Christian Reuss, CEO Scoach

Christian Reuss, CEO Scoach

Christian Reuss, CEO Scoach AG.

Von Radovan Milanovic

Moneycab: Seit Juni 2010 bekleiden Sie das Amt des CEO von Scoach. Was haben Sie bei Scoach verändert?

Es ist uns bei Scoach gelungen, in der relativ kurzen Zeit eine ganze Menge anzupacken und umzusetzen. Einerseits mussten wir die Scoach Europa AG teilweise umstrukturieren um nachhaltig besser für den Wettbewerb mit dem börslichen- und vor allem dem ausserbörslichen Wettbewerb zu positionieren. Andererseits haben wir die Transparenz insbesondere im Schweizer Markt deutlich erhöht und einige neue Messgrössen eingeführt: den vielbeachteten Marktreport, die Scoach Strategy Indizes, die Einführung des Buyback Ratio als Messgrösse für das Investorenvertrauen oder auch die Qualitätsmerkmale, die die Market-Maker-Qualitäten der Emittenten messen.

«Scoach will vermehrt in neue Märkte vorstossen und dies deutlich fokussierter und im Rahmen grösserer Projekte als zuvor.»
Christian Reuss, CEO Scoach AG

Ganz wichtig scheint mir die Erwähnung der Neuausrichtung unserer Internationalisierungsstrategie. Scoach will vermehrt in neue Märkte vorstossen und dies deutlich fokussierter und im Rahmen grösserer Projekte als zuvor. Auch verstehen wir es als unsere Aufgabe, den globalen Dialog und Austausch für Strukturierte Produkte aufzubauen. Das Strukturierte Produkte Forum im Rahmen des SFOA Annual Meetings belegt dies eindrücklich. Zu guter Letzt bleibt die Diskussion um die Einordnung von Strukturierte Produkte in die Palette der Passiven Investmentprodukte. Auch hier haben wir uns als zentraler Ansprechpartner etabliert.

Scoach, der Marktführer des Zertifikate-Handels in Europa, ist ein JointVenture der SIX Group und der Deutschen Börse AG. Welche Aufgaben unterstehen Scoach Schweiz AG neben der Handelstätigkeit in Zürich?

Der Hauptfokus konzentriert sich auf den Sekundärmarkt für Strukturierte Produkte. Scoach setzt alles daran, Strukturiere Produkte in der Welt der Anlageprodukte noch vermehrt zu etablieren und weiter zu entwickeln. Dafür greifen wir auf eine breite Massnahmenpalette zurück. Diese reicht von Aufklärung via Seminare oder wissenschaftliche Beiträge über einen engen Austausch mit den Regulatoren und natürlich über die stete Weiterentwicklung unserer Produkte, vorrangig in Zusammenarbeit mit den Emittenten und im Dialog mit Anlegern.

„Die Customization, also der Massschneiderung von Produkten, hat im Primärmarkt zu einem regelrechten Entwicklungssprung geführt“

Auch international sind wir sehr gut vernetzt, so fördern wir den internationalen Austausch unter anderem im Rahmen des Strukturierte Produkte Forums, um neue Impulse für die Branche zu finden. Die Herausforderung der kommenden Jahre in der Schweiz wird sein, den Sekundärmarkt, der eine Funktion des Primärmarktes ist, auf die neuen Bedürfnisse hin anzupassen. Insbesondere die Customization, also der Massschneiderung von Produkten, hat im Primärmarkt zu einem regelrechten Entwicklungssprung geführt.

Die Grösse von Scoach würde eine Kotierung der Gesellschaft rechtfertigen. Stehen solche Überlegungen im Raum?

Scoach ist als Joint Venture der SIX Group und der Deutschen Börse aufgestellt und sehr erfolgreich. Über allfällige Änderungen des juristischen Kleides kann und will ich nicht spekulieren.

Welches sind die Konkurrenten von Scoach?

Generell kann man sagen, dass unser grösster Konkurrent der OTC-Markt ist. Gerade in Deutschland, aber auch in der Schweiz, wird ein Grossteil der Umsätze mit strukturierten Produkten nach wie vor nicht an den Börsen, sondern immer noch im ausserbörslichen Over-the-Counter-Geschäft erfolgt. Dieser OTC-Bereich, der sicherlich 70% des Marktes in Deutschland ausmacht, wird übrigens nach wie vor sehr viel weniger reguliert als das börsliche Geschäft. Entsprechend geringer sind Transparenz und Sicherheit des Handels. Man wird sehen müssen, ob die Überarbeitung der Mifid-Richtlinie in diesem Bereich etwas umfassender sein wird. Es könnte aber auch geschehen, dass die Börsen zusätzlich reguliert werden, während der OTC-Bereich weiter aussen vor bleibt. Das würde schlussendlich zu einem massiven Ungleichgewicht im Wettbewerb führen.

