherung zu
Ende der Eiszeit? Irans Präsident Hassan Rohani und US-Präsident Barack Obama.
Washington / Bagdad – Der Vormarsch der islamistischen Isis-Miliz im Irak könnte die Erzfeinde USA und Iran zu einer vorsichtigen Annäherung nötigen. Die US-Regierung bereitet laut «Wall Street Journal» direkte Gespräche mit Teheran vor. Thema soll die Vertreibung der sunnitischen Dschihadisten sein, wie US-Vertreter dem Blatt sagten. Die Gefechte zwischen Isis und der irakischen Armee dauerten am Montag an – unter anderem in der Region Bakuba, nur 60 Kilometer vor den Toren Bagdads.
Die Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) hat vergangene Woche Teile des Iraks eingenommen. Experten schätzen ihre Stärke auf rund 10’000 Mann. Die nominell weitaus stärkere irakische Armee startete nach eigenen Angaben am Wochenende eine erfolgreiche Gegenoffensive. Ziel ist es vor allem, zusammen mit kurdischen Peschmerga-Truppen und Tausenden Freiwilligen die nördliche Millionenmetropole Mossul zurückzuerobern.
Die von Schiiten dominierten Regierungen im Irak und Iran sehen die sunnitischen Isis-Kämpfer, die einen streng muslimischen Gottesstaat errichten wollen, als hochgefährliche Gegner an – ebenso wie die USA, die eine Destabilisierung oder gar den Zerfall des Iraks befürchten.
Spektakulärer Fund
Den irakischen Truppen fielen nach Informationen des britischen «Guardian» mehr als 160 Speichersticks der Islamistenmiliz mit brisanten Informationen in die Hände: Namen und Kriegsnamen aller ausländischen Isis-Kämpfer, von Isis-Anführern, Codewörter, die Initialen von Informanten in Ministerien sowie die kompletten Finanzdaten der Organisation. «Wir waren alle verblüfft, und die Amerikaner auch», sagte ein Geheimdienstoffizier der Zeitung (Onlineausgabe/Sonntag).
Die Gespräche der USA mit dem Iran könnten laut «Wall Street Journal» diese Woche beginnen. Welche diplomatischen Kanäle genutzt werden, sei aber noch unklar. Denkbar erscheinen Kontakte am Rande der Atomverhandlungen mit dem Iran, die an diesem Montag in Wien weitergeführt werden sollten. Der iranische Präsident Hassan Ruhani hat sich bereits grundsätzlich offen für eine Zusammenarbeit mit den USA im Kampf gegen die Isis gezeigt.
Jahrelange Eiszeit
Zwischen Washington und Teheran hatte unter anderem wegen des Atomstreits jahrelang eine Eiszeit geherrscht. Die USA, Israel und westliche Staaten verdächtigen den Iran, heimlich Atomwaffen zu entwickeln. Die iranische Führung bestreitet dies. Zuletzt gab es in dem Konflikt aber Annäherungen.
Die Gebietseroberungen radikaler Islamisten nicht nur im im Irak, sondern auch im Nachbarland Syrien alarmieren auch das Nato-Mitgliedsland Türkei, das an beide Krisenstaaten grenzt. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprach in Ankara mit Aussenminister Ahmed Davutoglu über die Bedrohungslage. Rasmussen fordert anschliessend die Freilassung der 80 türkischen Geiseln im Nordirak, die mutmasslich von Isis festgesetzt wurden.
Flottenverschiebung
Die USA haben angesichts der heiklen und unübersichtlichen Lage einen Flottenverband samt Flugzeugträger in den Persischen Golf entsandt. Wie das US-Verteidigungsministerium mitteilte, werden zudem die Sicherheitsvorkehrungen an der Botschaft in Bagdad erhöht und einige Mitarbeiter vorübergehend abgezogen.
Grossbritanniens Aussenminister William Hague schloss eine britische Beteiligung an möglichen Luftschlägen gegen die Isis-Terroristen im Irak aus. «Wir planen keine militärische Intervention des Vereinigten Königreichs in dieser Situation», sagte Hague am Montag der BBC. Die USA hätten eher die Mittel und Möglichkeiten dazu.
Propagandakrieg
Isis führt auch einen Propagandakrieg: Auf Fotos und Videos im Internet zeigten die Extremisten Auspeitschungen, Erschiessungen und Massengräber. Sie wollen laut «New York Times» bei einer Massenexekution in Tikrit 1700 irakische Soldaten erschossen haben. Eine eine unabhängige Bestätigung für diese Angaben lag nicht vor.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die Gewalt seitens der Isis-Rebellen. In einer Erklärung nannte er Berichte über Massenexekutionen «beunruhigend». Die Täter müssten zur Rechenschaft gezogen werden. (awp/mc/ps)