Besteht die Absicht einer Vereinheitlichung des Handels in Europa mit Einschluss der Handelsplätze London, Paris und Mailand?

Im Moment sieht es nicht danach aus. Und auf irgendwelche Spekulationen lasse ich mich nicht ein.

Welchen Einfluss hatte und hat der Zusammenschluss von NYSE Euronext mit der Deutschen Börse auf Scoach?

Scoach ist ein Joint Venture zwischen der SIX Group und der Deutschen Börse, daran ändert die Fusion zwischen Frankfurt und New York nichts.

Der Markt für russische Finanzprodukte wächst stetig. Eine Chance für Scoach?

Mit FINAM ist bereits ein grosser Orderflow Provider aus Russland an der Scoach Europa AG angeschlossen. Gerade in den letzten Monaten haben wir hier einen bemerkenswerten Anstieg der Tickets gesehen. Russische Basiswerte werden schon seit vielen Jahren von Emittenten angeboten und waren vor wenigen Jahren gerade in der Schweiz recht erfolgreich.

„In den letzten Wochen haben wir das „Börsen Paradox“ erlebt: wenn Panik an den Märkten herrscht, führt das kurzfristig zu massiv erhöhter Handelsaktivität.“

Die Schrumpfung der Bankenindustrie und der Rückgang der Börsenumsätze werden auch die Börsen zwingen, Kosten einzusparen. Welche Massnahmen planen Sie zur Kostensenkung?

In den letzten Wochen haben wir das „Börsen Paradox“ erlebt: wenn Panik an den Märkten herrscht, führt das kurzfristig zu massiv erhöhter Handelsaktivität. Entsprechend haben wir in diesen turbulenten Zeiten starke Umsätze gesehen. Allerdings ist auch ein erhöhtes Buyback Ratio zu beobachten, d.h., dass sich Anleger von ihren Anlageprodukten trennen. Generell kann man jedoch sagen, das Hebelprodukte von einem volatilen Umfeld eher profitieren. Ein Grossteil der Börsenaktivitäten konzentriert sich entsprechend auf solche Produkte. Das Thema Kostenreduktion ist bei Börsen immer aktuell, Börsen unterliegen ständig dem Kostendruck. So auch Scoach. Die Massnahmen lassen sich grob in Rabatte für erhöhte Handelsaktivitäten, Kostenersparnisse durch Investitionen in Skalierbarkeit – gerade beim Thema Stammdaten in Deutschland – , sowie Honorierung eines Committments zum Finanzplatz zusammenfassen. Auf diese Weise versuchen wir, die Aktivitäten der Marktteilnehmer an der Scoach gezielt zu unterstützen.

Im ersten Halbjahr 2011 wurden 28.757 neue strukturierte Produkte emittiert. Als weitaus mehr, als vor der Bankenkrise 2008. In einer Zeit, da die potentiellen Gefahren an den Finanzmärkten weitaus grösser sind als in 2008. Wie erklären Sie sich die Risikofreudigkeit der Anleger?

Es gibt hier meines Erachtens nach keinen Zusammenhang zwischen Neuemissionen und Risikobereitschaft. Zahlreiche Produkte die neu aufgelegt werden, dienen gerade der Absicherung, zum Beispiel Puts, Produkte mit Kapitalschutz, der Anleger. Die Möglichkeit, von fallenden Kursen zu profitieren oder sich dagegen absichern zu können ist gerade eine der fundamentalen Stärken der Strukturierten Produkte. Hingegen richtig ist, dass die Emissionen in der Schweiz einem deutlichen Wachstumstrend folgen. Dabei ist das Listing viel stärker nachfragegetriebenen als beispielsweise in Deutschland und ist somit ein klares Zeichen für das Vertrauen der Emittenten und Anleger in den Markt für Strukturierten Produkten.

Die Umsätze der strukturierten Produkte sanken im Juli zum Vormonat um 21,58% auf 3,00 Milliarden CHF. Sie halbierten sich somit innerhalb von zwei Monaten. Denn im Mai betrugen diese 6,02 Milliarden CHF. Von welcher Umsatzentwicklung gehen Sie für das zweite Semester aus?

Die Umsätze korrelieren mit der Marktsituation und die hält sich derzeit wenig an klassische Zyklen. So hatten wir im Sommer- und Ferienmonat August mit CHF 5.8 Mrd den zweitaktivsten Monat des Jahres. Für das zweite Halbjahr ist entscheidend, ob sich die Anleger ob der herrschenden Unsicherheit vom Markt zurückziehen oder nicht. Dies gilt allerdings primär für Anlageprodukte und somit den Primärmarkt. Für den Hebelproduktemarkt offeriert die Unsicherheit natürlich Chancen, hier können sich durchaus starke Umsätze für die Börse ergeben.

„Die Möglichkeit, von fallenden Kursen zu profitieren oder sich dagegen absichern zu können ist gerade eine der fundamentalen Stärken der Strukturierten Produkte.“

In 2008 waren die Kleinanleger in grossem Masse in derivativen Produkten aus Spekulationsgründen engagiert. Wie beurteilen Sie die jetzige Situation? Sind die Kleinanleger wieder voll engagiert oder sind es momentan primär grössere oder institutionelle Anleger, welche die Produkte halten?

Ich bezweifle, ob die eingängige These richtig ist. Immerhin ist der Grossteil des Open Interests, also des in Strukturierte Produkte investierten Kapitals, in Deutschland rund 109 Mrd. Euro, in der Schweiz rund 200 Mrd. CHF, in Anlageprodukten investiert. Spekulative Hebelprodukte spielen dabei kaum eine Rolle, da sie in der Regel nur kurz gehalten werden. Die tragenden Produkte in dieser Betrachtungsweise sind vielmehr Kapitalschutz-, Renditeoptimierungs- und Partizipationsprodukte. In Deutschland sind primär Privatanleger investiert, während in der Schweiz traditionell Vermögensverwalter und Private Banker die grossen Volumen ausmachen.

Welche strukturierten Produkte sind zur Zeit im Trend?

Hebelprodukte bieten im aktuellen Umfeld grosse Chancen. Hier orten wir viel Potential.

Auch derivative Produkte unterstehen dem Wandel der Zeit. Welche Entwicklung stellen sie fest?

Strukturierte Produkte sind ein globales Phänomen. Die umsatzstärksten Märkte befinden sich dabei in Asien. Mittlerweile hat jedoch ein Informationsaustausch zwischen den Märkten angefangen. Vielleicht werden sich hier globale Trends herausbilden.

„In der Schweiz erleben wir derzeit mit der Customization, also der Massschneiderung von Produkten, einen Entwicklungssprung im Primärmarkt für Strukturierte Produkte.“

Wie sehen Sie die weitere Zukunft von Scoach? Welche Visionen haben Sie?

Bei der Scoach Europa AG wollen wir unseren guten Weg weiter fortsetzen. Wir sehen gute Chancen, uns auf der Buyside mehr und mehr zu etablieren. Des weiteren ist die Internationalisierung von großer Bedeutung, dass wir also dort, wo uns Xetra (die Handelsplattform der Deutsche Börse) andere Märkte geöffnet hat, auch strukturierte Produkte anbieten. Bei der Scoach Europa kommen schon jetzt 10 bis 15% der Trades aus dem Ausland. In der Schweiz erleben wir derzeit mit der Customization, also der Massschneiderung von Produkten, einen Entwicklungssprung im Primärmarkt für Strukturierte Produkte. Die Herausforderung der kommenden Jahre wird sein, den Sekundärmarkt, der eine Funktion des Primärmarktes ist, auf die neuen Bedürfnisse hin anzupassen. Und darüber schwebt natürlich die Vision einer einheitlichen Plattform für verschiedene Märkte.

Der Gesprächspartner:
Seit Juni 2009 ist Christian Reuss CEO und Vorstandssprecher bei Scoach. Im September 2009 übernahm er zudem eine Position als Board Member der Swiss Futures & Options Association (SFOA). Christian Reuss bringt mehr als zehn Jahre Erfahrung im Bereich Banking & Finance mit sich, über sieben davon bei Goldman Sachs – zuletzt als Executive Director in der Private Investor Products Group (PIPG) mit europaweiter Verantwortung.

Christian Reuss startete seine berufliche Karriere mit der Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Dresdner Bank AG in Frankfurt bevor er sein Studium der Betriebswissenschaften aufnahm. 2002 begann schliesslich sein Werdegang bei Goldman Sachs International zunächst im Bereich US Institutional Research Sales & Trading in Frankfurt. In den folgenden sieben Jahren arbeitete er im Bereich Equity Flow Derivates und schliesslich seit 2005 in der Private Investor Products Group an den Standorten Frankfurt, London und Zürich. Christian Reuss, geboren 1975, verheiratet und Vater einer Tochter, studierte Betriebswirtschaft an der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt, hält einen Master of Business Administration der Henry B. Tippie School of Management/University of Iowa und ist CFA Charterholder.

Das Unternehmen:
Scoach vereint den grössten und den ältesten Markt für Strukturierte Produkte Europas. Die Muttergesellschaften SIX Group AG und Deutsche Börse AG stehen für technologische, funktionale und regulatorische Kompetenz, für Innovationsfähigkeit, für Flexibilität sowie für hohe Qualität und Solidität. Scoach eröffnet Investoren in ganz Europa zu fairen Preisen den Zugang zu Strukturierten Produkten, auch über nationale Grenzen hinweg. Hohe Ausführungsgeschwindigkeit, Fairness, Transparenz und Sicherheit sind die Kriterien, an denen wir unseren Erfolg messen.


Symbolbild KF für CEO Interviews

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